Süddeutsche Zeitung

Mario Gomez' Karriere:Torjäger und Torero

Kaum ein deutscher Angreifer hat eine Trefferquote vorzuweisen wie Mario Gomez - nur in der Nationalelf haperte es manchmal. Nun macht er sein letztes Spiel für Stuttgart. Seine Karriere in Bildern.

Mario Gomez hat zuletzt öfters auf der Bank gesessen, aber an diesem Sonntag wird er nochmal spielen, so hat es sein Trainer angekündigt. Stuttgart empfängt Darmstadt 98, und sehr wahrscheinlich wird der VfB nach diesem Spiel Bundesliga-Aufsteiger sein. Ein Mal noch also wird Gomez als Profi im Stuttgart-Trikot zu sehen sein, danach ist Schluss beim VfB, womöglich beendet er auch seine Karriere. Um zu veranschaulichen, wie lange Gomez schon dabei ist, hilft ein Blick auf die Aufstellung seines ersten Spiels für die Profis des VfB Stuttgart. Vor mehr als 16 Jahren war das, am 8. Mai 2004, der VfB traf auf den HSV (beide damals noch in Liga eins), und in der Startelf fanden sich illustre Namen wie Lahm, Meira und Hleb. Und ab der 48. Minute war eben dabei: Mario Gomez, 18 Jahre jung (l., im Duell mit Tomas Ujfalusi).

Stetig mehr Spielzeit bekam der Angreifer in den kommenden Jahren, erst unter Trainer Felix Magath, unter Armin Veh war er dann in der Spielzeit 2006/2007 Stammspieler. Bis zum Frühjahr hatte er schon 14 Tore geschossen, dann musste er verletzt pausieren. In den letzten beiden Liga-Saisonspielen wurde er aber wieder eingewechselt, was insofern praktisch war, als er damit auch in jenem Spiel auf dem Platz stand, als der VfB 2007 Meister wurde (auch im Pokalfinale gegen Nürnberg wurde er eingewechselt, hier verlor Stuttgart aber). Später kam der nächste Titel hinzu: Fußballer des Jahres.

Schon während der Meister-Saison hatte Gomez es zu seinem Debüt fürs DFB-Team gebracht, das selbstverständlich schon damals von Joachim Löw trainiert wurde. Doch nach Treffern in Qualifikations- und Testspielen sollte die EM 2008 für ihn unglücklich verlaufen. Gomez blieb ohne Tor, seine prägendste Szene des Turniers war, als er im zweiten Gruppenspiel gegen Österreich aus sehr kurzer Distanz übers Tor schoss. In der K.o.-Runde musste Gomez mit einer Ausnahme einer Einwechslung im Finale zusehen. Und auch bei der WM 2010 kam er als Einwechselspieler auf keinen Treffer. Die EM 2012 hingegen sollte mit drei Toren Gomez' bestes Turnier im DFB-Trikot werden - auch wenn TV-Experte Mehmet Scholl dem Angreifer nach dem ersten Spiel gegen Portugal attestiert hatte, sich "wund gelegen" zu haben (später entschuldigte Scholl sich).

In der Liga lief es für Gomez umso besser, 2008/2009 gelangen etwa 24 Tore. Und wie das so ist, wenn ein junger Angreifer in der Bundesliga oft trifft, dann interessiert sich auch der FC Bayern für ihn. Die Münchner holten ihn 2009 - für geschätzte 30 Millionen Euro. Gomez erlebte eine der turbulenteren Phasen der jüngeren Klub-Historie: Beim verlorenen Champions-League-Finale 2010 war er von Anfang an dabei, beim Finale Dahoam und beim 2013er-Finale nicht. Ihm selbst sollte es an Toren nicht mangeln in seiner Münchner Zeit, er hatte also hinreichend oft Gelegenheit, seinen Torero-Jubel aufzuführen. Zum prägenden Bayern-Angreifer des 21. Jahrhunderts brachte Gomez es aber nicht. Als die Münchner etwa den Champions-League-Titel holten, wirkte Gomez nur eine Minute mit. Immerhin: Zum DFB-Pokalerfolg in der Triple-Saison steuerte er zwei Treffer im Finale bei. Diese sollten seine letzten für den FC Bayern gewesen sein.

