Marco Reus im DFB-Team:Potenziell herausragend

Marco Reus im Dress der Deutschen Nationalmannschaft im Freundschaftsspiel gegen Saudi-Arabien 2018 in Leverkusen.

Der x-Faktor im deutschen Sturm: Der genesene Dortmunder Marco Reus soll Überraschungsmomente im deutschen Spiel kreieren.

(Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)
  • Marco Reus, der sowohl die WM 2014 als auch die EM 2016 verpasste, ist diesmal vor einem Großturnier gesund geblieben.
  • Jogi Löw setzt auf den Dortmunder, er soll Überraschungsmomente im deutschen Spiel kreieren.
  • Der Flügelspieler könnte gegen Mexiko auf der Zehner-Position starten.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Als Marco Reus nach dem Spiel durch den Kabinengang schritt, wurde er wie ein Wunder betrachtet. Die Kameras surrten, die Fotografen knipsten und die Reporter hielten ihre voll aufgedrehten Mikrofone - sie alle wollten der Welt Zeugnis ablegen über diese Erscheinung. Reus humpelte nicht, er trug keinen Verband, nicht mal ein Pflaster am kleinen Finger; er bewegte sich rund, lächelte und zeigte sich kein bisschen irritiert darüber, kurz vor dem Abflug zur Weltmeisterschaft nach Russland gesund und bester Dinge zu sein. "Angst gehabt im Spiel?", fragten besorgte Reporter mit ernster Stimme, worauf Reus irritiert den Kopf schüttelte und ein wenig die Augen verdrehte. "Nöö, habe mir eher keine Sorgen gemacht", antwortete leicht ironisch der 29-Jährige von Borussia Dortmund, der - wenn jetzt nichts mehr passiert - am kommenden Sonntag sein allererstes WM-Spiel bestreiten wird.

Der Fußballer Reus ist ja sozusagen die größte Genesungsgeschichte, seit ein Blinder wieder sehen und ein Lahmer wieder gehen konnte, weil er sich vor vier Jahren im finalen WM-Testspiel gegen Armenien in Mainz das Syndesmoseband gerissen hat und weil er zwei Jahre später auch die EM in Frankreich verpasste wegen chronischer Leistenbeschwerden. Als einer der besten offensiven Mittelfeldspieler der Bundesliga hat der gebürtige Dortmunder in seiner ganzen Karriere bis dato bloß zwei Spiele bei einem großen Turnier gemacht (EM 2012). Als sich die Kollegen 2014 in Rio zum Jubelbild aufstellten, zeigten sie sein Nationaltrikot in die Kameras. In der deutschen WM-Geschichte ist Reus nur ein Objekt des Mitleids. In Russland will er diese Interpretation tilgen.

Von all den Genialitäten, über die dieser Fußballer verfügt und über die der Bundestrainer Joachim Löw in den vergangenen Wochen immer wieder minutenlang schwelgte, bemüht Reus seit Freitagabend und noch mindestens bis Dienstag keine einzige, weil die Nationalspieler nach dem 2:1-Sieg gegen Saudi-Arabien in Leverkusen drei Tage frei bekommen haben bis zum Abflug am Dienstagmittag nach Moskau. Reus verbringt diese Tage weder im Fitnessstudio noch heimlich und allein im Trainingszentrum des BVB in Dortmund-Brackel, sondern nach eigener Aussage "ganz ruhig" und zurückgezogen mit seiner Freundin Scarlett. Es wird die Ruhe vor dem Sturm.

Bekommt Reus zum Auftakt den Vorzug vor Mesut Özil?

Wenn man Löw nämlich glauben darf, dann könnte Reus bei dieser WM der Star der deutschen Mannschaft werden. Beim nicht überzuinterpretierenden 2:1 gegen die Saudis war er jedenfalls fast der einzige, der Leidenschaft, Laufbereitschaft und Torgefahr zu einer ansehnlichen Show kombinierte. "In der ersten Halbzeit hatte er wahnsinnig gute Laufwege", lobte Löw. Solche Adjektive verdiente sich kein zweiter Spieler in einer Partie, nach der der skeptische Teil Fußball-Deutschlands bereits beginnt, Abstriche zu machen beim Wunsch nach der Titelverteidigung. Reus findet das gänzlich unnötig. "Nach zwei Wochen Trainingslager war keiner bei 100 Prozent, aber nächsten Sonntag gegen Mexiko werden wir es sein", versprach er. "Die Fans waren offensichtlich der Meinung, dass wir die Saudis aus dem Stadion fegen, aber auch wenn wir durch die letzten beiden Spiele ein bisschen gewarnt sind, mache ich mir keine Sorgen." Er stilisierte das maue Spiel augenzwinkernd zur absichtlichen Leistungsreduktion. "Bringt doch nichts, wenn wir jetzt schon alles zeigen, was wir trainiert haben", sagte er grinsend.

Darauf ist man jetzt ja gespannt: Was haben sie trainiert und wo sieht Löw den flotten Reus? Im finalen Test spielte er zentral-offensiv, halb auf der Zehn, halb als zweite Spitze neben Timo Werner. Er spielte dort, weil Mesut Özil mit Knieproblemen pausierte. Julian Draxler spielte auf dem linken Flügel dort, wo Reus in Dortmund und früher auch in Mönchengladbach zumeist eingesetzt wurde. Am liebsten spielt er aber zentral, das hat er immer mal wieder verraten. "Im Zentrum habe ich auch beim BVB oft gespielt", sagte Reus am Freitag, fügte aber brav hinzu: "Ich spiele da, wo der Bundestrainer mich aufstellt."

Wird Özil fit bis zum ersten Spiel gegen Mexiko, wird er dann zentral-offensiv spielen und wird Reus stattdessen nach links rausrücken und dort womöglich Draxler verdrängen? Oder bekommt Reus den Vorzug vor Özil? Löw kann wenig falsch machen. Er hat die Qual der Wahl. Wer konnte aber auch damit rechnen, dass Reus die WM-Generalprobe derart unbeschadet übersteht.

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