Gab es eigentlich eine Frage, bei der Mario Götze hinterher nicht zuerst mit einem Lachen antwortete? Die gute Laune war bei den vielen Interviews offenkundig, die der Profi von Eintracht Frankfurt nach seinem Siegtor gegen Werder Bremen (1:0) zwangsläufig geben musste. Es war sein 100. Pflichtspiel für die Hessen, und Trainer Dino Toppmöller hatte sich schon am Freitag ein Tor zu seinem 44. Geburtstag gewünscht. „Ich hatte es irgendwo tatsächlich im Gefühl“, verriet Toppmöller nun am Samstag: „Wir wollten, dass Mario immer wieder mit in die Box geht. Er ist ein Spieler, der ein sehr gutes Gespür hat.“ Fein, wenn ein Fußballlehrer auch als Orakel taugt.
Unter Toppmöller agiert Götze meist aus einer tieferen Mittelfeldposition heraus, weshalb mitunter die Torgefahr leiden musste. Nun aber drosch der Mann, der einst im WM-Finale von Rio de Janeiro aus der Luft eine Flanke von André Schürrle verwertete, die Kugel hoch ins Eck, als ihm Hugo Ekitiké mit dem Rücken zum Tor auflegte (45.). Der Siegtorschütze bedankte sich im ZDF explizit auch bei Linksverteidiger Nathaniel „Nene“ Brown, denn ohne den Antritt des ehemaligen Nürnbergers wäre der Raum beim Geduldsspiel gegen Werder Bremen kaum aufgegangen. Genau wie der bullige Rechtsverteidiger Nnamdi Collins, 20, hat sich Brown, 21, auf der linken Flanke einen Stammplatz ergattert.
Der Mix aus Talenten und Routiniers passt bei der Eintracht, die sich überdies mit dem belgischen Nationalspieler Arthur Theate, 24, einen Klasseverteidiger geliehen hat. So gelang beim fünften Pflichtspielsieg in Serie der Beleg, dass eben doch nicht alles am Unterschiedsspieler Omar Marmoush hängt.
„Wir haben eine gute Qualität, eine gute Mischung, und es macht Spaß“, benannte Götze die Gründe für den Höhenflug. Er sei übrigens „gefühlt der Opa hier“, witzelte der Matchwinner. In Kevin Trapp, 34, empfing auch der Älteste an diesem kühlen Abend warmen Applaus, als der Keeper und Kapitän beim Kopfball von Mitchell Weiser blitzschnell die Arme hochriss (76.). Niemand redet mehr von einer Wachablösung durch Ersatzkeeper Kauã Santos, der noch vor sieben Wochen gegen den FC Bayern (3:3) eine Weltklasseleistung geboten hatte.
Inzwischen ist Frankfurt als Tabellenzweiter erster Münchner Verfolger. Auch wenn die Anhänger ihre lautstarken Meistergesänge anstimmten, gaben die Verantwortlichen zu diesem Thema bloß gedämpfte Töne von sich. Sportvorstand Markus Krösche sprach von einer „super Momentaufnahme“ – mehr aber auch nicht. Es war eine der ersten Transferideen Krösches, im Sommer 2022 Götze aus Eindhoven nach Frankfurt zu holen. „Wir sind noch früh in der Saison“, bemerkte Götze. „Wir tun gut daran, die Spiele differenziert zu betrachten.“
Auf einem Internetportal erzählt Götze die dramatische Geschichte von der Geburt seines ersten Kindes
Rückblickend hat der wohl selbst nicht gedacht, wie viel unbeschwerter als in Dortmund oder München es an seiner dritten Bundesliga-Station laufen würde. „Was ich in den letzten zweieinhalb Jahren hier erlebt habe, ist eine sehr positive Geschichte“, sagte Götze. Am Main kann er auch mal als Privatperson mit der Familie im Touristenstrom über den Römerberg schlendern.
Unter der Woche hat Götze aber auch von früheren Ängsten und Gefühlen erzählt: Auf dem Portal The Players‘ Tribune hat er einen Text in Form eines Briefes an seine Kinder Rome, 4, und Gioia, 1, („Papa hat eine Geschichte für euch“) veröffentlicht, in denen er von den dramatischen Umständen bei der Geburt seines Sohnes berichtete. Als eine Hebamme im Sommer 2020 bei einer Routineuntersuchung seiner Frau Ann-Kathrin den zu langsamen Herzschlag bemerkte, sei es unter Blaulicht ins Krankenhaus gegangen. „Ich hatte fast das Gefühl, mein Herz würde aufhören zu schlagen“, berichtete der Vater, dessen erstes Kind sechs Wochen zu früh per Kaiserschnitt zur Welt kam.