Doping-Fall beim HSV:Der Beste fehlt im Disneyland

Doping-Fall beim HSV: Vom Hoffnungsträger zum Dopingsünder? Verteidiger Mario Vuskovic war bis vor kurzem noch eine der Säulen im Team des HSV-Trainers Tim Walter (links).

Vom Hoffnungsträger zum Dopingsünder? Verteidiger Mario Vuskovic war bis vor kurzem noch eine der Säulen im Team des HSV-Trainers Tim Walter (links).

(Foto: Jan Huebner/Imago)

Mario Vuskovic gilt als wertvollster Spieler des HSV - doch vorerst wird er nicht spielen und fehlt beim USA-Trip. Laut eines Tests hat der 21-Jährige sich mit Epo gedopt, das durchaus auch Fußballern nützlich sein kann.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Mario Vuskovic hat einen gewaltigen Schuss. Es lässt sich sogar behaupten: Vuskovic kann mit seinem rechten Fuß einen knallharten Wumms abfeuern.

Der Kroate, seit 2021 in Diensten des Hamburger SV, hat per Fernschuss bereits das ein oder andere Fabeltor erzielt - und weil er trotz seines Alters von gerade mal 21 Jahren überdies schon ein so robuster wie routinierter Verteidiger ist, klangen Karriereprognosen nicht gerade zurückhaltend: Ein Fußballer mit Top-Team-Potenzial, sagten Branchenkenner. Eine super Wertanlage, glaubten sie beim HSV. Und auch so mancher Manager aus der englischen Premier League fand, dass Vuskovic längst überqualifiziert ist für deutschen Zweitliga-Fußball: Kaufangebote in zweistelliger Millionenhöhe sind im vergangenen Sommer gut dokumentiert.

Am Samstag, kurz nach dem 4:2-Heimsieg des HSV gegen den SV Sandhausen, wurde nun ein Verdacht publik, der alle bislang aufgestellten Prognosen obsolet machen könnte: Vuskovic wurde positiv auf das Dopingmittel Erythropoietin (Epo) getestet. Die Entnahme der Urinprobe erfolgte am 16. September, der Spieler hat die Öffnung einer B-Probe veranlasst. Die statistische Wahrscheinlichkeit einer im zweiten Anlauf festgestellten Unschuld ist jedoch verschwindend gering: Untersucht wird das am selben Tag abgegebene Urin. Eine B-Probe soll vor allem Verfahrensfehler ausschließen.

Epo fördert die Regeneration - und kann auch im Fußball einen enormen Effekt auf die Leistung haben

Es deutet also vieles darauf hin, dass der deutsche Profifußball vom ersten Dopingfall seit vielen Jahren erfasst wurde. Erst seit 1988 werden hierzulande regelmäßige Dopingkontrollen im Rahmen von Bundesligaspielen durchgeführt, seit 1995 wird auch während der Trainingswochen kontrolliert - in diesem Jahr wurde dann in Roland Wohlfarth, damals Stürmer des VfL Bochum, zum ersten Mal ein in Deutschland angestellter Profi des Dopings überführt. Im Vergleich mit anderen Sportarten traten nachgewiesene Dopingfälle im deutschen Fußball seitdem zwar nur vereinzelt auf. Führende Dopingexperten nehmen aber an, dass in der milliardenschweren Unterhaltungsindustrie mitunter besonders ausgeklügelte Verschleierungsmethoden angewendet werden - zumal die in die Branche gerne formulierte Behauptung, Doping habe einen kaum messbaren Nutzen für Fußballer, kaum haltbar ist. Bei der Nationalen Anti-Doping Agentur Deutschland (Nada) etwa ist Fußball in der Risikogruppe B gelistet, der zweithöchsten Wahrscheinlichkeitsstufe unter den Sportarten. Doping kann auf das Leistungsvermögen von Profikickern einen enormen Effekt haben.

Das in Vuskovics A-Probe nachgewiesene Erythropoetin war und ist seit den Neunzigerjahren vor allem unter Ausdauersportlern beliebt. Das Hormon regt die Produktion roter Blutkörperchen an und soll die Sauerstoffversorgung der Muskeln deutlich verbessern, wodurch Schusstechnik oder Stellungsspiel eines Fußballers zwar unberührt bleiben. Die regenerative Wirkung von Epo kann jedoch in Spielsituationen zum Vorteil werden, in denen Körper und Geist unter Ermüdungserscheinungen leiden: Etwa beim Einholen eines entlaufenen Stürmers in der Schlussphase, oder beim wichtigen Diagonalpass vor dem letzten Konter. Fußballspiele werden erst nach 90 oder mehr Minuten entschieden. Epo kann entscheidend dazu beitragen, sie am Ende zu gewinnen.

Vuskovic hat dem HSV und dem kroatischen Fußballverband, den er seit dem 15. Lebensjahr in nahezu allen Jugendnationalteams repräsentierte, mitgeteilt, dass er sich die positive Probe nicht erklären könne. Jedoch: Epo wird nicht als Pille genommen, sondern muss intravenös oder per Spritze verabreicht werden. Eine versehentliche Einnahme ist deshalb nahezu auszuschließen. Außerdem zeigen Beispiele aus der Vergangenheit, dass es in der Regel ein Netzwerk an Unterstützern sowie eine funktionierende Infrastruktur braucht, um Epo-Doping zu betreiben. Wie etwa im Radsport, in dem Epo über Jahre das Dopingmittel Nummer eins war. Und noch heute ist? Die Verabreichungstechniken entwickeln sich stetig weiter - und die Beweisführung wird dadurch immer komplizierter.

Der HSV muss aktuell keinen Punktabzug fürchten

Wie die Hamburger Morgenpost berichtete, möchte Vuskovic nun durch einen medizinischen Befund seine Unschuld beweisen. Die Erfolgsaussichten gelten aber als äußerst gering, da genetische Veranlagungen, die zu einer Überproduktion roter Blutkörperchen führen, in den Laboren für gewöhnlich erkannt werden. Vuskovic wurde vom DFB vorläufig aus dem Verkehr gezogen, im Falle eines sportgerichtlichen Schuldspruchs könnte er bis zu vier Jahre gesperrt werden. Sogar juristische Konsequenzen drohen: Laut des seit Ende 2015 gültigen Anti-Doping-Gesetzes können Dopingsünder zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verurteilt werden. Bereits in der vergangenen Woche wurde Vuskovics Wohnung durchsucht, Handy und Laptop wurden beschlagnahmt. Verbotene Substanzen wurden nicht gefunden. Aus HSV-Sicht erscheint wenigstens das zunächst befürchtete Worst-Case-Szenario unwahrscheinlich: Dem Verein müsste für einen Punktabzug entweder eine Mitschuld oder mindestens einem zweiten Spieler Doping nachgewiesen werden.

Das HSV-Team befindet sich derweil auf US-Tour, außer Testspielen steht dort unter anderem ein Besuch in Disneyland an. Nicht dabei ist der einstige Hoffnungsträger und wertvollste Spieler im Kader, der eine zentrale Figur in der anvisierten Aufstiegssaison des Traditionsklubs sein sollte. Vuskovic blieb in Hamburg. Und es braucht eine Menge Fantasie, um sich ein baldiges Comeback des Kroaten vorzustellen.

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