Mario Gomez schießt DFB-Team zum Sieg:Stürmer mit großen Nehmerqualitäten

Nach "drei verdammt harten Tagen" voller Kritik schießt Mario Gomez die deutsche Fußballnationalmannschaft zum Vorrundensieg gegen die Niederlande. Den Zwist darum, wie er seinen Job ausübt, entscheidet der Stürmer damit für sich. Für alle anderen ist es ein schwerer Tag, nicht nur für die unterlegenen Holländer, die kurz vor dem EM-Aus stehen. Auch für den TV-Experten Mehmet Scholl.

Thomas Hummel

Wenn die Holländer glaubten, sie wären die einzigen Verlierer gewesen an diesem Abend von Charkow, dann haben sie sich getäuscht. Sie unterlagen zwar auch im zweiten von bislang zwei Spielen bei dieser Europameisterschaft, doch sie sind immer noch nicht ausgeschieden, können mit einem Sieg am Sonntag gegen Portugal weiterkommen. Können immer noch Europameister werden. Sie sind noch nicht raus, doch es wird verdammt schwer. Das Gleiche gilt für Mehmet Scholl: Er ist noch nicht raus, doch es wird verdammt schwer.

Der frühere Nationalspieler und heutige U-23-Trainer des FC Bayern und Fernsehexperte der ARD war vermutlich nicht in der Hitze in Charkow, sondern beobachtete das Spiel Deutschland gegen Niederlande im Fernsehen. Und da sah er, dass ausgerechnet wieder dieser Mario Gomez der umjubelte Held war. Der sich nicht wund gelegen, sondern eher wund geschossen hatte. Der trotzdem nicht gewendet werden musste. Dafür aber nach dem Spiel erklärte, dass er nicht nur zwei Tore, sondern zwei Tore "mit einem Haufen Kilos auf dem Rücken" erzielt hatte.

Gomez sagte es nicht dazu, aber jeder verstand, dass ihm diese Kilos Mehmet Scholl auf den Rücken gepackt hatte. Dessen Kritik nach dem Portugal-Spiel fiel sprachlich gewitzt und ziemlich hart aus. Diese Kombination ist besonders fies. Es entsponn sich eine aufgeregte Debatte um den Stürmer Gomez: Ob man denn heutzutage noch so spielen dürfe? Ob das denn gehe, dass da einer bisweilen Probleme bei der Ballannahme hat, dafür aber Tor um Tor erzielt? Muss ein Stürmer nicht gewandt sein wie Robert Lewandowski oder Edin Dzeko, die beide auf der Bayern-Einkaufsliste stehen?

Und dann schießt der Bayern-Stürmer Mario Gomez im zweiten EM-Spiel seine Tore zwei und drei, führt Deutschland zum 2:1-Erfolg gegen den Rivalen Niederlande. Beim 1:0 offenbart der 26-Jährige die Fähigkeit zur Ballmitnahme in der Drehung bei vollem Lauf, demonstriert sowohl Körperbeherrschung wie feine Technik (24.). Vor allem Letzteres sprechen ihm die Kritiker ab. Das 2:0 gehörte zum bewährten Gomez-Stil, den ihm nicht einmal die Kritiker absprechen würden: Pass in "die freie Straße" (frei nach Scholl) und dann bumm, ab in die lange Ecke (38.).

Mario Gomez ist Kritik durchaus gewohnt, seit er beim FC Bayern München spielt, begleitet ihn die Kontroverse um seinen Stil. Doch in Charkow erzählte er, dass ihn diese Debatte doch sehr belastet hatte. "Die Diskussionen - das war Druck ohne Ende. Es ist schade, wenn du das Tor gegen Portugal schießt und denkst, du bist angekommen in der EM. Und dann kriegst du drei Tage etwas auf die Fresse", sagte er im Fernsehen.

