Marcell Jansen in der Nationalmannschaft:Alte Liebe, neu entflammt

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"Eine sehr positive Geschischte": Marcell Jansen

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Marcell Jansens Karriere startete wie eine Rakete, doch vor zweieinhalb Jahren verlor er seinen Platz in der Nationalmannschaft. Nun ist er zurück und darf wohl auch bei der WM-Qualifikation gegen Irland spielen - weil er einen Ratschlag vom Bundestrainer befolgte.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Die Geschichte von Marcell Jansen und der Nationalmannschaft ist wie die einer Jugendliebe, die zwischenzeitlich erloschen war. Zweieinhalb Jahre waren die beiden getrennt, hatten wenig Kontakt, aber nun ist die Liebe neu entflammt. Neu entflammt - das gefällt Marcell Jansen: "Aber 'zwischenzeitlich erloschen' würde ich nicht unbedingt sagen."

Das Herz des Hamburger Linksverteidigers hat auch in den schwierigen Phasen seiner Karriere nie aufgehört, fürs Nationalteam zu schlagen. Bereits im März hatte er zurückkehren und anschließend die USA-Reise mitmachen dürfen. Das Länderspiel am Freitag gegen Irland soll bereits sein fünftes in diesem Jahr werden. Jansen will zur WM nach Brasilien, aber auf sein Comeback ist er schon jetzt stolz: "Nicht viele haben es nach zweieinhalb Jahren Pause geschafft zurückzukommen."

Seine leidgeprüfte Beziehung nennt Jansen trotz allem "eine sehr positive Geschischte". Er sagt "Geschischte", weil er nicht nur von seiner niederrheinischen Mundart her ein bisschen wie Rainer Bonhof klingt, sondern auch vom notariellen Duktus seiner Formulierungen. Jansen ist erst 27 Jahre alt, aber er klingt reifer, was auch daran liegen dürfte, dass er irgendwie schon ein ganzes Fußballerleben hinter sich hat. Sein Fußballerleben dauert bereits neun Jahre, und nun, hat man das Gefühl, beginnt ein neues.

Jahrelang als Flügelstürmer dahingeschleppt

Jansen erlebt nicht nur in der Nationalelf ein Comeback, sondern auch mit dem Hamburger SV unter dem neuen Trainer Bert van Marwijk. Jahrelang hat sich dieser HSV hingeschleppt unter wechselnden Trainern, die Jansen mangels Alternative von seiner Stamm-Position als Linksverteidiger nach vorne gezogen haben in die Rolle eines Flügelstürmers. Einen Flügelstürmer Jansen von einem kriselnden HSV aber hat der Bundestrainer nicht gebraucht. Zweieinhalb Jahre lang nicht.

Seit etwa einem Jahr darf Jansen beim HSV nun aber wieder hinten spielen, das passt auch Löw, gerade deshalb, weil der Dortmunder Marcel Schmelzer wegen eines Faserrisses im Oberschenkel für die Partien am Freitag gegen Irland sowie am Dienstag in Schweden ausfällt.

Schmelzer ist als Linksverteidiger eigentlich gesetzt, seit Philipp Lahm rechts verteidigt. Jansen befreit Löw mit seiner verbesserten Form aus dem Dilemma, dass es zu Schmelzer kaum eine Alternative gab. Jérôme Boateng, Dennis Aogo und Holger Badstuber hatten sich auf dieser Position versuchen dürfen, nun sagt Jansen von sich selbst, er sehe sich am liebsten als "offensiver Außenverteidiger". Und so einer wird jetzt gebraucht.

Urlaub oder Karriere

In einem Monat wird Jansen 28. Das ist richtig jung für einen, der schon Borussia Mönchengladbach und Bayern München hinter sich hat, seit einer gefühlten Ewigkeit (für die Statistiker: im sechsten Jahr!) beim HSV spielt und in der Nationalmannschaft gerade noch mal von vorn anfängt. Am 3. September 2005 hat er im Alter von 19 Jahren sein erstes Länderspiel absolviert. Trainer war Jürgen Klinsmann. Deutschland verlor in Bratislava 0:2 gegen die Slowakei. Die meisten von damals spielen heute nicht mehr: Jens Lehmann, Sebastian Deisler, Michael Ballack oder Bernd Schneider.

Beim Sommermärchen ein Jahr später war Jansen der jüngste Spieler im deutschen WM-Kader, und er war dies auch noch bei der EM 2008. Doch nach der WM 2010 war er weg. Die Karriere beim DFB schien beendet zu sein. "Wir haben damals einen Einbruch mit dem HSV erlebt", sagt Jansen, "aber dadurch, dass meine Profikarriere sehr früh los gegangen ist, sind die Ansprüche an mich auch schnell immer größer geworden."

Beim Versuch, allen Erwartungen gerecht zu werden, hat Jansen Verletzungen erlitten, die Fitness vernachlässigt und irgendwann Länderspiel um Länderspiel versäumt. Schließlich war er raus, die Beziehung kühlte ab. Zweieinhalb Jahre lang (3. September 2010 bis 26. März 2012) bestritt Jansen kein Länderspiel mehr.

Dabei war die Laufbahn doch wie ein Raketenabschuss losgegangen. 2004 und 2005 hatte sich Jansen in Mönchengladbach binnen weniger Monate vom A-Jugendkicker zum Bundesliga- und Nationalspieler gemausert. Der Niederländer Dick Advocaat hatte ihn in den Profikader befördert. Doch als die Rakete namens Jansen in der Umlaufbahn angekommen war, begann es zu rappeln. Jansen laborierte an vielem: Hüfte, Zeh, Syndesmoseband, Schulter, Achillessehne. Als seine Karriere in der Nationalmannschaft im September 2010 nach der EM-Qualifikationspartie gegen Belgien einen Bruch erlitt, hatte er 36 Länderspiele auf seinem Konto.

2011 sagte Joachim Löw: Für ein Comeback im Nationalteam müsse Jansen "etwas für die Fitness tun und eine Saison in Hamburg professionell durchziehen"; er müsse sich entscheiden, ob er im Sommer "vier Wochen Urlaub machen" oder "an seine Karriere denken will". Jansen wollte an die Karriere denken. Er kämpfte sich zurück und nennt die problematische Zeit heute "eine wertvolle Erfahrung". Er ist stolz darauf, es wieder geschafft zu haben. An diesem Freitag bestreitet er sein 41. Länderspiel. "Ich bleibe am Ball", sagt Marcell Jansen.

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