Rücktritt aus der Nationalmannschaft:Mario Gomez wird in der Kabine fehlen

Mario Gomez beim WM-Vorrundenspiel 2018 gegen Südkorea

Mario Gomez bei der WM in Russland.

(Foto: REUTERS)

Bei der WM war Gomez als überparteilicher, charakterlich sauberer und altersweiser Spieler anerkannt, der versucht hat, die komplexen Prozesse in der Kabine zu managen. Ihn zu ersetzen, wird schwer.

Kommentar von Christof Kneer

Aus aktuellem Anlass werden nun wieder Abhandlungen über den Mittelstürmer verfasst werden. Es wird um Gerd Müller und Uwe Seeler gehen, um Horst Hrubesch und Jürgen Klinsmann, um Rudi Völler und Miro Klose. In den Abhandlungen wird sicher auch wieder zwischen einer echten, einer falschen und einer grünen Neun unterschieden werden, und am Ende werden all die Denkschriften auf die Frage zulaufen, ob der arme Timo Werner das kann: ganz alleine die deutsche Mittelstürmer-Tradition in die Zukunft tragen. Und ob der überhaupt ein Mittelstürmer ist, dieser Kerl, der recht schnell rennen kann, aber über keine sog. Brechstange verfügt.

Natürlich sind solche Beiträge erlaubt, nachdem der Mittelstürmer Mario Gomez aus der Nationalelf zurückgetreten ist. Gomez hat das Thema ja selbst angestoßen, indem er in seinem Abschiedsaufsätzle auf "die hochtalentierten Jungs" hingewiesen hat, denen er den Weg freimachen möchte. Wenn es aber um die Frage geht, ob und wie Gomez zu ersetzen ist, dann muss über mehr diskutiert werden als über Brechstangen - gerade nach der WM, bei der ein Brechstangentor vielleicht (vielleicht!) noch zum Sieg über Südkorea gereicht hätte. Aber die Brechstangenlosigkeit im Sturm war nur eines von vielen Problemen der deutschen Elf. Das Hauptproblem war die Kabine.

Die Wahrheit lautet: Es war die deutsche Kabine, die in der Vorrunde ausgeschieden ist. Niemand in dieser Kabine ist in der Lage gewesen, jene internen Prozesse zu steuern, die es gebraucht hätte, um aus einer mit Formschwächen, Eitelkeiten und Özil/Gündogan-Debatten beschäftigten Gruppe eine halbwegs harmonische Elf zu machen - der Bundestrainer hat das nicht geschafft, aber auch keiner der (zum Teil selbsternannten) Führungsspieler wie Sami Khedira, Mats Hummels, Jérôme Boateng und Toni Kroos. Schon vor dem Turnier haben Kenner der deutschen Kabine darauf hingewiesen, dass es nur einen Spieler gebe, dessen sportliche und persönliche Ausstattung ihn fraktionsübergreifend zur Führungsfigur befähige: den Torwart Neuer, dessen Autorität dann aber doch unter jenem Sonderstatus litt, der ihn ohne Spielpraxis ins Tor beförderte.

Der Wert einer Kabine wird gerne unterschätzt im modernen Fußball, man sieht nicht in die Kabine hinein und man kann keine Daten über sie erheben. Dennoch wird genau dort über Mentalität und innere Hygiene eines Teams entschieden, so wie bei der WM 2014, als Per Mertesacker, Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und Miroslav Klose komplexe innerbetriebliche Prozesse gemanagt haben. Ihre Abschiede waren schwere Verluste für die DFB-Kabine, und in dieser Hinsicht wird die Nationalmannschaft nun auch Mario Gomez vermissen. Gomez war anders als Neuer kein Stammspieler mehr bei der WM, in der DFB- Kabine war er aber als überparteilicher, charakterlich sauberer und altersweiser Integrationsspieler anerkannt, der längst gönnen kann. Diese Art von Spieler wird schwerer zu finden sein als ein groß gewachsener Mittelstürmer, den man mal für Timo Werner einwechseln kann.

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