Mats Hummels:Torverhinderer, Spielmacher, Torschütze

DSC Arminia Bielefeld v Borussia Dortmund - Bundesliga

In einer anderen Etage: Mats Hummels erzielt per Kopf das 2:0 für Dortmund auf der Bielefelder Alm.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Auch beim 2:0-Sieg in Bielefeld setzt Mats Hummels Dortmunds Akzente - doch just vor den Spielen in Brügge und gegen den FC Bayern verletzt er sich.

Von Milan Pavlovic, Bielefeld

Er ging zu Boden, aber das war freiwillig. Im Bestreben, offensiv zu verteidigen, setzte Mats Hummel zu einer geschmeidigen Grätsche an. Es lief die 85. Minute in Bielefeld, die Partie war entschieden, vor allem dank des zweimaligen Torschützen Hummels, der nicht anders kann, als seine 1,91 Meter entweder ganz oder gar nicht einzusetzen - nur verzeiht ihm sein Körper das nach 31 Jahren nicht mehr in jeder Szene. Hummels rappelte sich also auf und eilte zurück, aber dabei griff er sich bald hinten an den rechten Oberschenkel, und kurz darauf saß er wieder auf dem Boden, unfreiwillig diesmal. Mit skeptischem Blick signalisierte er der Bank, dass er ausgewechselt werden müsse.

Für Borussia Dortmund war das ein schlechtes Zeichen zu einem besonders schlechten Zeitpunkt. Der dicht gedrängte Spielplan sieht ohnehin kaum Verschnaufpausen vor, und für den BVB stehen zwei elementare Prüfungen an: am Mittwoch in der Champions League beim FC Brügge und am Samstag, vor der Länderspielpause, gegen den FC Bayern, der in diesen Tagen manchmal etwas müde wirkt.

Dem Innenverteidiger gelingt sein erster Doppelpack seit 2010

Hummels ist die Figur, die den BVB in diesen Wochen am meisten prägt: Nicht erst in Bielefeld verkörperte er Spektakel und Solidität, Torsicherheit und Torgefahr. Solange er auf dem Feld stand, kam der Gegner zu keiner einzigen echten Chance, das war schon am Wochenende zuvor gegen Schalke 04 so gewesen; kein Team hat in der Liga in dieser Saison weniger Treffer zugelassen als Dortmund (zwei).

Nebenbei glänzt Hummels - wenn die Gegner ihn lassen - als verkappter Spielgestalter, mit punktgenauen Außenristpässen, manchmal über 40 Meter, sowie neuerdings als Torschütze: Gegen die Arminia war er es, der den kniegeplagt abwesenden Erling Haaland am effektivsten vertrat. Im Grunde sollten abwechselnd Brandt, Hazard oder Reus in die Spitze, aber erst Hummels zeigte, wie man das richtig macht.

Gewiss, beim 1:0 (53. Minute) profitierte er davon, dass die Arminia bei einem Eckball schlecht sortiert war. Aber er stand eben da, wo Torjäger zu stehen haben, und bugsierte den Ball mit dem linken Oberschenkel über die Linie. Nach einer Flanke von Reus erhöhte Hummels, der nach einem Standard einfach vorne geblieben war (71.), im Stile eines Neuners per Kopf auf 2:0. Mit seinem ersten Doppelpack seit 2010 stellte er auch den Talentschuppen des BVB in den Schatten. Auf Instagram hatte er später Zeit genug, mit der 15 Jahre alten Nachwuchshoffnung Youssoufa Moukoko herumzublödeln: "Ich muss mir einen Vorsprung erarbeiten, bis du 16 wirst."

Nach dem Match interessierte sich folgerichtig kaum jemand dafür, dass der BVB sein Bielefeld-Trauma vorerst überwunden hat - es war der erste Sieg auf der Alm seit 1999, überhaupt erst der dritte seit 1971. Alle wollten wissen, was mit Hummels' Oberschenkel ist. Julian Brandt witzelte: "Dem geht es gut, der hat zwei Tore geschossen, der kriegt das schon hin. Der hat gutes Heilfleisch." Sein Trainer Lucien Favre betonte Hummels' Wert fürs Kollektiv, indem er ausgiebig lobte wie selten: "Er spielt sehr, sehr gut. Er ist in Topform. Er ist enorm wichtig für die Mannschaft, dazu macht er zwei Tore heute. Mehr kann ich nicht sagen." Die genaue Diagnose stand auch am Sonntagabend noch aus, aber Hummels selbst hatte wissen lassen: "Ich habe zum Glück keinen Stich gespürt, was schon mal ein gutes Zeichen ist." Er kennt seinen Körper und dessen Grenzen gut genug: "Der Oberschenkel ist fest, da wird man jetzt ein paar Tage ranmüssen." Von daher hoffe er, "das Wettrennen gegen die Zeit bis Mittwoch" zu gewinnen. Früher hätte man gesagt, dass das Match gegen den FC Bayern wichtiger sei als jenes in Brügge - aber in Corona-Zeiten hat jedes Spiel in der Champions League (und jede zusätzliche Prämie) an Gewicht gewonnen.

Sportlich wäre es freilich noch spannender, zu sehen, wie der BVB in Brügge ohne seine dominante Figur auftreten würde. Denn das Team präsentiert sich gerade etwas anders als zuletzt. Von Dortmund verspricht man sich seit einigen Jahren Nonstop-Spektakel - mit der Gefahr, dass das für den Meistertitel wieder nicht reicht. Da kommt dann bei Misserfolgen sehr bald Unmut auf, und seit dem Weggang von Jürgen Klopp trägt flott der Trainer die Hauptschuld. Das war bei Thomas Tuchel so, erst recht bei Peter Bosz und dessen Nachfolger Peter Stöger sowie, seit nun zweieinviertel Jahren, bei Favre. In dieser Spielzeit startete das Team mit einem feinen 3:0 gegen Mönchengladbach. Doch eine Woche später setzte es das 0:2 in Augsburg, und seitdem ist der Dortmunder Zauberkasten weitgehend geschlossen.

Die vergangenen acht Tore erzielte der BVB in Hälfte zwei

In der Liga folgten vier zumeist schmucklose Zu-null-Siege, in denen der BVB die Gegner müde presste. Nimmt man das zähe 2:0 vom Champions-League-Erfolg gegen Sankt Petersburg hinzu, hat die Borussia bei ihren vergangenen vier Siegen alle acht Tore erst in der zweiten Hälfte erzielt. Das kann man als Zeichen sehen, dass die junge und konditionsstarke Mannschaft Eigenschaften vereint, die für junge Mannschaften nicht typisch sind: Nervenstärke und Geduld. "Das war eine sehr erwachsene Leistung", lobte Hummels in Bielefeld. "Das war in den letzten Tagen etwas Rohkost bei uns", sagte Brandt fast entschuldigend, "aber mit Geduld haben wir das ganz gut hinbekommen." Deutlich größer war die Begeisterung bei seinem Trainer: "Wir waren sehr geduldig", sagte Favre mit einem Leuchten in den Augen.

Aber auch er weiß: So erfolgreich der Oktober über weite Strecken war - gemessen wird sein Team an den beiden ersten Ergebnissen im November. Ob nun mit oder ohne Mats Hummels.

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