Marco Rose:Das ewige Dortmunder Problem

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Viel mehr Ecken und viel mehr Ballbesitz, aber ein Tor weniger: die Spieler von Borussia Dortmund beim 1:2 Freiburg. (Foto: Hansjürgen Britsch/Baumann/imago)

Neuer Trainer, vertraute Defizite: Beim 1:2 gegen Freiburg zeigt sich, dass sich der BVB auch unter Marco Rose schwer damit tut, intelligent und aggressiv verteidigende Blöcke zu knacken.

Von Freddie Röckenhaus, Freiburg/Dortmund

Marco Rose ist ein gelassener Typ. Und so schützte ihn sein Naturell nach dem 1:2 beim SC Freiburg wohl, sich angemessen aufzuregen. Es sei halt "grundsätzlich immer schwer" in Freiburg, man habe mit hohem Aufwand gespielt - und dann trotzdem kein "einfaches Tor" gemacht. Überhaupt hätten seine Spieler oft viel zu langsam gepasst und "zu viele Ballkontakte" gebraucht. Das stimmte irgendwie alles, klang aber auch verdächtig so, wie die Diagnosen seit Jahren bei Borussia Dortmund klingen. Und wenn der aktuelle BVB-Trainer das ebenfalls erfasst hat, weiß er jetzt immerhin nach zwei Spieltagen, woran er mit seiner Mannschaft ist.

Ja, Dortmund verbuchte 9:0 Eckbälle, hatte in den Statistikbüchern auch sonst überall ein bisschen mehr zu bieten als Freiburg, zum Beispiel an die 80 Prozent Ballbesitz und 16:8 Torschüsse. Das erwartet man ja auch nicht anders, wenn der BVB gegen Freiburg spielt, dessen Gehaltsbudget bei 25 Prozent des Dortmunder Niveaus liegen dürfte. Doch Statistiken werden ja nur erhoben, weil man es kann und das Erbsenzählen irgendwie dazu gehört. Entscheidend sind im Fußball die Momente, und da tat sich Dortmund gegen Freiburg in jeder Hinsicht schwer - und das wiederum ist nichts Neues. Die gleichen Gutachten musste in seiner Spätphase beim BVB auch der heute bisweilen verklärte Über-Trainer Jürgen Klopp formulieren, ebenso alle seine Nachfolger.

Die entscheidende Szene ereignete sich diesmal schon in der sechsten Minute. Da verursachte der danach passable Felix Passlack einen Freistoß, den Vincenzo Grifo in den Winkel des Dortmunder Tores schraubte. Für die Spielweise der Freiburger war diese frühe Führung ein Segen, für die Befindlichkeiten des BVB wie so oft ein Problem. Denn Freiburg attackiert in so einer Situation immer erst einmal sehr hoch, lässt sich dabei aber so gut wie nie bei Kontern richtig überspielen - und sinkt dann in eine tief hängende Verteidigung ab. Das ist genau die Kombination, mit der man Dortmunds feinfüßiger, aber oft zaudernder Truppe die Zähne zieht.

Erfolglose Flugeinlage: Dortmunds neuer Torwart Gregor Kobel versucht vergeblich, den Kunstschuss von Vincenzo Grifo zu erreichen. (Foto: Thomas Kienzle/AFP)

"Wir müssen mehr Konstanz reinkriegen in unsere Leistungen", lautete schon zuletzt Roses Credo. An diesem heißen Nachmittag in Freiburg war zu besichtigen, warum ihn und den BVB diese Problematik so beschäftigt. Angesichts der vermeintlichen individuellen Klasse würde man erwarten, dass viel öfter torgefährliche Situationen im Eins-gegen-eins erzwungen würden. Aber dazu braucht es den Impuls eines entschlossenen Dribblings, eines präzisen letzten Passes, einer Durchschlagskraft.

Marco Reus und Erling Haaland bleiben harmlos bis unsichtbar

Die Freiburger Verteidigungskünstler mussten aber so gut wie nie solche Überraschungsmomente und Solo-Durchbrüche verarbeiten. Nach dem Weggang von Jadon Sancho (Manchester United) fehlt dem BVB dieses Element, um Defensiv-Blockaden aufzubrechen. Donyell Malen, als Sanchos Ersatz vom PSV Eindhoven geholt, durfte erstmals von Anfang an spielen. Er deutete auch seinen extremen Antritt und seine Dribbler-Qualitäten an, aber er ist gradliniger als Sancho. So blieb es an Mittelfeldspielern wie Jude Bellingham und Gio Reyna hängen, irgendwo Löcher zu bohren, und an Passlack, der sich mit einer Flanke nach der anderen versuchte. Wenigstens eine davon war so scharf, dass Freiburgs Yannik Keitel den Ball, bedrängt von Bellingham, zum 1:2-Anschluss ins eigene Tor drückte.

Marco Reus und Erling Haaland, nach dem 5:2 gegen Frankfurt hochgelobt, blieben harmlos bis beinahe unsichtbar. Und hinten? Manuel Akanji fluchte nach dem Spiel: "Wir dürfen die Gegner nicht einladen, das kann nicht sein, dass wir Tore verschenken." Dabei war Akanji beim zweiten Freiburger Tor (Roland Sallai/53.) selbst unter denen, die nicht mehr recht wussten, wo Tor und Gegner gerade sind.

Freiburgs Trainer Christian Streich durfte nachher sagen: "Es war schon eine tolle Leistung. Wir haben im Sechzehner ein bisschen Glück gehabt, aber schon ordentlich verteidigt." Von seinem Gegenüber Rose wird da eine komplexere Performance erwartet. Defensiv intelligent und aggressiv verteidigende Blöcke zu knacken, ist das harte Brot von Klubs, die als Minimalziel einen Champions-League-Platz postulieren. Bisher konnte man Rose attestieren, dass er eine sehr hohe Handlungsgeschwindigkeit im Umschaltspiel eintrainiert hatte, mehr körperliche Robustheit. Das stieß im Supercup gegen Bayern München schon an Grenzen.

Kapitän Reus konnte auch nicht mehr tun, als zu beschreiben, wie es alle gesehen hatten: "Wir haben uns zu selten durchgespielt, weil wir uns zu wenig bewegt haben. Es ist immer schwierig, hier zu spielen." Die Spiele gegen mittlere Kaliber wie Freiburg dürften also wieder einmal darüber richten, ob Dortmund unter dem neuen Trainer halbwegs Schritt halten kann mit dem FC Bayern. Der Auftritt gegen Freiburg verhieß da nichts Gutes - übrigens vor den Augen von Edin Terzic, dem Sportlichen Leiter, unter dem die Borussia in der Vorsaison die letzten sieben Spiele in Folge gewonnen hatte.

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