Mario Götze:Das Phantom tanzt

RB Leipzig v Borussia Dortmund - Bundesliga

71 Minuten dauert das Comeback von Mario Götze im BVB-Trikot.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

71 Minuten durfte Mario Götze in seinem ersten Bundesliga-Spiel seit mehr als drei Jahren für Borussia Dortmund spielen. Trotz seines ordentlichen Starts in Leipzig wirft der BVB viele Rätsel auf. Und Götze muss derweil noch an der Fitness werkeln.

Von Sebastian Fischer, Leipzig

Vielleicht wird man sich in ein paar Monaten in Dortmund mit einem Lächeln an diesen Tanz erinnern. Die Sonne stand tief über Leipzig, es war kurz vor sieben Uhr, nicht zu früh zum Tanzen also. Mario Götze führte am Samstag im Zentralstadion den Ball in der Nähe der Eckfahne, er stieg mit dem Bein einmal drüber, er wippte und wackelte ein wenig. Und die Leipziger Fußballer um ihn herum, sie gingen auf seine Bewegungen ein, sie wippten und wackelten mit. Es war eine Szene wie aus alten, schon etwas verblassten Zeiten, in denen der Fußballer Mario Götze, 24, nach Belieben mit Ball und Gegnern tanzte; es war eine Szene, die in einen halbwegs gelungenen Abend für ihn passte, an dem er erstmals seit seiner Rückkehr zum BVB in diesem Sommer von Beginn an spielte. Vielleicht ist dieser Abend der Beginn einer schönen Comeback-Geschichte.

Vielleicht, und das ist gerade das Problem in Dortmund, wird man sich an Götzes Tanz in Leipzig in ein paar Monaten aber auch nicht mehr erinnern.

Zwei Spiele sind gespielt in dieser Ligasaison, einmal gewonnen und einmal verloren, am Mittwoch beginnt für den BVB bei Legia Warschau die Saison in der Champions League. Aber wo sie stehen, das wissen sie beim am höchsten gehandelten Verfolger des FC Bayern noch nicht. Bleibt diese Mannschaft eine Ansammlung talentierter Fremder? Wird daraus ein Team? Ist Innenverteidiger Marc Bartra, der vom FC Barcelona kam, der neue Mats Hummels? Weshalb unterlaufen ihm derart leichtsinnige Fehler im Spielaufbau? Ist Ilkay Gündogan im Mittelfeld vom grundsoliden Sebastian Rode zu ersetzen? Ist Ousmane Dembélé ein faszinierender Offensivspieler, oder ein Offensivspieler mit faszinierenden Schwächen in der Defensive? Was ist mit Gonzalo Castro los? Und hat André Schürrle nur ein Zwischenhoch vor dem nächsten Zwischentief? Fragen über Fragen. "Wo soll ich anfangen?", begann Trainer Thomas Tuchel seine Analyse.

Und dann ist da ja noch diese Frage, die über allen lagert: Wie geht es mit Mario Götze weiter?

In den letzten Wochen war er eine Art Phantom. In Leipzig war die Nummer "10" dann erstmals tatsächliche eine Zehn, leibhaftig im Dortmunder Mittelfeld. Und erstmals seit Monaten waren wieder einige seiner kleinen, genialischen Bewegungen zu sehen, die in allerbesten Momenten eine Weltmeisterschaft entscheiden können. Einmal stupste er den Ball mit der Fußspitze in Schürrles Lauf, keinen Zentimeter zu weit, keinen Zentimeter zu kurz für den darauffolgenden Angriff, ein typischer Götze. Es ist ihm anzumerken, dass die Reise zur Nationalelf mit zwei Spielen seinem Selbstvertrauen gut getan hat, er sprach gar ein paar forsche Sätze in die TV-Kameras: "So viele Leute mischen sich ein, kritisieren, sagen etwas zu meiner Person, mittlerweile ist mir das egal." Ihn interessiere allein, was Tuchel zu sagen habe.

Tuchel sagte, Götze habe "eine sehr gute erste Hälfte" gespielt. In der zweiten Hälfte ließ Götze nach, wurde langsamer, einmal brach die Wut aus ihm heraus, als ein Hackentrick misslang. Nach 71 Minuten wechselte Tuchel seinen Zugang aus, die Fitness reicht noch nicht. "Zu der Zeit, als wir ihn rausgenommen haben, wurde es zu intensiv", erklärte Tuchel.

Der Trainer war nach dem späten 0:1 nicht in bester Erklärlaune. Er schob eine Teilschuld für das Ergebnis tatsächlich dem Platz in Leipzig zu, er sagte, der Rasen sei "noch nicht ganz angewachsen, war schwierig zu bespielen". Er monierte "unforced errors" im Spielaufbau, Ungeduld, technische Fehler. Andererseits habe die Bereitschaft gestimmt, sich aufzuopfern, es gebe also keinen Grund zur Sorge. Sein Fazit: "Wir lernen uns kennen."

Mario Götze hatte das Stadion da schon grinsend Richtung Mannschaftsbus verlassen. Als würde er sich schon aufs nächste Date freuen; auf die nächste Chance, seine Tanzschritte zu schulen.

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