Mario Götze:Comeback des Streichlers

SC Freiburg - Borussia Dortmund

Trainer Lucien Favre (l.) mit Mario Götze bei dessen Auswechslung in Freiburg.

(Foto: dpa)
  • Mario Götze erlebte bei Borussia Dortmund einen schweren Saisonstart. Inzwischen ist er unter Trainer Lucien Favre Stammspieler.
  • Götze weist gute statistische Werte auf - und beeindruckt mit seiner Ballsicherheit.
  • Sein Vertrag läuft noch bis 2020. Beide Seiten wollen offenbar gern verlängern - der BVB aber zu angepassten finanziellen Konditionen.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Eigentlich müsste einer wie Mario Götze vor dem Derby gegen Schalke ein Stimmungsmacher sein. Mit fünf Jahren mit den Eltern nach Dortmund gezogen, mit neun beim BVB angefangen, mit 17 das erste Mal in der Bundesliga gegen den Rivalen aus Gelsenkirchen aufgelaufen: Von so einem sollte man vor einem Derby freche Schalke-Sticheleien erwarten, um auch die Zugereisten im BVB-Trikot einzustimmen. Aber was soll man machen? So einer ist Dortmunds Nummer 10 nun mal nicht. Selbst jetzt nicht, da er erstmals seit seinem legendären WM-Finaltor von 2014 wieder obenauf ist.

Bundestrainer Joachim Löw hat Götze gerade attestiert, "in letzter Zeit sehr gut gespielt" zu haben - Wiederberufung also nicht mehr ausgeschlossen. Schließlich wird der WM-Held von Rio demnächst auch erst 27. Aber was soll so eine Karriere noch bringen? Wenn man den Höhepunkt längst erlebt hat? Und vor allem: Wie muss man spielen, um es mit den Erwartungen des Publikums noch einmal aufnehmen zu können? Und müsste man dafür nicht wenigstens ab zu richtig wütend, emotional und hitzig werden? Wenigstens vor so einem Schalke-Spiel?

Mario Götze sind so viele fußballerische Talente gegeben, dass er es im emotionalen Fach etwas ruhiger angehen kann. Wenn Fachleute über sein aktuelles Comeback sprechen, ist von den statistischen Werten, von seiner Passgenauigkeit die Rede und davon, dass er die größte Laufleistung aller BVB-Spieler abliefert, dass ihm seit fünf Saisons keine so gute Statistik wie jetzt gelungen ist mit seinen fünf Treffern und sieben Vorbereitungen.

Dass Favre gegen die Bayern auf Götze verzichtete, hat der Trainer als Fehler eingestanden

Aber das, was den Spieler Götze im Kern ausmacht, lässt sich mit solcher Zahlenhuberei nicht erklären. Götze steht im BVB-Spiel wieder für einen rational kaum messbaren Faktor. Und zweifellos trägt er im Zusammenspiel mit seinen Offensivpartnern Marco Reus und Jadon Sancho dazu bei, dass der BVB um den Titel spielt. "Darum geht es natürlich", sagt Götze, "dass wir Meister werden wollen."

Auf dem Wege dahin ist das Derby gegen Schalke, rational betrachtet, nur eine Pflichtübung. Egal, was die Folklore vorschreibt. Man müsse es halt gewinnen, sagt Götze mit jenem verschmitzten Teenager-Grinsen, das ihn nicht verlassen hat. Mal passt das, mal nicht so. Vielleicht würden sich manche allmählich einen erwachsenen Götze wünschen, einen mit der offensiven Rhetorik eines Mats Hummels. Aber das wird wohl eher nichts mehr.

Auf dem Fußballplatz aber ist Götzes Rhetorik mit Ball reifer geworden. Er weiß selbst, dass er im rasenden Fußball von heute auf den Außenbahnen fehl am Platze ist. "Ich war auch als junger Spieler nicht schneller als jetzt", sagt er. Aber sein Trainer Lucien Favre, der ihn in den ersten sechs Saisonspielen nicht einsetzte, weil Götzes Fitness- und Schnelligkeitswerte zu wünschen übrig ließen, hat sich mittlerweile in Götzes sehr spezielles Repertoire verliebt. Als Favre im Spätsommer einen verkappten Angreifer suchte, eine spielende Variante des klassischen Mittelstürmers, konnte nur Götze das machen. Zuerst sollte er die Gegenspieler müde laufen, um dem damals noch nicht fitten und meist spät eingewechselten Spanier Paco Alcácer gegen Ende die Tore zu ermöglichen. Doch mit der Zeit drehte sich das Rollenspiel. Der trainingsfleißige Götze kam nun für Alcácer ins Spiel. Und in der Rückrunde war Götze dann so weit, dass er Alcácer verdrängte.

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