Abschied vom Profitennis:Heimkehr eines Weltreisenden
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Matthias Bachinger, 36, beendet seine Laufbahn dort, wo sie einst begann - mit Tränen in den Augen und der Erkenntnis, dass eine Tenniskarriere nicht nur über die Erfolge auf dem Platz definiert wird.
Leise und zaghaft begannen die Sprechchöre, während Matthias Bachinger sein Gesicht in einem Handtuch vergrub. Es dauerte einige Sekunden, bis sich die paar hundert Zuschauer zu einem Abschiedsjubel zusammenfanden, auf dem kleinen Nebenplatz, der offiziell den Namen Court 1 trägt, den die Insider auf der Anlage am Aumeister aber nur den Vierer nennen, nach der Platznummer, die er beim MTTC Iphitos im Normalbetrieb hat. "Ich hatte so viele besondere Matches auf dem Vierer", sagte Bachinger im Rückblick auf sein letztes: Inmitten der immer lauter anschwellenden "Bachi, Bachi"-Rufe winkte er noch einmal, nahm von Turnierdirektor Patrik Kühnen einen Geschenkkorb entgegen - und vergoss einige Tränen.
"Ich bin ein sensibler, emotionaler Typ", erklärte Bachinger später auf der Pressekonferenz. In den vergangenen Nächten habe er schon schlecht geschlafen, im Doppel an der Seite von Dominic Thiem - das mit 4:6, 2:6 gegen das Duo Robin Haase und Philipp Oswald verloren ging - habe er am Ende "tausend Gedanken im Kopf" gehabt. Einer davon war der Dank an den Österreicher Thiem, der Bachinger in seinen finalen Minuten am Platz begleitete. Dass er sich die Zeit nehme für so etwas, sei keine Selbstverständlichkeit für einen Major-Sieger: "Das werde ich ihm nie vergessen."
Dass die Karriere des 36-Jährigen auf dem Vierer am Aumeister beim ATP-Turnier in München zu Ende ging, hätte er sich selbst kaum schöner ausmalen können, sagte Bachinger. Schon als Kind nahmen ihn seine Eltern mit zum Münchner Heimatturnier, heute wohnt er zehn Minuten von der Tennisanlage entfernt und kennt "vermutlich neunzig Prozent der Zuschauer hier". "Bachi" ist seiner bayerischen Heimat immer treu geblieben, eine Karriere als Weltreisender hatte er trotzdem.
Einer der Höhepunkte war im Rückblick seine Finalteilnahme beim ATP-Turnier in Metz im Jahr 2018, mit einem Sieg gegen den damaligen Top-Ten-Spieler Kei Nishikori im Halbfinale. Dazu schaffte Bachinger vier Siege auf der Challenger-Tour, eine Zweitrundenteilnahme bei den Australian Open und eine bei den US Open, wo er in drei Sätzen gegen Andy Murray verlor. "Die Karriere hätte noch besser sein können, aber ich bin zufrieden", bilanzierte er: "Leider habe ich nie gegen Roger Federer oder Rafael Nadal gespielt, aber ich habe mit ihnen trainiert."
Bachingers Karriere ist auch ein Lehrstück über die harte Realität im Tennissport und die zwei Seiten, die das Leben als Tennisprofi kennzeichnen. Auf einem Weg, den er vor 18 Jahren begann, der ihn vor 16 Jahren zu seinem ATP-Debüt führte und 2011 zu seiner besten Weltranglistenposition: Rang 85. Zum einen gebe es "keine andere Situation im Leben", sagte er, in der er ein vergleichbares Gefühl gespürt habe wie nach einem Sieg in einem wichtigen Match. Allein dafür habe sich die Arbeit über mehrere Jahrzehnte gelohnt: "Es war eine schöne Reise. Wenn mir das als Kind jemand gesagt hätte, dass ich das erreiche, in den größten Arenen der Welt gegen die besten Spieler zu spielen - ich hätte das sofort unterschrieben." Andererseits berichtete Bachinger von dem Druck, der ihn ständig begleitete: "Man hat immer diese Anspannung. Darauf zu verzichten, darauf freue ich mich schon; dass ich ab jetzt spielen kann, wenn ich will, und nicht wenn ich muss."
Eine Karriere mit vielen Aufs und Abs kann auch dazu führen, dass das große Ganze gelegentlich aus dem Blick gerät. Im Rückblick, sagte Bachinger, werde er sich des Privilegs, das er als Profi hatte, viel häufiger bewusst sein und versuchen, "es mehr zu genießen".
Genau damit will der Münchner nun seine kommenden Monate verbringen. Konkrete Pläne für eine Weiterbeschäftigung gibt es noch nicht, erst einmal gehe es für ihn um das Gefühl, mal wieder "ohne Tennistasche und Druck zu reisen". Tennis soll weiterhin ein wichtiger Bestandteil seines Lebens bleiben: Für die Herren 30 des TC Großhesselohe wird Bachinger - der die Bundesliga ebenfalls unter seinen Lieblingswettbewerben aufzählte - in der kommenden Saison an den Start gehen.
Die alten Bekannten bleiben ihm also erhalten: Am Montagnachmittag waren in Tobias Kamke und Peter Gojowczyk zwei jener Kollegen unter den Zuschauern, die ihn am längsten begleitet haben und die auch den "Bachi, Bachi"-Chor anstimmten. Das sei die schönste Seite an seiner Karriere gewesen, sagte Bachinger auf der Pressekonferenz noch, er hatte erneut ein paar Tränen im Auge: "Das Schönste ist für mich, dass ich viele tolle Menschen kennenlernen durfte, beste Freunde gefunden habe - die werden für immer bleiben."