Süddeutsche Zeitung

Matthias Ginter beim BVB:Lehrling auf fremder Position

Lesezeit: 2 min

Von Carsten Eberts

Neulich, auf dem Dortmunder Trainingsgelände, kam Thomas Tuchel eine Idee. Er schlenderte zu seinem Ersatzspieler Matthias Ginter - und haute ihn an, ob er sich denn vorstellen könnte, als Rechtsverteidiger aufzulaufen. "Ganz beiläufig", wie Tuchel erzählt, die Idee sei ihm spontan gekommen. Und er habe sich gefreut, mit welch "großer Offenheit" Ginter reagiert habe.

Weltmeister wurde Ginter 2014 als Sechser, in Dortmund spielte er zuletzt Innenverteidiger. So groß sei die Umstellung doch gar nicht, erklärt Ginter nun. Die Position des Außenverteidigers sei für ihn "eine Mischung aus Innenverteidiger und Sechser". Das entspricht zwar nicht der reinen Positionslehre des Fußballs, aber was soll's: Ginter fühlt sich wohl.

Das war zuletzt nicht immer so. Trotz eines Fünfjahresvertrages und zehn Millionen Euro Ablöse wurde dem früheren Freiburger eine schwierige Zukunft beim BVB prophezeit. Gladbach und Stuttgart wollten ihn im Sommer haben, doch Dortmund ließ ihn nicht gehen. Unter Tuchel galt er nur als Innenverteidiger Nummer vier, was eigentlich keine Perspektive ist für einen jungen Mann, der immer noch zum erweiterten Kreis der Nationalelf zählt.

Vier Vorbereitungen in drei Spielen

Bis Tuchel die Idee kam, Ginter zum Rechtsverteidiger umzumodeln. Beim 4:2 gegen Hannover zeigte Ginter am Samstag, wie gut ihm diese Position steht. Zwei der vier Dortmunder Treffer bereitete er über die rechte Außenbahn vor. Insbesondere die zwischenzeitliche 2:1-Führung stach dabei ins Auge, als er mit Henrikh Mkhitaryan famos Doppelpass spielte.

Ginter mache seine Sache "sehr, sehr gut", attestierte ihm Tuchel, insbesondere offensiv. Tuchel verwies auf die "unglaubliche Quote bei Torbeteiligungen", die Ginter vorzuweisen hat. Vier sind es nun in den vergangenen drei Partien. Auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke stellte genüsslich fest: "Einige hatten ja schon von einem Fehleinkauf geschrieben." Und jetzt bereite er ein Tore nach dem anderen vor.

Ginter macht seine Sache tatsächlich gut, doch er profitiert von einer speziellen Statik im aktuellen BVB-Angriffsspiel. Das ist ausgesprochen linkslastig; über Mkhitaryan, Marcel Schmelzer und Marco Reus, wenn er denn fit ist, macht Dortmund viel Alarm. Gegen stark verschiebende Mannschaften wie Hannover bleibt zwangsläufig die rechte Außenbahn blank - wo Ginter steht. Verlagert das Mittelfeld schnell, hat er ungemein viel Platz. "Ich habe noch nie so offensiv gespielt", lässt Ginter wissen. Zudem schwächelt Lukasz Piszczek, Dortmunds eigentliche Stammkraft auf seiner Position, nach seiner Verletzungspause noch erheblich.

Ein Kandidat für Joachim Löw

Wie bei jedem Außenverteidiger, der zwei gute Spiele macht und zudem über einen deutschen Pass verfügt, gilt Ginter damit automatisch als Kandidat für Joachim Löw. Der Bundestrainer hatte Ginter im Sommer 2014 überraschend mit zur WM genommen, wegen des starken Konkurrenzkampfs findet er in seiner bisherigen Verwendung als Sechser jedoch keine Berücksichtigung mehr. Auf der Position des Rechtsverteidigers hätte Löw eher Bedarf. Dort spielte zuletzt Emre Can, und zwar eher wackelig.

Als nationaler Außenverteidiger sieht sich Ginter noch nicht ("da bin ich der falsche Ansprechpartner"), eher als Lehrling auf der fremden Position. Von Tuchel erhalte er Tipps, auch schaue er viele Videos an, um sich von prominenteren Vertretern Sachen abzuschauen. "Das alles hilft mir, in diese Position hineinzuwachsen", sagt Ginter. Wobei: Wie er gegen Hannover gemeinsam mit Mkhitaryan das zweite Tor herausspielte, das war eine Szene, die sich manch hauptberuflicher Außenverteidiger anschauen sollte.

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