Süddeutsche Zeitung

Martin Hinteregger:Best of Hinti

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Der Frankfurter Verteidiger festigt auch gegen den FC Bayern seinen Status als unkonventioneller Abwehrspieler - und jagt nun sogar einen Tor-Rekord.

Von Christof Kneer

Wäre Martin Hinteregger eine Chartshow, dann müsste man am Ende der Sendung dringend noch mal einen Schnelldurchlauf seiner besten Hits abspielen. Hinteregger, wie er im Augsburger Trikot sagt, er könne über Augsburgs Trainer Baum "nichts Positives sagen"; Hinteregger, wie er mit Eintracht-Frankfurt-Rucksack beim Training in Augsburg erscheint (wobei es sich angeblich um einen Rucksack der österreichischen Nationalelf handelte); Hinteregger, wie er im Frankfurter Trikot nach einem verschossenen Elfmeter im Europa-League-Halbfinale gegen Chelsea auf dem Boden kauert; Hinteregger, wie er in einem Video über ein Dorffest torkelt. Oder natürlich Hinteregger, wie ihn jene Fans der Eintracht feiern, die sich zur "Hinti Army" zusammengeschlossen haben.

Der Kärntner Martin Hinteregger, 27, gehört möglicherweise nicht zu jenen zehn Spielern, mit denen sich der sagenhafte asiatische Markt erobern lässt, aber auf dem internen Markt der Bundesliga hat er es längst zu einer markanten Figur geschafft. Wenn vor 20 Jahren von einem etwas anderen Profi die Rede war, dann ging es meist um Spieler, die als Halb- bis Dreiviertel-Intellektuelle galten, weil ihr Leseinteresse über die aktuellen Ausgaben der Szene-Fachblätter hinausreichte. Hinteregger ist, übersetzt ins Jahr 2020, auch ein etwas anderer Profi, er hat lange mit einem alten Klapphandy herumhantiert, die sozialen Netzwerke kennt er nur aus Erzählungen. Die Eintracht-Fans hat das nicht davon abgehalten, den Hashtag #FreeHinti zu erfinden - eine Aktion, mit der der damalige Frankfurter Leihspieler Hinteregger aus der schrecklichen Gefangenschaft seines damaligen Arbeitgebers Augsburg befreit werden sollte. Hat geklappt: Hinteregger hat sich den Frankfurtern inzwischen bis 2024 verpflichtet - genug Zeit, um noch ein paar Rekorde zu brechen, die mit Dorffesten nichts zu tun haben.

Vielleicht wäre das ja was für den asiatischen Markt: Martin Hinteregger ist der Mann, der die Bayern erschreckt.

Natürlich habe man gewusst, dass Hinteregger "bei Standards eine extreme Waffe" sei, hat Bayerns Trainer Hansi Flick nach dem 5:2 gegen Frankfurt gesagt. Trotzdem haben Hinteregger drei Minuten gereicht, um nach zwei Eckbällen zwei Tore zu erzielen. Dass er auch Slapstick-Eigentore beherrscht, davon war den Bayern zwar nichts bekannt, aber sie haben sein Eigentor zum 5:2 gerne angenommen. "Eines meiner schönsten Eigentore", sagte Hinteregger später, er habe "selbst a bisserl lachen müssen".

Hinteregger sagt das mit der Lässigkeit eines Mannes, der sein Alleinstellungsmerkmal kennt: Er ist nicht nur ein wirklich guter Verteidiger, sondern auch der torgefährlichste Verteidiger der Liga. Acht Tore hat er in dieser Saison bereits erzielt, nur einmal, 1988/89, war ein Verteidiger nach 27 Spieltagen besser (Bochums Martin Kree/10 Tore).

Eine "Mischung aus Fleiß und Intuition" sei das, sagte Frankfurts Trainer Adi Hütter nach dem Spiel in München. Hinteregger habe "immer wieder das Bedürfnis, sich nach dem Training noch ein paar Extra-Bälle reinschlagen zu lassen", daher komme wohl "das hervorragende Timing und Raumgefühl", das Hinteregger beim Kopfball auszeichne.

Die Frankfurter haben den Klassenverbleib noch nicht geschafft, aber sie sind da guter Dinge, auch wegen ihres Kultverteidigers, "dessen Torgefährlichkeit für uns so wichtig ist", wie Hütter sagt. An diesem Dienstag geht es gegen Freiburg. Die gelten als Spezialisten für Eckbälle.

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SZ vom 26.05.2020
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