Mario Gomez kontert Scholl-Attacke:Irritation in der Bayern-Familie

Mario Gomez kann dem Zweikampf mit Mehmet Scholl nicht ausweichen. Der TV-Experte ist kein kleiner Gegner, der Kerl ist beliebt und dick befreundet mit Uli Hoeneß. Wohlfühl-Mittelstürmer Gomez hat deshalb beschlossen, den Spötter mit dessen eigenen Waffen zu schlagen und stellt klar: Fußballerisch wird er nichts ändern.

Christof Kneer

In den Statistiken der Uefa wird dieser Auftritt nicht auftauchen, leider, muss man sagen, sonst läge Mario Gomez in der Torjägerliste vielleicht schon uneinholbar vorne. Er hat mehrere Treffer gelandet bei seiner ersten Vorstellung auf dem Danziger Pressepodium, und er hat sie so erzielt, wie man sie dem Fußballer Gomez eher nicht zutraut: mit List und Raffinesse, smart und schlau.

Er könne auch über seine Stärken reden, antwortete er, als jemand nach seinen Schwächen fragte, und es gelang ihm, verschmitzt statt gereizt zu klingen. Gomez fühlt sich seit längerem verfolgt von der Öffentlichkeit, er fühlt sich falsch eingeschätzt und unter Wert geschlagen, und seit die Öffentlichkeit das Gesicht des TV-Kritikers Mehmet Scholl trägt, ist die Debatte auf einer Ebene angekommen, auf der man sie nicht mehr ignorieren kann; es sei denn, man ist zufällig der deutsche Bundestrainer. "Ich habe nicht die Energie, mich um alles zu kümmern, was der eine oder andere sagt", meinte Löw am Montag, und es gelang ihm, gelangweilt statt barsch zu klingen.

Mario Gomez kann es sich nicht erlauben, der Debatte auszuweichen, er muss diesen Zweikampf annehmen, wie es in der Mittelstürmersprache heißt. Mehmet Scholl ist kein kleiner Gegner, der Kerl ist beliebt und hat Humor, allerdings zu seinen eigenen Bedingungen.

Gomez hat beschlossen, den Spötter mit dessen eigenen Waffen zu schlagen. "Ich hab' in den letzten beiden Jahren in der modernen Champions League die meisten Tore nach Messi geschossen", sagte Gomez, es war ein Satz, der einem Kabinettstückchen glich, wie man in der Mittelstürmersprache sagt.

Dieses mit sanfter Ironie vorgebrachte Statement enthielt zwei Signalwörter, die Gomez wichtig sind. Das Adjektiv "modern" war an all jene adressiert, die in ihm einen Angreifer aus versunkenen Zeiten sehen; und das Hauptwort "Messi", nun ja, es schaffte so nebenbei mal eine kleine Assoziation zum aktuell besten Fußballer dieser Erde.

Mario Gomez ist nicht so vermessen, sich für Messi zu halten. Aber er findet, das musste mal gesagt werden.

Wer Gomez' Auftritt am Montag verfolgt hat, der hat viel lernen können über diesen Stürmer, der hat womöglich verstanden, wie dieser Charakter tickt. Gomez hat schon darauf bestanden, dass er so Fußball spielen darf, wie er das tut, "ich wüsste nicht, warum ich mich ändern sollte", sagte er. Aber er ist trotz allem ein Wohlfühl-Mittelstürmer, er mag keine Kampfansagen, er ist auch keiner, der aus Reibung Leistung herausholt.

"Mehmet und ich - das ist so eine Sache"

Er hat aus gutem Grund darauf verzichtet, Scholl in einen noch heftigeren Zweikampf zu verwickeln, er würde sich nicht wohl fühlen dabei, und wenn er sich nicht wohl fühlt, kann er nicht die meisten Tore nach Messi schießen. Er hat der Debatte die rauen Kanten abgeschliffen, indem er von einem Oktoberfestbesuch berichtete (Folklore! Kommt immer gut an!) und von einem Gespräch, das er in einem Festzelt mit Scholl geführt hat.

Mario Gomez, Deutschland gegen Portugal, EM 2012

Die Wucht des einen, entscheidenden Moments: Mario Gomez beim Kopfstoß, der dem DFB-Team den 1:0-Sieg über Portugal sicherte.

(Foto: dpa)

"Mehmet und ich - das ist so eine Sache", erzählte Gomez also, "er hat mir schon mal gesagt, dass ich mein Potenzial nicht ausschöpfe und er will das jetzt aus mir herauskitzeln." Scholl sei ja Trainer jetzt, meinte Gomez, "und von Trainern kann man viel lernen". Es blieb den Zuhörern überlassen, ob sie diesen Satz für hinterhältigen Spott hielten oder für ein ernst gemeintes Friedensangebot.

Eine andere Dimension der Debatte hat Gomez nur angedeutet, er kennt sie, und er hat keine große Lust, sie öffentlich auszutragen. Das Problem ist ja, dass dieser Scholl künftig nicht nur irgendein Trainer ist, sondern der Trainer der zweiten Mannschaft des FC Bayern. Wer die Geschichte des FC Bayern kennt, der kennt auch die Nähe, die traditionell zwischen dem Familienoberhaupt Uli Hoeneß und dem Familienschlingel Mehmet Scholl besteht, was Anhängern einer soliden Verschwörungstheorie eine wunderbare Diskussionsgrundlage liefert.

Gomez vermisst ein öffentliches Bekenntnis zu ihm

Genaugenommen trägt die böse Post, die Gomez bei dieser EM erreichte, ja tatsächlich den Absender München-Harlaching, Säbener Straße. "Ein Trainer aus meinem Verein, mia san mia, eine große Familie", sagte Gomez am Montag, es sollte spöttisch klingen, klang aber auch etwas irritiert. Natürlich geht niemand davon aus, dass der Spitzbube Scholl in höherem Auftrag handelte, aber Gomez wird sich schon die Frage stellen, ob hinter dieser überpointierten Attacke (Scholl: "Insgesamt zu wenig"; "Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss") nicht zumindest ein Gefühl steckt, das von der Säbener Straße stammt.

Er weiß ja, dass ihm die Bayern-Bosse immer wieder ihre Wertschätzung übermitteln, aber seit die Gerüchte über ein Interesse an Edin Dzeko (Manchester City) und/oder Robert Lewandowski (Borussia Dortmund) auf dem Markt sind, vermisst er ein öffentliches Bekenntnis. Er geht inzwischen wohl davon aus, dass er es in der neuen Saison neben Claudio Pizarro (kehrt von Werder Bremen nach München zurück) mit einem weiteren hochkarätigen Kollegen zu tun bekommt - umso mehr braucht und genießt er jedes Tor, das ihm bei diesem großen Turnier in Polen und der Ukraine gelingt.

Joachim Löw hat auch Miroslav Klose sehr gelobt am Montag, er hat ihm erstmals wieder komplette Fitness attestiert. Ob er, Gomez, also Zweifel habe, am Mittwoch gegen die Niederlande aufzulaufen? Diesmal brauchte Mario Gomez keine Ironie für seine Antwort, er sagte: "Zweifel? Nein."

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