Mark Selby bei der Snooker-WM:"Ich habe keinen Kontakt gesehen, Mark"

Mark Selby bei der Snooker-WM: Mark Selby ist erneut Snooker-Weltmeister.

Mark Selby ist erneut Snooker-Weltmeister.

(Foto: AFP)
  • Mark Selby krönt sich in Sheffield zum dritten Mal zum Snooker-Weltmeister.
  • Im Finale bezwingt er nach hartem Kampf John Higgins mit 18:15.
  • Im 31. Frame hat er eine umstrittene Schiedsrichter-Entscheidung zu überstehen.

Von Carsten Scheele

Plötzlich herrschte Aufregung im Crucible Theatre. Der 31. Frame des Finales der Weltmeisterschaft lief, als Mark Selby beim Stand von 16:14 den weißen Spielball dicht hinter Schwarz verstecken wollte, um seinen Gegner in eine schwierige Situation zu zwingen, kurz also: um einen Snooker zu legen. Die Sportart trägt ihren Namen wegen vertrackter Situationen wie dieser, doch Selby touchierte Weiß nur marginal, die Kugel kam minimal zu früh zum Liegen, und Schiedsrichter Jan Verhaas durchschnitt die Stille mit dem Wörtchen: "Foul."

Selby reagierte verdutzt, er war sehr wohl der Ansicht, dass er mit dem Spielball Schwarz berührt hatte, wie es die Regeln vorschreiben. Verhaas sah das anders. "Ich habe keinen Kontakt gesehen, Mark", sagte Verhaas. Auch der Videobeweis konnte keinen echten Aufschluss geben. Es tue ihm "wirklich leid", aber er müsse bei seiner Entscheidung bleiben, erklärte Verhaas. Der Niederländer gilt als bester Snooker-Referee der Welt, Fehler in großen Partien leistet er sich im Grunde nie. Also protestierte Selby nicht, obwohl er es anders sah.

Millimeterentscheidungen wie diese können Finalspiele zum Kippen bringen. Diesmal nicht, und das lag an Selby, denn dieses Endspiel gegen John Higgins hatte seine große Wendung zuvor schon erlebt. Der Titelverteidiger und Weltranglistenerste war in den ersten Sessions des WM-Finals gewaltig in Rückstand geraten. Erst 2:5, dann gar 4:10 hatte Selby hinten gelegen, was selbst im Best of 35-Modus enorm ist.

Higgins enteilte Frame und Frame

Doch Selby schüttelte sich, drehte auf wundersame Weise die Partie, siegte noch 18:15. Er gehört nun zum kleinen Kreis jener fünf Profis, die in der Snooker-Neuzeit im Crucible Theatre dreimal oder häufiger Weltmeister wurden. Mit dem Unterschied, dass sich der 33 Jahre alte Selby im besten Snooker-Alter befindet, bereit für weitere Titel, während alle anderen ihre Karriere längst beendet haben (Stephen Hendry mit sieben Titeln, Steve Davis mit sechs) oder schon jenseits der 40 sind (Ronnie O'Sullivan hat fünf Titel, Higgins vier). Auch ist Selby nun einer von erst vier Spielern, die ihren Titel im Crucible Theatre verteidigen konnten. "Das ist etwas, wovon ich nur hätte träumen können", sagte Selby am Ende eines denkwürdigen Abends.

Am Tag zuvor hatte Selby seltsam ermattet gewirkt. Beging leichte Fehler, während ihm Higgins Frame um Frame entriss. Selby sah kurzzeitig "keinen Weg zurück in dieses Spiel", und hätte er am Ende des ersten Finaltags nicht mit drei Frames in Serie auf 7:10 verkürzen können, wäre das Endspiel frühzeitig an Higgins gegangen. Doch plötzlich flutschten die Bälle beim komplettesten aller Snookerspieler wieder. Zwischenzeitlich ließ er Higgins fast eine Stunde lang keinen einzigen Ball lochen, was in WM-Finalspielen selten vorkommt, erwirtschaftete in dieser Zeit 256 Punkte über vier Frames hinweg, die er allesamt gewann. Er führte nun 13:11, in seinem Kopf musste etwas passiert sein.

"Mark ist Granit, einfach nur Granit"

"Ich bin frisch zurückgekommen", berichtete Selby. Auch die ominös verpasste Schwarze, die als Foul gewertet wurde, konnte ihn nicht mehr aus dem Konzept bringen. Zwölf der 14 Frames des zweiten Tages gewann Selby, eine gewaltige Demonstration. Nur Dennis Taylor konnte 1985 im als "Jahrhundertfinale" bekannten WM-Endspiel einen ähnlichen Rückstand (1:9) in einen Sieg verwandeln.

Als Selby kurz vor Mitternacht den entscheidenden roten Ball lochte, konnte Gegner Higgins seine Müdigkeit nicht verbergen. Seine Augen waren gerötet, die Lider hingen schlaff herab. Er hatte diese Partie sportlich am Tisch, aber auch in einer Schlacht der Nerven verloren. "Mark ist Granit, einfach nur Granit", klagte er: "Ich denke, Mark wird diesem Titel noch weitere folgen lassen, ob es einer, zwei, drei oder vier sind." Higgins hatte einen der größten Vorsprünge überhaupt in einem WM-Finale verspielt und trotzdem etwas für seinen Ruf getan.

Der hatte in früheren Jahren schwer gelitten, als sich Higgins als Weltranglistenerster 2010 in einen Wettskandal verstricken ließ und für sechs Monate für alle Turniere gesperrt wurde. Diesmal bot er Selby nach dem umstrittenen Foul auf Schwarz eine Wiederholung des Balles an, eine nette Geste, die Selby und Verhaas allerdings ablehnten. "Er ist ein großartiger Typ, auch abseits des Tisches", adelte ihn Selby dafür.

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