Max Verstappen in der Formel 1:Die Unbesiegbaren sind angeschlagen

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"Ich möchte das Auto einfach nur besser verstehen, daraus lernen und mehr herausholen", sagt Max Verstappen zur aktuell schwierigen Situation bei Red Bull. (Foto: Sem van der Wal/AFP)

Nach der Sommerpause steht Max Verstappen so stark unter Druck wie lange nicht: Das Fahrzeugkonzept von Red Bull stößt an Grenzen – und die Lösungssuche hat sich durch die ausgezeichnete Form des Champions verzögert.

Von Elmar Brümmer, Zandvoort

Was Max Verstappen für ein Trotzkopf sein kann, signalisiert die neue Kappe des Formel-1-Champions für den Großen Preis der Niederlande. Aus einem Meer von Oranje in dem an diesem Wochenende alles andere als beschaulichen Badeort Zandvoort sticht die neue Kopfbedeckung deutlich hervor: Sie ist komplett blau. Die aufgestickte Eins wirkt besonders fett, sie zieht Streifen hinter sich her, was ihr wohl mehr Dynamik verleihen soll. Tatsächlich wirkt das Symbol so, als würde die Ziffer schwer im Wind liegen, zerzaust wie ein Segel. Was gut zur Stimmungslage beim Titelverteidiger in der Königsklasse passt: Die Unbesiegbaren sind angeschlagen.

Der dreimalige Formel-1-Weltmeister steht nach der Sommerpause so stark unter Zugzwang wie nie in den vergangenen zweieinhalb Jahren seiner Regentschaft. Angesichts von 78 Punkten Vorsprung auf den Verfolger Lando Norris bei noch zehn ausstehenden Rennen mag das wie eine gefühlte Wahrheit wirken, aber das Gesamtbild des Titelkampfs bildet die jüngsten Veränderungen und die gestiegene Leistungsdichte an der Spitze nur unzureichend ab. Die Krise der bislang Besten verändert vieles.

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Der große Vorsprung von Red Bull ist dahin, seit das optimale Betriebsfenster des Autos geschrumpft ist. Außerhalb dieses Rahmens, in dem Motor, Fahrwerk, Reifen und Chassis perfekt harmonieren, wird der Rennwagen, er ehemals ein eingebautes Siegesabonnement zu haben schien, zu jener „Zicke“, die Rennstallberater Helmut Marko anprangert. „Das Fenster, in dem unser Auto funktioniert, ist kleiner geworden“, klagt auch Christian Horner. Der Teamchef erwartet, dass sich der Vierkampf an der Spitze auf Augenhöhe (Red Bull, Ferrari, Mercedes, McLaren) die nächsten anderthalb Jahre bis zum Neuschnitt des technischen Reglements fortsetzen wird. Der aktuelle Beziehungsstatus zwischen Fahrer und Auto jedenfalls lautet: Es ist kompliziert.

Dem Rennwagen sollen die Launen durch einen ungewöhnlichen Rückschritt ausgetrieben werden

Zandvoort, das erst mit der Verstappen-Ära wieder in den Rennkalender gerückt ist, gilt ohnehin als schwieriges Terrain, nicht nur der überhöhten Kurven wegen. Doch bei allen drei bisherigen Rennen in den Dünen konnte der Niederländer, der inzwischen ein Nationalheld ist, sowohl die Pole-Position als auch den Sieg erobern. Vergangene Saison jubelten ihm Königin Maxima und König Willem-Alexander zu. Es war die Krönung eines Rekordsommers mit zehn Grand-Prix-Siegen in Serie. Ist das wirklich erst ein Jahr her?

Jetzt reist der 26-Jährige nach vier sieglosen Rennen hintereinander an, der Juli war eine glatte Nullnummer. „Diesmal wird es sicherlich das härteste Heimspiel für mich“, sagt Verstappen, „die Spitze ist mehr umkämpft denn je.“ Um einen möglichen Titelverlust sorgt er sich nicht: „Alles was ich jetzt will, ist ein sauberes Wochenende.“

Motor, Fahrwerk, Reifen und Chassis harmonieren beim RB20 nicht mehr optimal: Verstappens Siegesabonnement pausierte zuletzt. (Foto: Joe Klamar/AFP)

Eines gibt es in jedem Fall zu feiern: Zandvoort wird das 200. Formel-1-Rennen sein, dass Verstappen bestreitet. Seit über 800 Tagen führt er ununterbrochen die WM-Wertung an. Für gewöhnlich geht er schnoddrig mit solchen Marken um, Statistiken sind den meisten Nachvornedenkern zu viel Vergangenheit, Rennfahrer leben für die nächste Kurve. Aber angesichts der Quoten aus neuneinhalb Jahren darf er sich dennoch geehrt fühlen: 30,65 Prozent aller Rennen konnte er gewinnen, bei den Pole-Positionen kommt er auf 20,10 Prozent. Allein von den Rennen im Rahmen des derzeit gültigen Ground-Effect-Reglements hat er zwei Drittel für sich entschieden.

Nach drei Wochen strikten Werksferien in der Formel 1 mag noch keiner dran glauben, dass sich die alte Ordnung so einfach wiederherstellen lässt. Dem RB20 sollen seine Launenhaftigkeit durch einen ungewöhnlichen Rückschritt ausgetrieben werden. Beim letzten Europa-Rennen dieser Saison in Monza am kommenden Wochenende sollen bewährte alte Komponenten an das Auto zurückkehren, so dass es wieder zum geforderten und gefürchteten Allrounder wird. Vor allem für den mit einem Gnadenvertrag ausgestatteten Verstappen-Kollegen Sergio Perez wäre das wichtig. Red Bull braucht einen starken zweiten Mann für die Titelverteidigung in der Konstrukteursweltmeisterschaft, dort ist der Vorsprung auf nur 42 Punkte gegenüber McLaren geschmolzen. Seit die Überlegenheit weg ist und das Team unter Druck steht, passieren aber nicht nur dem Mexikaner Fehler.

Technikdirektor Pierre Waché, der das Erbe des genialen Designers Adrian Newey angetreten hat, sieht schon seit längerem, dass das Fahrzeugkonzept von Red Bull an die Grenzen der Weiterentwicklung stößt: „Wir dachten sogar, dass uns die Konkurrenz schon früher einholen würde.“ Dass es so ungewöhnlich lange gedauert hat, bis die Ingenieure dem Problem mit dem eigenen Auto und neuen Lösungsansätzen auf die Spur gekommen sind, liegt auch an der Topform von Verstappen. „Ein so außergewöhnlicher Fahrer filtert viele Probleme weg“, bekennt Waché. Der Außergewöhnliche selbst übt sich in Demut: „Ich möchte das Auto einfach nur besser verstehen, daraus lernen und mehr herausholen.“

Da versucht einer, sich selbst und damit seine ganze Mannschaft wieder in Balance zu bringen. Wie eine Eins.

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