Süddeutsche Zeitung

Mario Balotelli bei der WM:Nicht einmal ein Küsschen

Er wollte so gerne die Queen küssen, doch stattdessen wütet er frustriert auf dem Spielfeld: Auch im Spiel gegen Costa Rica setzt Trainer Cesare Prandelli auf Mario Balotelli - doch der italienische Stürmer führt seine Aufgabe nur mäßig aus.

Von Thomas Hummel, Recife

Das Leben bringt immer mal wieder ungleiche Paare hervor. Gegensätze ziehen sich an, heißt es. Doch was Mario Balotelli nun vorhatte, wäre vor Widersprüchlichkeit kaum auszuhalten. Die Instanz für Höflichkeit trifft auf den Fußball-Proll, Spitzmündigkeit auf Großmaul. Falls sein Italien mit einem Sieg gegen Costa Rica die minimalen Chancen der Engländer auf ein Weiterkommen ins Achtelfinale erhalten würde, hatte er auf Twitter geschrieben, dann "will ich einen Kuss, natürlich auf die Wange, von der UK Queen".

Nun ist Elisabeth II. nicht dafür bekannt, in der Öffentlichkeit herum zu schmusen. Insofern war es ein ziemlich aussichtloser Wunsch. Und was wohl Fanny Neguesha dazu gesagt hätte, sein belgisches Model, mit dem er sich kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft am Strand von Rio verlobt hatte?

Nun, die Queen steht nun ohnehin nicht vor der Wahl. Denn Balotellis Italiener erfüllten die Hoffnungen des Königreichs nicht und verloren völlig überraschend gegen Costa Rica 0:1. Das bedeutet: England ist raus und urplötzlich müssen auch die Italiener zittern. Gegen Uruguay im letzten Gruppenspiel wartet nun ein Endspiel um Platz zwei.

Balotelli hatte sich wie schon beim Auftaktsieg gegen England alleine auf vorderstem Posten wieder gefunden. Damals hatte es dennoch für das entscheidende Tor gereicht. Italiens Trainer Cesare Prandelli hielt am 4-1-4-1-System fest. Das ist kein leichter Job für den einzigen Stürmer. Das Spiel der Italiener in der ersten Halbzeit sah so aus: Hinten und im Zentrum des Platzes schubsten sich Pirlo, De Rossi, Thiago, Marchisio und die Verteidiger den Ball zu, sie suchten eine Lücke im Mittelfeld des Gegners. Doch er der gab trotz der erheblichen Hitze in der Mittagszeit des brasilianischen Bundesstaats Pernambuco keine Lücken preis.

Also halfen sich Italiens Aufbauspieler bald mit weiten Bällen auf ihren einzigen Angreifer. Balotelli sollte die Bälle vorne festmachen, wie es auf Neu-Fußballdeutsch heißt, sie gegen die Verteidiger behaupten und auf nachrückende Mitspieler ablegen. Da sowohl das Festmachen als auch das Nachrücken nur mäßig gut ausgeführt wurden, überlegte sich Andrea Pirlo einen neuen Winkelzug: überraschende, weite Pässe über die Abwehr Costa Ricas hinweg. Nach 30 Minuten stand Balotelli plötzlich frei vor dem Tor, stoppte die Kugel aber schlecht und lupfte sie noch schlechter. Bevor die Zuschauer wussten, was passieren würde, hielt sich Balotelli schon die Hände vors Gesicht. So eine Chance lässt er sich selten entgehen.

Kurz darauf wieder ein weiter Ball, diesmal schoss der Stürmer direkt, doch Torwart Keylor Navas hielt. Es waren die beiden Möglichkeiten der Italiener, in Führung zu gehen. Weil Balotelli vergab, mussten sie wenig später einen Rückstand aufholen.

Zur Halbzeit kam endlich ein Mitstreiter vor den Angriffsdienst. Nicht der Neu-Dortmunder Ciro Immobile, sondern der alte EM-Kumpel Antonio Cassano sollte Balotelli unterstützen. Später noch Lorenzo Insigne und Alessio Cerci auf den Außen. Italien verstärkte die Bemühungen erheblich, doch ein Durchkommen schien schwerer denn je gegen die Fünfer-Abwehr-Reihe der Costa Ricaner.

Vielleicht wären noch mehr Balotellis nötig gewesen. So wie es der Mann vom AC Mailand angedeutet hatte nach dem Sieg gegen England, als er ein Panini-Album mit der ganzen italienischen Mannschaft auf Facebook postete. Auf jedem Bild war Mario Balotelli zu sehen, dazu schrieb er: "Why always me?" Warum immer ich?

Wenn es schlecht läuft, dann bedeuten viele Balotellis auch viel Zorn. Angesichts der heftigen Gegenwehr der Abwehr Costa Ricas wütete er bald mehr, als dass er Fußball spielte. Einmal riss er seinen Gegenspieler abseits des Spielgeschehens um und sah dafür Gelb. Es war für Italiener wirklich kein Tag, um sich zu verlieben. Nicht einmal ein Tag für ein Küsschen.

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