Mario Gomez:Heute kein Spiel

Er ist jung und begabt: Mario Gomez. Aber jetzt muss er lernen, wie schwer es ist, gleichzeitig Fußballer des Jahres, Spieler des VFB und Mitglied in der Nationalelf zu sein.

Christof Kneer

Mario Gomez hat es erst gar nicht glauben können. Da stand er also auf dem Trainingsplatz von Hertha BSC und trainierte stramm, und das war ja doch einigermaßen erstaunlich für einen Tag, an dem abends noch ein Spiel ansteht. Nach dem Training ist Mario Gomez dann ins Mannschaftshotel am Potsdamer Platz chauffiert worden, wo schon ein paar Journalisten auf die Nationalspieler warteten. Dass Journalisten am Spieltag ins DFB-Hotel dürfen, das war auch ein bisschen merkwürdig, aber vielleicht war das auch wieder so ein Motivationstrick der Teamleitung. Ja gut, und dann gab's also Mittagessen und danach bestimmt eine Mannschaftssitzung zur Einstimmung auf das abendliche Spiel gegen - ja, gegen wen eigentlich?

Gomez, AP

Mario Gomez ist voll ausgelastet mit seinen vielen Aufgaben. Da bleibt Müdigkeit nicht aus.

(Foto: Foto: AP)

Es gab dann doch kein Spiel am Mittwochabend, kein einziges. "Eigentlich müsste heute ein Spiel sein'', sagt Gomez, er kennt das ja nicht mehr anders. Es ist nämlich so, dass sein VfB Stuttgart vor kurzem deutscher Meister geworden ist, was dem Verein die sogennante Doppelbelastung eingebrockt hat. Diese Doppelbelastung muss man sich als eine Art Gespenst vorstellen, vor dem man eigentlich keine Angst haben muss, weil man genau weiß, wann es spukt. Man erschrickt sich aber doch, wenn es plötzlich auftaucht und huch! ruft. "Ich war am Samstag gegen Hannover total müde", sagt Gomez, "manchmal gibt es das ja, dass man schon beim Warmmachen merkt, dass nichts geht.'' Er hat dann ein paar Dribblings versucht, bei denen man sich nicht sicher sein konnte, ob es nicht doch Fernschüsse waren. Die Bälle sind ihm verschreckt vom Fuß gehüpft, gerade so, als wäre auch ihnen das Gespenst begegnet.

Gomez mit der kollosalen Sturmbegabung

Wer Mario Gomez am Wochenende im Fernsehen gesehen hat, der hat sich doch ein bisschen Sorgen machen müssen um diese kolossale Sturmbegabung. An sehr guten, guten und auch an normalen Tag ist Gomez' Spiel ein Spektakel, einen wie ihn hatte die Nationalelf womöglich noch nie. Man kann sich streiten, ob er nun der erste Brecher ist, der gleichzeitig das halsbrecherische Tempodribbing beherrscht oder eher der erste Tempodribbler, der gleichzeitig zum Brecher taugt. Am Wochenende aber sah er nur aus wie ein großer, trauriger Junge, der irgendwas von "müde'' und "platt'' stammelte und sich sodann in die Kabine verzog.

"Es ist schon amüsant, was aus meinem Auftritt am Wochenende in den Medien alles gemacht wurde'', sagt Gomez nun an diesem Mittwoch, an dem versehentlich kein Spiel stattfindet. "Meine Aussagen wurden so dargestellt, als sei ich nicht fit und hätte eine riesige Formkrise. Dabei war das nach dem Spiel gegen Barcelona einfach ein schlapper Tag. Aber im Prinzip bin ich wieder topfit.''

Heute kein Spiel

Mario Gomez ist der prominenteste Absolvent der Stuttgarter Meisterschule, er lernt gerade, wie schwer es sein kann, deutscher Meister und Fußballer des Jahres zu sein. Er ist leider schon so gut, dass die Branche keine Rücksicht darauf nehmen kann, dass er erst 22 ist. Sie brauchen ihn so dringend beim VfB, dass sie ihn alle drei Tage in ein Spiel schicken müssen, obwohl er in dieser noch jungen Saison schon sechs Wochen vom Sport befreit war, eine Woche wegen Grippe und fünf Wochen wegen einer Oberschenkelzerrung, die sich zum Faserriss auswuchs. "Wir haben die Zerrung erst nach zwei Wochen richtig erkannt'', sagt Gomez, "und so habe ich einen Großteil der Saisonvorbereitung versäumt. Als ich fit war, hat mir dann natürlich die Grundlage gefehlt. Aber wie gesagt, jetzt bin ich wieder bei hundert Prozent.''

Mario Gomez geht es wieder gut, er sagt das oft, man merkt, dass es ihm wichtig ist. Er kennt ja die günstige Konstellation im deutschen Sturm, er weiß, dass nach Miroslav Kloses Ausfall die Stelle neben Kevin Kuranyi vakant ist. "Natürlich hoffe ich, dass ich in Irland spiele'', sagt er, "ich will mich hier im Training zeigen, ich bin nicht hierher gekommen, um Regeneration zu machen.''

Das harte Los eines Fußballer des Jahres

Es ist wirklich nicht leicht, Fußballer des Jahres zu sein. Wer so begabt ist wie Gomez, gerät leicht zwischen die Fronten, auch wenn es im Grunde befreundete Fronten sind. Joachim Löw ist ja ein gern gesehener Tribünendauergast beim VfB, und er schätzt nicht nur Profitrainer Armin Veh, sondern auch den Amateurcoach Rainer Adrion, der vor zehn Jahren Löws Assistent in Stuttgart war. Aber berufsbedingt hat Löw dann doch ein paar andere Interessen als die Stuttgarter, die ihre müden Spieler am liebsten in der Heimat behalten hätten.

Trotzdem ist der angeschlagene Perspektivverteidiger Serdar Tasci am Dienstag zum DFB-Bergabend nach Berlin geflogen; zum Ausgleich hat der DFB dann am Mittwoch einen Stuttgarter Wunsch erfüllt und den angeschlagenen Mittelfeldspieler Roberto Hilbert nach Hause geschickt. "Armin Veh hat sich mit Joachim Löw und auch mit U-21-Trainer Dieter Eilts verständigt, und die drei haben einen guten Kompromiss gefunden'', sagt VfB-Manager Horst Heldt. Also dürfen Hilbert (A-Elf) und Tasci (U21) heim zum VfB, während Gomez (A-Elf) und Sami Khedira (U21) den DFB-Mannschaften helfen -eine 2+2-Regelung, die so demonstrativ gerecht aussieht, dass man die vergangenen diplomatischen Verwicklungen dahinter immer noch erahnen kann. Zuletzt war ja Thomas Hitzlsperger verletzt vom Rumänien-Spiel heimgereist, und Hilbert hatte im selben Match 90 Minuten Sport getrieben, obwohl die VfB-Verantwortlichen mit maximal 45 Minuten gerechnet hatten.

Man kann davon ausgehen, dass Mario Gomez das Ergebnis dieser Verhandlungen auf höchster diplomatischer Ebene ausdrücklich begrüßt. Er will den VfB, seinen Arbeitgeber, nicht vergrätzen, aber seine Chance beim DFB will er genausowenig verschenken. Er kann sich jetzt also ohne schlechtes Gewissen auf Samstag freuen: Am Samstag ist endlich wieder ein Spiel.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: