Golf:"Die treiben die Sportart nach vorne"

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Martin Kaymer droht der Ausschluss auf der European Tour. Aber die US Tour ist keine Alternative: "Ich sehe uns einfach nicht zwölf Monate im Jahr in Amerika leben." Nach dieser Logik bleibt ihm bloß die umstrittene LIV-Tour. (Foto: Grant Winter/Imago)

Martin Kaymer verteidigt seine Entscheidung, künftig auf der saudi-arabischen LIV Tour anzutreten. Er lobt das neue Golf-Format - und hält die Tour für "nicht besser und nicht schlechter" als andere.

Von Felix Haselsteiner, Eichenried

Ein Jahr ist es her, da saß Martin Kaymer im Pressezelt der BMW International Open und sprach über seine Rolle im europäischen Golfsport. Beim Ryder Cup im Herbst 2021 würde er als Vizekapitän des europäischen Teams teilnehmen, das war damals die Nachricht, feierlich im Rahmen einer Pressekonferenz beim Heimturnier in Deutschland verkündet. Das europäische Team zählte auf Kaymer in seiner Rolle als mehrfacher Major-Sieger, erfahrener Spieler und auch als Spieler mit gutem Gespür für die Mentalitäten innerhalb des Einzelsports Golf. "Er weiß, wie man in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt", sagte Europas Kapitän Padraig Harrington damals über ihn.

Weder sein Gespür noch seinen kühlen Kopf hat Kaymer in den vergangenen zwölf Monaten verloren. Trotzdem waren die Umstände, unter denen er am Dienstagmittag am selben Ort in München-Eichenried zur Pressekonferenz Platz nahm, andere. Es ging zwar erneut um Kaymers Rolle im europäischen Golfsport, allerdings liegt diese weniger in der traditionellen Welt des Ryder Cups, sondern in der neuen Welt, die sich anschickt, den Golfsport radikal zu verändern.

Von Konzerten und einem kompakten Event berichtete Kaymer daher aus London, wo er vor knapp zwei Wochen am ersten Turnier der neuen, mit Geld aus dem saudi-arabischem Staatsfonds finanzierten LIV Tour teilnahm. Drei Tage lang hatte Kaymer im Centurion Golf Club gespielt, wurde mit einem Ergebnis von drei Schlägen über Par geteilter 15. und nahm dafür Preisgeld in Höhe von 240 000 US-Dollar mit nach Hause. Es habe ihm "Spaß gemacht", so zu spielen, in einem neuen Format ohne Cut nach der Hälfte und mit nur drei Runden statt vier, wie traditionell im Golf üblich.

Überläufer unter sich: Dustin Johnson (links) und Martin Kaymer üben für die neue Tour. (Foto: Alastair Grant/AP)

Kaymers Entscheidung, von nun an hauptamtlich auf der saudi-arabischen Tour zu spielen, hatte für Kontroversen gesorgt, er wurde in einer Reihe mit anderen europäischen Ryder-Cup-Helden wie Ian Poulter, Sergio Garcia und Lee Westwood genannt. Die Entscheidung habe persönliche Hintergründe: "Ich sehe uns einfach nicht zwölf Monate im Jahr in Amerika leben", dies sei aber notwendig, um dort erfolgreich zu sein, sagte Kaymer, vor kurzem erstmals Vater geworden. Es sei daher eine "logische Konsequenz" gewesen, darüber nachzudenken, wo er spielen wolle - realistisch wäre da aber "nur" die europäische DP World Tour gewesen, wobei er dort immerhin zu den Aushängeschildern zählt.

Wie lange noch, ist offen. Für den Donnerstag kündigte die europäische Tour eine Entscheidung über Sanktionen an, die sie gegen die LIV-Spieler verhängen wird - auch ein kompletter Ausschluss ist möglich. "Ich finde es sehr komisch, dass immer gegen einen gesprochen wird. Ich frage mich, warum sich nicht alle Touren an einen Tisch setzen?", sagte Kaymer dazu am Dienstag: "Ich sehe auf der einen Seite ein traditionelles Golfspiel, auf der anderen Seite die neue Art und Weise, wie man Golf spielen kann." Der 37-Jährige bezog sich immer wieder auf das neue Format, das bei den LIV-Turnieren zum Einsatz kommt: nur drei Tage Golf, mehr Events neben dem Platz sowie neben dem Einzelturnier auch eine Teamwertung, bei der die Gewinner zusätzliche Sonderzahlungen erhalten.

Sein Start auf der neuen Tour sei "keine reine Business-Entscheidung", sagt Kaymer - "Geld war nie eine Motivation"

Er habe wegen der moralischen Bedenken "viel mit Freunden und Familie darüber gesprochen", ob es vertretbar ist, an einer Tour teilzunehmen, die aus Saudi-Arabien finanziert wird. "Wenn man hinter den Vorhang guckt, muss man hinter alle gucken", sagte Kaymer. Täte man das, würde man sehen: "So viel anders sind die Touren gar nicht." Auch andere Länder würden Sportswashing betreiben, etwa mit den Olympischen Spielen: "Wenn man da mal wirklich reinschaut, ist die LIV Tour nicht besser und nicht schlechter." Saudi-Arabien sei darüber hinaus ein Land, "das sich die letzten acht Jahre so weit entwickelt hat".

Kaymer beharrte darauf, dass es sich für ihn nicht um eine reine Business-Entscheidung handelte, wie das andere Spieler der LIV-Tour offen zugegeben hatten. Auch für Brooks Koepka, den nach Medienberichten nächsten Spieler, der demnächst auf der Saudi-Tour antreten wird, dürfte das zutreffen. "Ich habe in meinem Leben und meiner Karriere nie auf das Geld geachtet, das war nie eine Motivation", sagte Kaymer. Er glaube an das Format und die Leute, die dabei "in charge" sind: "Die treiben die Sportart nach vorne." Und genau dieselbe Rolle möchte er ebenfalls ausfüllen: "Ich möchte jemand sein, der die Golfsportart auf eine andere Art und Weise mit prägen kann."

Zum 16. Mal nimmt Kaymer am Turnier in München-Eichenried teil - vielleicht auch zum letzten Mal

Kaymer hat das in seiner Karriere bislang vor allem durch seine großen Erfolge getan: Seine zwei Major-Siege aus den Jahren 2010 und 2014, seine Wochen als Nummer Eins, seine Teilnahmen beim Ryder-Cup, das alles hat zu seinem Status als Aushängeschild im europäischen Golf beigetragen. Ab Donnerstag tritt er zum sechzehnten Mal in seiner Karriere beim Turnier in München an, das die Profis und auch Kaymer vor allem für seine charmante, bayerische Atmosphäre schätzen und für den Platz, der ihm immer wieder großen Spaß bereite, wie Kaymer sagte.

Eine Verletzung am Handgelenk sorgte dafür, dass er zuletzt nicht mit hundert Prozent spielen konnte und die US Open am vergangenen Wochenende auslassen musste. Für das Heimturnier ließ er sich nun extra noch einmal mit Spritzen bei Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt behandeln, es war womöglich dem Anlass angemessen: Angesichts des Trubels, in dem sich der Golfsport derzeit befindet, ist nicht auszuschließen, dass es Kaymers finaler Auftritt in München ist.

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