Süddeutsche Zeitung

Maria Scharapowa:Abschied im Mohnblumenkleid

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Die 32 Jahre alte Russin Scharapowa verliert und lässt eine Rückkehr nach Melbourne offen.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Es gibt Kategorien, in denen Maria Scharapowa noch immer alle Konkurrentinnen locker schlagen kann, zum Beispiel beim Thema Fashion: Für ihren Auftritt in der Rod-Laver-Arena am Dienstagnachmittag hatte sie ein fabelhaftes, schlichtes, mohnblumenrotes Kleid aus ihrer Kollektion bei einem US-Sportbekleidungskonzern gewählt. Die meisten der Kolleginnen werden von ihren jeweiligen Ausrüstungspartnern zu Saisonbeginn tatsächlich in Truppenstärke ausgerüstet, weshalb man im australischen Sommer gerade haufenweise blau-rosa-gelb gefleckte Outfits sieht. Scharapowa hingegen trägt nichts von der Stange. Schon gar nicht im Beruf. Deshalb bleibt nach ihrem Erstrunden-Aus gegen Donna Vekic (3:6, 4:6) bei den Australian Open die Frage, ob und wo man diesen Traum von einem Tennis-Cocktail-Kleid wiedersieht.

Das ist nicht als Respektlosigkeit gegenüber einer fünfmaligen Grand-Slam-Siegerin zu missverstehen. Und es wäre falsch, Scharapowa auf ihren Sinn für Mode zu reduzieren. Aber ihre kommerzielle Vermarktung, gefördert von ihrem geschickten Management, haben im Wirtschaftsbereich Tennis schon vor Jahren gewissermaßen die Benchmark gesetzt: Sie vertreibt als Profisportlerin sogar ihre eigenen Bonbon- und Schokoartikel (Logo: ein Kussmund). Sie ist als Werbefigur präsent, sie hat einen klingenden Namen, sie zieht die Massen an die Kassen. Und deshalb wird sie von den Veranstaltern zu Turnieren eingeladen, auch wenn ihre Weltranglistenposition sie nicht mehr automatisch für hochklassige Wettkämpfe qualifiziert.

Scharapowa, 32, hatte die Australian Open 2008 gewonnen. Zwölf Jahre später wird sie nach einer langwierigen Verletzung im Ranking nur an Position 145 geführt. Sie verfügt noch immer über harte Grundlinienschläge, ließ am Dienstag ein paar Longlinebälle schnurgerade ins Feld zischen, mit denen sie die 23-jährige Kroatin Donna Vekic, Nummer 20 der Welt, auf der falschen Hacke erwischte. Aber sie war, wie sie zugab, nicht in der Lage, ihre Vorteile zu nutzen. Im zweiten Satz zog Vekic, die ein Break zurücklag, Power und Tempo an, gewann fünf Spiele in Serie und nach 81 Minuten das Match.

Als Scharapowa eine Stunde später vor die Presse trat, nun im weißem Logo-T-Shirt statt roten Kleid, wies sie auf ihren Trainingsrückstand hin. Sie habe ja kaum gespielt wegen ihrer Schulterverletzung im vergangenen Jahr, sagte sie, "nur sieben oder acht Turniere", nach offizieller Zählung waren es 15 Matches; dem Umstand, bat sie, müsse man Rechnung tragen. Aber es war zu sehen, dass sie um ihre Fassung rang: "Ich könnte von meinen Problemen erzählen", sagte sie, "aber das entspricht nicht meinem Charakter."

Vekic erzählte, dass beide im Winter in Monaco einige gemeinsame Übungseinheiten absolviert hätten und das Arbeitspensum Scharapowas noch immer beeindruckend sei. Aber als Bilanz bleibt festzuhalten, dass Russlands glamouröseste Spielerin nach ihrer 15-monatigen Sperre im Jahr 2017 wegen der Einnahme des auf der Verbotsliste stehenden Medikaments Meldonium nie wieder den Platz in der Weltspitze fand, der ihr nach ihrer Selbsteinschätzung zusteht.

Die Turnierveranstalter jedoch sind ihr in alter Treue verbunden geblieben. Zu Jahresanfang wurde sie per Wildcard nach Brisbane eingeladen, wo sie ihr erstes Match verlor. Auch Craig Tiley, Direktor der Australian Open, servierte ihr die Teilnahmeberechtigung auf dem silbernen Tablett, samt einem Auftritt in der Arena, in der sie vor zwölf Jahren triumphierte, wofür sie ihm dankte. Weil Scharapowa 2019 noch einmal das Achtelfinale in Melbourne erreichte und diese Punkte nun nicht verteidigen kann, wird sie weiter im Ranking abrutschen, im freien Fall auf eine Position jenseits der 350 in der Weltrangliste. Was sie als nächstes plant? "Ehrlich gesagt, das kann ich nicht sagen", sagte sie, "darüber habe ich nicht nachgedacht." Auch ob sie zurückkehrt nach Melbourne, ließ sie offen. Dann ging Scharapowa, und es blieb nur die Erinnerung an ein mohnblumenrotes Kleid.

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SZ vom 22.01.2020
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