Jesse Marsch bei RB Leipzig:Der logische Neue

RB Salzburg - Wolfsberger AC

Trainer Jesse Marsch ist der Neue in Leipzig.

(Foto: Krugfoto/dpa)

RB verkündet die Verpflichtung von Trainer Jesse Marsch. Der US-Amerikaner kommt aus Österreichs Liga und erhält einen Zweijahresvertrag - die Rochade führt auch dazu, dass ein früherer Hoffenheimer nun in Salzburg befördert wird.

Von Moritz Kielbassa

Jesse Marsch wird, wie erwartet, neuer Trainer des Bundesliga-Zweiten RB Leipzig. Der 47-jährige US-Amerikaner kommt von RB Salzburg, er tritt am 1. Juli die Nachfolge des künftigen FC-Bayern-Chefcoachs Julian Nagelsmann an. Leipzig bestätigte dies am Donnerstag in einer Klubmitteilung, somit herrscht an der Trainerfront bei RB Klarheit vor dem bedeutungsschweren DFB-Pokal-Halbfinale bei Werder Bremen (Freitag, 20.30 Uhr). "Wir konnten unseren Wunschkandidaten verpflichten und die wichtigste Position im sportlichen Bereich schnell mit einem Top-Trainer nachbesetzen", ließ sich Leipzig-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff zitieren. Marsch spielte kurz darauf aus Salzburg den Höflichkeits-Rückpass: "Ich freue mich sehr über die Chance, mit einer so guten Mannschaft zu arbeiten."

Marsch erhält in Leipzig einen Zweijahresvertrag. Da sein Kontrakt bei RB Salzburg (bis Sommer 2022) keine Ausstiegsklausel enthält, muss Leipzig innerfamiliär eine Ablöse zahlen, sie dürfte aber nicht ansatzweise so hoch sein wie jenes Rekord-Schmerzensgeld, das Leipzig aus München für Nagelsmann erhält (bis zu 25 Millionen Euro). Leipzig hatte sich darüber hinaus mit den Kandidaten Oliver Glasner (VfL Wolfsburg) und Pellegrino Matarazzo (VfB Stuttgart) beschäftigt, legte sich aber zügig auf Marsch fest. Erst am Dienstag war der Abschied von Nagelsmann besiegelt worden.

Marsch, der sich am Mittwochabend nach dem Salzburger 1:1 in der Liga gegen den Wolfsberger AC noch bedeckt hielt ("lassen wir das Thema weg für diesen Moment"), arbeitet seit 2015 ununterbrochen im Netzwerk von RB. Der frühere Profi-Fußballer (359 Einsätze in der Profiliga MLS, zwei Länderspiele für die USA) machte sich zunächst als Cheftrainer in New York einen Namen. Von 2018 bis 2019 war er als Assistenzcoach von Ralf Rangnick schon einmal für ein Jahr in Leipzig, seither spricht er fließend Deutsch. 2019 folgte der Wechsel auf den Cheftrainer-Posten in Salzburg.

Mit Österreichs Serienmeister gewann er 2020 standesgemäß das nationale Double - trotz herber Personalverluste während der Saison, als unter anderem Torjäger Erling Haaland nach Dortmund wechselte. Aktuell ist Salzburg wieder klarer Tabellenerster, am Samstag steht das ÖFB-Pokalfinale an (gegen Linz). Zudem war Marsch der erste Trainer der Klubgeschichte, der mit Salzburg zweimal in der Gruppenphase der Champions League antrat - durchaus mit Achtungserfolgen, obwohl das Achtelfinale zweimal knapp verfehlt wurde.

In Leipzig wird Marsch mindestens zwei frühere Salzburg-Spieler wiedersehen, die den beliebten Transitweg nach Sachsen bereits vorausgegangen sind: den koreanischen Stürmer Hee-Chan Hwang und den Ungarn Dominik Szoboszlai. Als Mitnahme-Kandidat für den Sommer böte sich der Salzburger Torjäger Patson Daka aus Sambia an, zu dieser Personalie gibt es aber noch keine belastbaren Informationen. Auch der künftige Trainer wollte am Donnerstag nicht über mögliche Co-Zugänge aus Salzburg reden: "Es ist zu früh für dieses Thema."

Anders als Nagelsmann gilt Marsch eher als Vertreter der klassischen RB-Schule

JeseMarsch war nach sechs Jahren im RB-Kosmos eine sehr naheliegende Lösung für Leipzig: "Jesse hat bei all seinen Stationen hervorragende Arbeit geleistet und sich Schritt für Schritt weiterentwickelt", betonte Mintzlaff. Er war 2015 bereits an Marschs Verpflichtung in New York maßgeblich beteiligt, seitdem hat er zum Coach aus Wisconsin ein enges Verhältnis. Mintzlaff hob in der Klubdepesche auch die Leipziger Vorkenntnisse von Marsch hervor: "Jesse kennt den Klub, die Stadt - und vor allem unsere Vereins- und Spielphilosophie."