Mit Pep Guardiolas Ankunft in München nämlich wurde dem Strafraumstürmer Gomez ein Wechsel nahegelegt, denn Pep-Fußball mit einem geborenen Neuner, das war doch schwer vorstellbar. Gomez ging und fand in Florenz eine neue Heimat, die ihn euphorisch empfing: 20.000 Menschen strömten zu seiner Vorstellung ins Stadion, "eine Stimmung wie bei Maradona" schrieben die Gazzeten, doch das Glück hielt nicht lange: Florenz spielte zwar eine gute Saison, Gomez jedoch fiel monatelang mit einer Knieverletzung aus - und erlebte im Sommer 2014 seinen Karrieretiefpunkt, als er nicht für den deutschen WM-Kader nominiert wurde.

Auch Gomez zweites Jahr in Florenz verlief enttäuschend, die Italiener verliehen ihn daher im Sommer 2015 zu Besiktas Istanbul. Und in der Türkei blühte der längst als gescheitert geltende Gomez auf: 41 Spiele bestritt er für Besiktas, erzielte dabei 26 Tore und bereitete sechs vor. Besiktas wurde türkischer Meister, Gomez und Ricardo Quaresma (im Bild rechts) waren die herausragenden Akteure. Zwei Jahre nach der Enttäuschung der WM 2014 wurde Gomez sogar wieder in die Nationalmannschaft berufen und spielte eine herausragende EM 2016, bei der ihn erst eine Verletzung vor dem Halbfinale gegen Frankreich ausbremste. Mit fünf Treffern bei drei Turnieren ist Gomez gemeinsam mit Jürgen Klinsmann deutscher EM-Rekordtorschütze.

Ein weiteres Jahr später und wieder jubelte Mario Gomez - diesmal aber auf anderem Niveau. Nach der EM hatte er die Türkei verlassen und beim ambitionierten VfL Wolfsburg eine Heimat gefunden. Beinahe wäre Gomez Rückkehr nach Deutschland schon damals zum Albtraum geworden: Erst in der Relegation hielt der VfL die Klasse, Gomez traf im Hinspiel und feierte mit Trainer Andries Jonker (Foto). Doch weil ein halbes Jahr später der VfL Wolfsburg immer noch in den unteren Tabellenregionen festsaß, verließ Gomez im Winter 2017 die Niedersachsen und kehrte zurück in seine Heimat: zum VfB Stuttgart.

Beim VfB spielte Gomez fast wieder wie zu Beginn seiner Karriere. In der Rückrunde der Saison 2017/18 traf er achtmal und verhalf den Stuttgartern von Rang 14 fast noch ins internationale Geschäft. Die Belohnung für Gomez: Er erhielt im WM-Kader 2018 den Vorzug vor Bayern-Stürmer Sandro Wagner und durfte mit nach Russland fahren. Doch das große WM-Abenteuer ging bekanntermaßen schief, Gomez und die deutsche Nationalmannschaft scheiterten kläglich in der Vorrunde. Es war gleichzeitig das Ende von Gomez' Nationalmannschaftskarriere.

Und dann? Ein Jahr nach dem Scheitern mit der Nationalmannschaft folgte ein erneuter Tiefpunkt in Mario Gomez Karriere: Der Abstieg mit seinem VfB Stuttgart. Nur sieben Tore erzielte Gomez im Saisonverlauf, ein Treffer im Relegations-Hinspiel reichte diesmal nicht, Union Berlin stieg auf und der VfB musste runter in die zweite Liga. Gomez aber stellte sich der Verantwortung, gemeinsam mit anderen erfahrenen Spielern wie Holger Badstuber (Foto) blieb er in Stuttgart, trotz zweiter Liga.

Gomez' Zeit beim VfB endete zwar nicht mit vielen Spielen, gerade in der Rückrunde setzte ihn Trainer Pellegrino Matarazzo nur spärlich ein. Doch Gomez hat seine positiven Momente, auch mit den Stuttgarter Fans wie hier beim 1:0 gegen Hannover 96 im Dezember - stilecht mit dem Torero-Jubel, der Mario Gomez durch seine Karriere begleitet hat.

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