Süddeutsche Zeitung

Martin Kaymer beim Ryder Cup:Auferstehung nach der Krise

Der Ryder Cup 2012, emotionaler Wettkampf der besten Golfer aus Europa und Amerika, wird für immer mit Martin Kaymers letztem Putt aus zwei Metern in Verbindung gebracht werden. Der Deutsche erlebt damit eine sportliche Auferstehung. Das Ausnahmetalent hat schwere Zeiten hinter sich.

Gerald Kleffmann

Am vergangenen Samstagmorgen hat sich Martin Kaymer mit Bernhard Langer auf der Anlage des Medina Country Club bei Chicago getroffen. Der junge Golfprofi wollte vom Senior des deutschen Golfsports wissen, was er falsch mache; wie er erfolgreicher spielen könne, an einem Wochenende, an dem es um den wichtigsten Teamwettbewerb der Welt ging. Kaymer war am Freitag miserabel ins Duell zwischen den jeweils zwölf besten Golfern aus Europa und den USA gestartet. "Das Gespräch hat mir unheimlich geholfen", sagte der 27-Jährige hinterher. "Da habe ich gemerkt, dass meine Einstellung zum Ryder Cup nicht in Ordnung war."

Tatsächlich trat am nächsten Tag ein wundersamer Wandel ein. Wie man bei Wimbledon 1985 an einen rothaarigen Jungen aus Leimen denkt, der den letzten Aufschlag in die Ecke drischt, so wird nun der Ryder Cup 2012 auf ewig mit Kaymers letztem Putt aus zwei Metern in Verbindung stehen: Ein Deutscher wurde zum Held.

Der nervenstarke Rheinländer aus Mettmann hatte mit seinem allerletzten Schlag den erfahrenen Steve Stricker im Einzel besiegt - damit gebührte ihm die Ehre, die Titelverteidigung der Europäer besiegelt zu haben. Die Bilder, wie er den Ball im Loch versenkt, die Hände ballt und brüllt, sind fortan fester Bestandteil der Golfhistorie, wenngleich die wirklichen Leistungsträger in Europas Eliteeinheit andere waren. Zum Beispiel der Brite Ian Poulter, der die Kollegen mit seinem Temperament an den drei Turniertagen mitriss.

Aus nationaler Sicht ist Kaymers Tat aber besonders symbolträchtig. Denn das deutsche Ausnahmetalent erlebte auch seine sportliche Auferstehung. Kaymer durchlebte zuletzt das, was im Sport unter dem Schlagwort Krise gebündelt wird. Nach einem schnellen Aufstieg hatte sich Kaymer den Ruf erspielt, eine "german machine" zu sein. Er gewann viele Turniere, auch eines der vier Majors, kassierte Preisgeld- und Werbemillionen. Und da in der Weltspitze kein anderer Landsmann vertreten ist, bürdete sich Kaymer noch die Rolle auf, eine Art Botschafter im Geiste des 55-jährigen Langer zu werden.

Doch Tiger Woods zu besiegen und das deutsche Golf repräsentierend zu retten, ist wohl etwas viel auf einmal. So ging es abwärts für Kaymer, nachdem er im Februar 2011 zur Nummer eins der Weltrangliste aufgestiegen war. Er wollte noch perfekter spielen, änderte den Schwung. Doch sein Spiel wurde nur noch unsicherer. In Europas Team galt er als Schwächster, nur dank guter Ergebnisse im Vorjahr hatte er sich qualifiziert. Vor diesem Hintergrund erhält sein Putt eine besondere Dimension.

Langer im Übrigen gratulierte ganz uneitel, und Kaymer hat dem Altmeister jetzt etwas voraus: Der Ältere patzte 1991 beim Ryder Cup auf Kiawah Island beim entscheidenden Putt. Man mag sich nicht ausmalen, was ein nicht gelochter Schlag für Kaymers Weg bedeutet hätte. Nun darf der junge Mann entspannt jubeln: "Ich bin einfach glücklich."

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SZ vom 02.10.2012/rus
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