Dennoch könnte die fußballstrategische Herangehensweise ein interessanter Punkt werden. Nagelsmann hat den typischen RB-Fußball mit den Schwerpunkten Pressing, Geschwindigkeit und Umschaltspiel seit 2019 markant modifiziert, mit deutlich mehr Gewicht auf Ballbesitz und Spielkontrolle. Jesse Marsch gilt eher als Vertreter der klassischen RB-Schule, wenngleich auch er mit den in der Heimat meist hochüberlegenen Salzburgern stets nach Lösungen gegen tief verteidigende Gegner suchen musste.

Im Umgang mit den Spielern und im öffentlichen Auftritt gilt Marsch als Menschenfänger. Fast chronisch strahlt er, typisch US-amerikanisch, Optimismus und großformatiges Selbstvertrauen aus. Er ruft gerne maximale Ziele aus, seine Spieler werden in der Regel außerordentlich gelobt ("Super-Typ", "so, so gut...").

Und worauf sie sich in Leipzig ebenfalls einstellen können: Marsch spricht Tag und Nacht über "Mentalität", eine positive Grundhaltung ist für ihn im Fußball der Faktor Nummer eins. "Jesse hat eine positiv-ehrgeizige Art, durch die er Menschen extrem begeistern und mitnehmen kann", sagt Mintzlaff. Marsch selbst schwärmte am Mittwochabend von seinem bisherigen Arbeitgeber: "Ich war ein kleiner Trainer aus Amerika, als ich gekommen bin. Ich bin so, so dankbar für die Chance, die ich hier bekommen habe. Ich habe Salzburg vom ersten Tag an genossen."

Salzburgs Sportdirektor Christoph Freund bezeichnete Jaissle als "Wunschlösung"

Chefcoach in einer großen Liga war Marsch noch nie, dennoch hatten ihn zuletzt auch Mitbewerber wie Frankfurt und Tottenham auf der Liste. Die Leipziger hatten ihrerseits auch über den Wolfsburger Erfolgstrainer Oliver Glasner nachgedacht. Dessen Zukunft bleibt ungewiss, zumal sich am Donnerstag alle Gerüchte als gegenstandslos erwiesen, dass Glasner als Marsch-Nachfolger zu RB Salzburg wechseln könnte. Die Österreicher waren nämlich alles andere als unvorbereitet auf den Marsch-Abschied, sie beförderten überraschend Matthias Jaissle, 33, zum neuen Cheftrainer.

Der in Nürtingen geborene Schwabe ist der x-te neue junge Vertreter der von Rangnick geprägten RB-Trainerschule. Jaissle war einst Spieler von Rangnick in Hoffenheim, nach früh beendeter Karriere (Knieverletzung) fing er in der Leipziger U17 als Co-Trainer von Sebastian Hoeneß an. Danach wurde er Assistent von Alexander Zorniger in Dänemark (Bröndby IF), ehe er in Salzburg landete, wo er erst im Januar den nach Mainz gewechselten Bo Svensson als Trainer des Zweitliga-Farmteams FC Liefering ersetzt hat. Ab Juli tritt Jaissle nun bei Salzburgs Profis in die großen Stiefelspuren seiner Vorgänger Marsch, Marco Rose, Adi Hütter und Roger Schmidt.

Salzburgs Sportdirektor Christoph Freund bezeichnete Jaissle als "Wunschlösung", obwohl im Umfeld Oliver Glasner und Marschs Co-Trainer Rene Aufhauser als Favoriten galten. Sollte es Glasner, wie kolportiert wird, tatsächlich aus privaten Beweggründen zurück in die Heimat Österreich ziehen, bliebe als plausible Option jetzt eigentlich nur noch der Posten des Nationaltrainers. Das wilde Trainer-Domino im Fußballfrühling 2021 bleibt spannend.

Zur SZ-Startseite
Bundesliga: Trainer Julian Nagelsmann

Wechsel von Julian Nagelsmann
:"Bayern ist eine einmalige Gelegenheit"

Nach Bekanntwerden seines Engagements bei den Bayern gibt sich Julian Nagelsmann selbstbewusst. Die Ablöse für den Leipziger Trainer soll bis zu 25 Millionen Euro betragen - seine Vertragslaufzeit zeigt: Er hat viel vor.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: