Marco Reus ohne Führerschein:Blick in eine entrückte Welt

Borussia Dortmund's Reus celebrates goal during German first division Bundesliga soccer match against Stuttgart in Stuttgart

Als Fußballer ist er erfolgreich, doch derzeit läuft es nicht für Marco Reus.

(Foto: REUTERS)

Die Führerschein-Geschichte von BVB-Spieler Marco Reus erzählt viel über das Fußball-Milieu. Ein Wechsel zum FC Bayern könnte für den Schwarzfahrer nun schwieriger werden.

Von Christof Kneer

Die Fachbegriffe aus dem Handbuch der Sportverletzungen hätten schon gereicht, um Marco Reus das Jahr zu verderben. Zunächst war es ein Teilriss der Syndesmose in Tateinheit mit einem knöchernen Bandausriss an der Fersenbein-Vorderseite, der den Stürmer aus Dortmund um die Teilnahme an der WM in Brasilien brachte. Nach dem Turnier hinderte ihn ein Sehnenriss daran, sich den Frust von der Seele zu spielen, zur Zeit ist er wegen eines Außenbandrisses vom Sport befreit.

Zwischen all den Diagnosen hat Reus immer wieder Fußball gespielt, aber um Fußball ging es nach seinen Spielen nie. Es ging immer nur darum, ob und wann er Dortmund verlässt, ob und wann er zum FC Bayern überläuft und ob die Höhe jener Vertrags-Ausstiegsklausel stimmt, die Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge mit zielsicherer Beiläufigkeit öffentlich gemacht hatte. Sie beträgt angeblich 25 Millionen Euro. Andere Quellen sagen: Sie liegt höher.

Marco Reus, 25, verdient sein Geld in einer Branche, in der solche Summen von absurder Alltäglichkeit sind. In dieser Branche kann offenkundig auch passieren, was Reus passiert ist: dass man innerhalb von drei Jahren fünf Bußgeldbescheide wegen überhöhter Geschwindigkeit kassiert, obwohl man keinen Führerschein besitzt und nie einen besaß. Reus muss nun 540 000 Euro Strafe bezahlen, eine Ausstiegsklausel aus dieser Strafe gibt es nicht.

Die Geschichte von Marco Reus erzählt mehr über das Milieu, in dem er tätig ist, als manche wissenschaftliche Abhandlung das könnte. Diese Geschichte erlaubt einen Blick in eine entrückte Welt, in der schon Talente über jedes Maß hinaus hofiert werden und gleichzeitig ungeschriebenen Regeln folgen müssen, um in der Parallelwelt einer Mannschaftskabine akzeptiert zu werden. Zu diesen Regeln gehört das Auto, dessen technische Daten ebenso den Stellenwert eines Spielers wiedergeben wie die Monstrosität des Gehalts. Diese entrückte Welt hat eigene Recht- und Moralvorstellungen, in ihr gibt es keine Behörden, bei denen man Autos anmelden muss, auch Flensburg liegt nicht in dieser Welt.

Marco Reus ist einer der besten unter den vielen herausragenden Fußballern im Land, aber hinter seiner Prominenz verbirgt sich ein scheuer Athlet, dessen Sprunggelenke ebenso sensibel sind wie sein Gemüt. In Dortmund kennen sie die Natur ihres besten Spielers, sie schützen ihn vor zu großem Rummel und ausufernden Interviewanfragen; umso erstaunlicher, dass dem Klub und vor allem dem privaten Management des Spielers der Verkehrssünder Reus unbekannt sein soll.

Ob er wirklich zum FC Bayern geht? Das Image des Schwarzfahrers wird einen Wechsel nicht leichter machen, zumal es in München ohnehin Skeptiker gibt, die Reus' Wettbewerbshärte anzweifeln. Aber bevor der Spieler seine Zukunft plant, wird er erst versuchen, das Jahr 2014 zu vergessen: den verpassten WM-Titel; die Verletzungen; und die Autos, die er fuhr, ohne sie fahren zu dürfen.

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