Er bekam dann in den Katakomben des Metalist-Stadions die Glastrophäe eines Sponsoren als "Mann des Spiels" überreicht. Der frühere Gladbacher Stürmer Allan Simonsen hielt eine kleine Laudatio: "Er ist der typische Goalgetter, er ist immer da, wo man ihn braucht. Dazu ist er sicher in seiner Abschließung", sagte der Däne auf Deutsch. Er meinte: im Torabschluss. "Er hat alles, was ein Fußballer braucht."

So kann man das auch sehen. Gomez sollte sich dann äußern, ob er denn glücklich sei, diese Trophäe des netten Sponsoren erhalten zu haben. "Ich bin sehr glücklich, aber nicht wegen der Trophäe", sagte er - und bemerkte, dass er einen Fehler gemacht hatte im Beisein der Sponsorenvertreter. "Natürlich auch wegen der Trophäe", schob er nach und lächelte die Männer um ihn herum etwas schüchtern an.

"Verdammt harte drei Tage"

Dann berichtete er von "verdammt harten drei Tagen", in den ersten Aktionen im Spiel sei ihm das alles immer wieder in den Kopf geschossen. Er habe versucht, das abzuschütteln, aber das sei nicht einfach gewesen. Und dann bedankte er sich beim Trainer, "der trotz alledem zu mir gestanden hat".

Mario Gomez schießt DFB-Team zum Sieg: "Mit einem Haufen Kilos auf dem Rücken": DFB-Stürmer Mario Gomez.

"Mit einem Haufen Kilos auf dem Rücken": DFB-Stürmer Mario Gomez.

(Foto: imago sportfotodienst)

Dabei wäre alles andere eine Riesenüberraschung gewesen. Joachim Löw lässt sich von niemandem in seine Aufstellung reden, nicht einmal von ehemaligen Nationalspielern oder U-23-Trainern des FC Bayern. "Was von außen gesprochen wird, ist mir egal. Ich habe meine eigene Beurteilung", betonte er nochmals in Charkow. Falls er damit geliebäugelt hätte, Gomez durch Miroslav Klose zu ersetzen, bestärkte ihn die Kritik von außen eher darin, das erst recht nicht zu tun. Joachim Löw kann da stur sein.

Stattdessen lobte der Bundestrainer die Nehmerqualitäten des Mario Gomez. Dieser sei bereits mehrfach am Boden gelegen, auch in der Nationalmannschaft. Löw spielte darauf an, dass Misserfolge bei dem Stürmer bisweilen zum Verlust des Selbstvertrauens führen. "Doch er hat sich immer wieder rangekämpft, ihn muss man als Trainer nicht lange aufbauen, er findet seinen Weg." Und dann bekräftigte Löw, dass Gomez "sehr sehr wichtig sei für seine Mannschaft".

Ob der nun endgültig angekommen ist in der Nationalmannschaft? Bei der EM? Bis ein paar Stunden vor dem ersten Spiel hatte ihn niemand als Startstürmer in der DFB-Elf erwartet, trotz längerer Verletzung glaubten alle Beobachter, dass Löw an Miroslav Klose festhalten würde. Auch deshalb, weil Löw die Probleme im Kombinationsspiel bei Gomez kennt und ihm eigentlich der Stürmertyp Klose näher steht. Womit man wieder bei der Kritik des Mehmet Scholl angekommen ist.

Mario Gomez weiß, dass er gegen diese Kritiker und im Kampf um die Gunst des Bundestrainers nur ein Mittel besitzt: Tore. Bislang hat das bei der EM wunderbar geklappt, die DFB-Elf hat bislang überhaupt nur einen Torschützen. Und wer führt die EM-Torschützenliste an? Dabei jubelte er in Charkow nicht mal ausgiebig, doch auch dafür lieferte er eine Erklärung, die ihn als wohlerzogenen jungen Mann ausweisen: "Es war blöd, dass die Tore vor der holländischen Kurve fielen, da wollte ich nicht provozieren. Ich bin losgelaufen in die Kurve und hab gesehen, da ist alles orange, da hab ich mich umgedreht."

Das letzte Vorrundenspiel Deutschland gegen Dänemark wird übrigens wieder in der ARD übertragen, mit dem Experten Mehmet Scholl. Es wird nicht leicht werden für ihn.

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