Mats Hummels:Der Chefkritiker

World Cup - Group F - South Korea vs Germany

Wütend auf dem Rasen von Kasan: Mats Hummels.

(Foto: REUTERS)
  • Gegen Südkorea war Mats Hummels erneut der erste Spieler, der sich der Presse stellte und Kritik am eigenen Team übte.
  • Ihm ist die bittere 0:2-Niederlage nicht anzulasten, im Gegenteil: In den letzten Minuten war er sowohl Innenverteidiger als auch Mittelstürmer.
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Von Johannes Kirchmeier

Es gehört Courage dazu, sich nach dem bitteren Aus so schnell zu sammeln wie Mats Hummels. Während seine Kollegen noch mit sich und ihrem Frust beschäftigt waren, stellte sich der Innenverteidiger vor das ZDF-Mikrofon - nur Minuten nach der 0:2-Niederlage gegen Südkorea, bei der er hinten so viele Bälle wie möglich von Manuel Neuers Tor weggehalten und vorne als Einziger für echte Gefahr gesorgt hatte. "Ganz schwierig, in Worte zu fassen", fing er stockend an: "Wir haben bis zum Schluss heute auch dran geglaubt. Aber wir haben den Ball nicht ins Tor gebracht. Keiner von uns."

Oberkörperfrei stand er da, er kratzte sich an der Schulter, er kratzte sich am Hals, er kratzte sich am Kopf. Im wahrsten Sinne des Wortes war der Innenverteidiger noch aufgekratzt - doch er fasste erstaunlich kluge Gedanken und analysierte von Frage zu Frage mehr: "Wir haben einige Punkte, an denen wir ansetzen müssen, wenn wir uns wieder zusammenfinden."

Gleichzeitig Innenverteidiger und Mittelstürmer

Schon nach der Auftaktniederlage gegen Mexiko hatte er sich als Erster zum Rapport gemeldet, kritisierte die Mitspieler, die zwar als stolze Weltmeister auftraten, aber nicht so Fußball spielten. Hummels eckte damit angeblich auch etwas an im Team. Mehr wolle er öffentlich nicht dazu sagen, meinte er daher. Doch dann setzte er zur Fundamentalkritik an: "Man hat das ja auch gesehen, auch in den letzten Testspielen ... Ich glaube, das letzte überzeugende Spiel war im Herbst 2017. Das ist ein bisschen lange her." Hummels spielte auf die mauen Auftritte nach der starken WM-Qualifikation an, die bereits den Takt der deutschen Partien in Russland vorgaben.

Wie gegen Mexiko manövrierten ihn seine Vorderleute erneut in eine schwierige Lage: "Wir sind in Konter gelaufen, die wir, ich hoffe, das darf ich sagen, echt noch gut wegverteidigt haben. Da waren ja teilweise unglaubliche Konter dabei. Ja, und da haben wir irgendwie die Struktur verloren." Immer wieder mussten sich Hummels und sein Teamkollege vom FC Bayern München, Niklas Süle, den Ball in Eins-gegen-Eins-Situationen gegen die flinken Südkoreaner am eigenen Strafraum erkämpfen. Sie meisterten diese Belastung über 90 Minuten aufopferungsvoll - und nahezu fehlerfrei. Doch die vielen Notdienste kosteten wertvolle Ressourcen. Den Innenverteidigern konnte man die zweite WM-Niederlage jedenfalls nicht anlasten.

Im Gegenteil: In den letzten Minuten der Partie stemmte sich vor allem Hummels gegen das Aus. Beim Stand von 0:0 benötigte Deutschland dringend ein Tor - was Hummels dazu bewog, zwei Positionen auszufüllen: Ab der 85. Minute spielte er als Innenverteidiger und als Mittelstürmer. Und hatte auch die größte deutsche Torchance: Von hinten startete er nach vorne durch, lief in den Strafraum, sprang in eine fein servierte Flanke von Mesut Özil - doch statt den Ball aufs Tor zu köpfeln, traf er ihn versehentlich mit der Schulter. Die Kugel landete wenige Meter neben dem Tor. "Den muss ich machen, ganz klar", sagte Hummels zu der Szene - auch an sich selbst sparte er nicht mit Kritik: "Wenn ich den in der 87. Minute reinmache, reden wir darüber, wie geil es ist, dass wir weitergekommen sind. Jetzt reden wir leider über was anderes."

Es war ja eine Szene wie gemacht für Mats Hummels, der Deutschland schon bei der WM 2014 diesen befreienden Sieg im Viertelfinale gegen Frankreich durch einen Kopfball beschert hatte. Und der auch nach diesem Kopfball in Kasan vier Jahre später als einer der wenigen nicht aufgab: "Selbst nach dem 0:1 haben wir noch versucht, das ganze Ding zu drehen." Womit er schon sich selbst meinte: Auf den Innenverteidigerjob verzichtete er nun ganz, nur um als Stürmer noch durchschlagskräftiger zu werden. Wenn an diesem Mittwochabend noch einem Deutschen ein Tor hätte gelingen können, dann wohl Hummels. Noch zweimal setzte er gefährliche Kopfbälle nur ganz knapp über das Tor des Südkoreaners Jo Hyeon-woo und konnte sein Fazit letztlich doch in Worte kleiden: "Das ist ein ganz, ganz bitterer Abend. Für uns, für alle, für die deutschen Fußballfans."

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