Marco Huck verliert gegen Alexander Powetkin:Wankende russische Bäume

Der Herausforderer ist enttäuscht: Marco Huck zeigte einen couragierten Auftritt gegen Alexander Powetkin und brachte den Favoriten an den Rand einer Niederlage - die Punktrichter entschieden letztlich anders. Doch genau betrachtet hatte der Abend nur Gewinner.

Jürgen Schmieder, Stuttgart

Alexander Powetkin sorgte auf der Pressekonferenz für schallendes Gelächter. Der russische Boxer erzählte mitnichten einen köstlichen Scherz, vielmehr sagte er: "Ich muss eines anmerken: Es gab keinen einzigen Schlag, der mich wirklich ins Wanken gebracht hat." Powetkin blickte bei seiner Aussage derart humorlos drein, dass er im Verdacht stand, sie tatsächlich zu glauben.

In Wirklichkeit hatte Powetkin beim Schwergewichtskampf um die Weltmeisterschaft der World Boxing Association (WBA) gegen Marco Huck so gewankt wie die russischen Bäume beim Tunguska-Ereignis: In der siebten Runde stand er auf äußerst wackligen Beinen, in der zwölften Runde wieder, nach dem Kampf musste er in die Ecke geführt werden, weil er erschöpft in der Ringmitte herumstand und nicht so recht wusste, wo er seinen wuchtigen Körper nun hinbewegen soll.

Nur: Er fiel nicht um, dieser Alexander Powetkin, er fiel noch nicht einmal hin. Und am Ende gewann er den Kampf sogar, zwei Punktrichter sahen ihn vorne (116:113, 116:112), einer wertete das intensive und spektakuläre Gefecht unentschieden. Der 32 Jahre alte Russe blieb damit auch im 24. Profikampf ungeschlagen, er hätte sich indes nicht beklagen dürfen, wenn in seiner Bilanz nun eine Niederlage vermerkt wäre.

Das lag zunächst einmal an Gegner Marco Huck, der bei seinem ersten Kampf im Schwergewicht eine couragierte und konzentrierte Leistung zeigte. Vor allem aber hatte ihn sein Trainer Ulli Wegner formidabel auf dieses Duell vorbereitet: Huck boxte nicht, was er bei seinen letzten Kämpfen im Cruisergewicht doch häufiger getan hatte, wie ein wilder Stier, vielmehr zog er sich geschickt zurück und schützte sein Gesicht mit einer Doppeldeckung. Dann sprang er immer wieder nach vorne und schlug erstaunlich präzise und variabel.

Enttäuschung über das Urteil

"Ich bin stolz auf meine Leistung", sagte der 27-jährige Huck nach dem Kampf, "man darf nicht vergessen: Ich habe keinen Aufbaukampf in der neuen Gewichtsklasse absolviert, sondern bin gleich gegen Powetkin angetreten. Der war Olympiasieger und Amateur-Weltmeister, nun hat er den Titel bei den Profis." Seine Enttäuschung über das Urteil konnte Huck indes nicht verbergen: "Der wird von mir nach Strich und Faden verhauen, kann am Ende kaum noch stehen und wird dann zum Sieger erklärt."

Dass der Kampf derart ausgeglichen verlief, lag freilich auch an Powetkin, der überaus eindimensional agierte. Monoton lief der Russe nach vorne und bearbeitete Hucks Körper mit wuchtigen Haken. Er landete damit zwar zahlreiche Treffer, die durchaus Wirkung zeigten bei seinem Kontrahenten - doch verhielt er sich damit genau so, wie Huck und Wegner es offensichtlich geplant hatten. Powetkin verausgabte sich am Körper und an der Deckung, und wenn er die Balance verlor, dann konterte Huck und setzte sogleich mit Haken und Aufwärtshaken nach.

Anschließend ließ sich der technisch versierte Boxer Powetkin auf einen wilden Schlagabtausch ein, worauf der schnellere Huck freilich nur gewartet hatte und bei dem der Russe eindeutig im Nachteil war.

Zufriedener Promoter

Eine zweite taktische Variante hatte Powetkin offensiv nur selten zu bieten, defensiv folgte er ohnehin einer einfachen Strategie: Wenn es gefährlich wurde, dann bewegte er seinen Oberkörper nicht elegant weg wie bei seinen letzten Auftritten, sondern duckte sich einfach weg. "Wir hatten Powetkin so kurz vor dem K.o. - und der Ringrichter hat ihn gerettet, weil er das Ducken nicht moniert hat."

Powetkin präsentierte sich nicht nur einfallslos, sondern schien in der Vorbereitung auch auf Ausdauertraining verzichtet zu haben. Von der fünften Runde an musste er komplett durch den Mund atmen, von da an wurden seine Aktionen langsamer, seine Deckung nachlässiger. "Vielleicht habe ich meinen Gegner unterschätzt", war die trockene Erklärung Powetkins, der ohnehin als noch weniger gesprächig gilt als Ivan Drago in "Rocky IV".

Erst in der elften Runde schien Powetkin begriffen zu haben, dass er diesen Kampf auch würde verlieren können. Er agierte zielstrebiger, brachte einige Wirkungstreffer an den Kopf von Huck - und ließ einen kräftigen linken Haken folgen. Huck zeigte sich tatsächlich beeindruckt, doch wie sein Gegner zuvor wollte er einfach nicht umfallen, sondern zeigte seine Nehmerqualitäten: Er hielt bis zum Ende durch und gewann die letzte Runde deutlich.

"Es war mir ein Vergnügen, diesen Kampf zu bestreiten", sagte Huck, "ich glaube, dass sich die meisten Zuschauer über ein Rematch freuen würden." Dieser Rückkampf wird jedoch nicht so einfach zustande kommen. Powetkin muss seinen Titel zunächst gegen Hasim Rahman verteidigen, danach dürfte er irgendwann auch Wladimir Klitschko - von der WBA als "Superchampion" geführt - zu einem Duell herausfordern.

Deshalb regte Promoter Kalle Sauerland an, dass Huck nach seiner zweiten Niederlage als Preisboxer zunächst wieder zurück ins Cruisergewicht wechselt, wo er immer noch Weltmeister des Verbandes WBO ist. Er solle dort Titelvereinigungen anstreben und "die Gewichtsklasse aufräumen. Er ist noch jung, für das Schwergewicht ist immer noch Zeit."

Es war kein boxerischer Leckerbissen, aber ein spannendes und sehenswertes Duell zweier Boxer auf Augenhöhe. "Ich glaube, dass wir den Zuschauern einen tollen Boxabend geboten haben", sagte Kalle Sauerland. Der Promoter darf sich tatsächlich freuen: Sein Schützling Alexander Powetkin bleibt ungeschlagener Weltmeister und Marco Huck, ebenfalls bei Sauerland unter Vertrag, hat sich mit seinem spektakulären Auftritt einen Namen gemacht in der Boxwelt. So gesehen gab es an diesem Abend tatsächlich keinen Verlierer.

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