Marius Wolf beim TSV 1860 München:Gerangel um ein Talent

Fussball 2. Liga : 1 FC Nürnberg - TSV 1860 München

Gute Figur in allen Lagen: Löwentalent Marius Wolf, 20, hat mit einigen ordentlichen Auftritten andere Klubs auf sich aufmerksam gemacht.

(Foto: Christina Pahnke/sampics)
  • Beim TSV 1860 spitzt sich der Konflikt um Marius Wolf zu.
  • Der 20-jährige Nachwuchsspieler pokert um seine Ausstiegsklausel - und Trainer Torsten Fröhling entfernt ihn daraufhin aus dem Kader.
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Von Philipp Schneider

Manchmal wirkt es ja so, als passe ein ganzes Fußballerleben in einen Rollkoffer. In den Momenten, wenn Spieler ihre Spinde leeren, ihr ganzes Hab und Gut hineinstopfen in einen Koffer, den sie dann anschließend meist sehr traurig hinter sich herziehen und den Journalisten ein meist noch traurigeres Abschiedsinterview geben. Immer dann, wenn es sie zu einem neuen Verein zieht, manchmal zu höheren Aufgaben.

Am Sonntagvormittag hat der Zweitligaprofi Marius Wolf die Geschäftsstelle des TSV 1860 München verlassen, mit sehr ernster Miene zog er einen Rollkoffer hinter sich her, dann lief er hinüber zu seinem Auto, das er mit flinker Bewegung bestieg. "Garantiert kein Kommentar", warf er dem staunenden Beobachter noch entgegen, dann brauste er davon. Alles klar, dachte der Beobachter also: Fort ist er, der Löwe Wolf. Zumal er sich ja bei Sechzig schon seit Tagen nicht auf die Verlängerung seines nur noch ein Jahr gültigen Vertrags einlassen wollte. Weil dem Vernehmen nach sogar der Erstligist Werder Bremen an ihm interessiert ist. "Er hat Vertrag, er bleibt", stellte Trainer Torsten Fröhling kurz darauf klar: "Sein Kopf ist nicht frei. Man muss den Jungen schützen. Spurlos geht das nicht an ihm vorbei. Wenn ich mich 18 Stunden damit beschäftige, dann beschäftigt er sich 24 Stunden damit." Fröhling hatte Wolf Minuten zuvor darüber informiert, dass er am Montag nicht Teil des Aufgebots bei Tabellenführer VfL Bochum sein würde. Wolf hatte gepackt für zwei Tage in Bochum. Nur rollte er den Koffer nun zum Auto, nicht zum Mannschaftsbus.

Transfererlöse fließen bei 1860 zunächst zu Hasan Ismaik

An diesem Montag endet die Transferperiode, einen Tag vorher verkündete Sechzigs Bis-auf-Weiteres-Sportdirektor Necat Aygün: "Die Transferaktivitäten sind beendet" - abgesehen von Ilie Sanchez, der noch nach Spanien verliehen werden soll. Kein neuer Spieler wird also mehr kommen. Und Wolf wird bleiben. Bei seinem Angebot sei er "an die Schmerzgrenze gegangen", sagte Aygün: "Ihm liegt ein langfristiger Vertrag vor. Es hakt nur an einem Detail." Bei diesem Detail handelt es sich dem Vernehmen nach um die Dotierung einer Ausstiegsklausel, über die Wolf und sein Berater noch streiten mit Aygün und Sport-Geschäftsführer Noor Basha.

1860 hat bekanntlich immer mal wieder vielversprechende Talente für viel zu wenig Geld verscherbelt, zuletzt wechselte Julian Weigl für die festgeschriebene Ablöse von 2,5 Millionen Euro zu Borussia Dortmund. Eine gut dotierte Ausstiegsklausel soll sicherstellen, dass Sechzig Wolf nicht eines Tages unter Wert verkaufen muss. Wolf wiederum verweigert seine Unterschrift, wohl wissend um das Druckmittel, dass er zum Ende der Saison zum Leidwesen von 1860 ablösefrei wechseln dürfte.

Wobei: Nicht nur zum Leidwesen von 1860. Sondern zum Nachteil von Gesellschafter und Finanzier Hasan Ismaik, zu dem die Transfererlöse zunächst fließen.

"Fauler Drecksack, aber fantastischer Fußballer"

Das einzige Druckmittel, das der Verein hat, ist Wolfs Suspendierung. Denn ein Spieler, der nicht spielt, verliert an Wert. Fröhling argumentiert allerdings mit Wolfs stagnierender Leistung. "Das merkt man im Training, und das hat man auch ansatzweise gemerkt beim Spiel gegen Union Berlin. Ein so junger Mann kann ein solches Problem nicht so schnell wuppen." Und so ein ungewupptes Problem wiederum, befürchtet Fröhling, könnte sich ausweiten auf die Mannschaft: "Das Thema ist nicht nur bei ihm, es ist auch in der Kabine. Es ist überall." An den Tagen in Bochum wolle er Ruhe. Wolf solle "erstmal wieder zur alten Form finden".

Die Geschichte des 20-jährigen Offensivtalents, das 1860 vor drei Jahren dem 1. FC Nürnberg abluchste, lässt sich nur unzureichend erzählen ohne Sechzigs ehemaligen Trainerbrausekopf Ricardo Moniz.

Vor ziemlich genau einem Jahr charakterisierte der Niederländer Wolf mal so: "Marius ist ein fauler Drecksack, aber ein fantastischer Fußballer." Damals ging es noch um die Frage, ob Sechzig einen Nachfolger für die verabschiedeten Stürmer Lauth und Osako verpflichten würde. Oder eben nicht, was Moniz nicht in sein Konzept passte: "Dann spielt halt der junge Wolf", sagte er trotzig: "Aber mit Wittek, Weigl und Wolf - dann brauchen wir noch ein Jahr Zeit." Mit dem Jahr Zeit lag er richtig. Mit dem Ansatz, Wittek, Weigl und Wolf als unreife Fußballer zu bezeichnen: leicht daneben. Der Moment, als Moniz diese Sätze sprach, wäre jedenfalls ein guter gewesen, um mit Wolf zu verlängern. Es wäre ein Zeitpunkt gewesen, an dem sich Wolfs Stärken noch nicht herumgesprochen hatten - erst ab Oktober erlebte er dauerhaft Zweitligaspiele. "Ich weiß nur, dass ich im Sommertrainingslager Herrn Poschner darauf hingewiesen habe, dass wir in die Angelegenheit frühzeitig Ruhe reinbekommen sollten", sagte Fröhling - in Anspielung auf das Wirken des ehemaligen Geschäftsführers Sport bei 1860.

Angesichts des Ärgers um Wolf blieb vor dem wichtigen Spiel in Bochum kaum Zeit für geteilte Vorfreude auf Michael Liendl. Der neue Spielmacher wurde jüngst aus Düsseldorf abgeworben, um Sechzigs Offensive mit dringend benötigten klugen Zuspielen zu beleben.

Klar sei er "froh", sagte Fröhling noch. Aber damit meinte er, "dass am Montag endlich das Transferfenster schließt".

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