Süddeutsche Zeitung

Marcel Schmelzer beim BVB:"Kein Vorwurf an den Jungen"

  • Beim BVB fällt Kapitän Schmelzer nach einem schweren Foul vermutlich lange aus.
  • Der Freiburger Yoric Ravet wurde anschließend per Videobeweis vom Platz gestellt.
  • Das finden nicht alle Freiburger in Ordnung.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Die Freiburger Fans feierten den ersten Punkt im 13. Bundesligaspiel in Serie gegen den BVB ausgelassen. Man freut sich ja auch, wenn der Türsteher, der sonst immer nur arrogant lächelt, einmal milde gestimmt ist und einen in die angesagteste Disco am Ort lässt. Dortmunds Coach Peter Bosz hingegen bewertete den gnädigen Umgang seiner Elf mit dem optisch unterlegenen SC selbstkritisch, als er gefragt wurde, warum der BVB nicht an die brillante Serie von zuletzt 36:0 Punkten und 38:5 Toren gegen Freiburg anknüpfen konnte.

Was besonders erstaunlich war, weil der Abstiegskandidat (Freiburger Selbstwahrnehmung) nach dem ebenso kuriosen wie berechtigten Platzverweis gegen Yoric Ravet ab der 29. Minute in Unterzahl gewesen war. Und trotzdem blieb es beim 0:0. "Wenn man eine Stunde lang ein Mann mehr ist, muss man gewinnen", rügte Coach Bosz, dessen Team zuvor alle drei Pflichtspiele der Saison überzeugend gewonnen hatte und möglicherweise schon darauf aus war, vor dem Champions-League-Spiel bei Tottenham Hotspur (Mittwoch) mit den Kräften zu haushalten.

"Er versucht, mir den Ball abzunehmen, deswegen ist alles gut"

Das Dortmunder Problem an diesem Tag war jedoch: Von hohem Tempo war nichts zu sehen, nicht einmal von durchschnittlichem. Stattdessen schoben sich die BVB-Mittelfeldspieler so gemächlich die Bälle zu, dass die drei Offensiven stets im Windschatten der sich tapfer einigelnden Freiburger blieben. Uninspirierte Bälle aus dem Halbfeld blieben das Lieblings-Werkzeug der Gäste - und so manche Flanke blieb schon am ersten Freiburger, der im Weg stand, hängen.

Tatsächlich war der BVB über zwei Drittel der Partie mit einem Mann mehr auf dem Platz gewesen. Denn Schiedsrichter Benjamin Cortus nutzte nach einem Foul von Ravet an BVB-Kapitän Marcel Schmelzer die Behandlungspause, um sich den Zweikampf mit Videohilfe noch mal anzuschauen. Statt Gelb zeigte er dem Franzosen drei Minuten später die rote Karte - richtigerweise, auch angesichts der Folgen. Schmelzer knickte um und zog sich eine Verletzung am bereits im Sommer lädierten rechten Sprunggelenk zu, er fällt wochenlang aus. Umso bemerkenswerter, dass sich Schmelzer gegenüber dem Portal Der Westen versöhnlich gab: "Er versucht, mir den Ball abzunehmen, deswegen ist alles gut. Das Problem ist, dass ich dadurch wieder umgeknickt bin. Aber kein Vorwurf an den Jungen, er war auch schon in der Kabine und hat sich entschuldigt."

Für den BVB war die Ausgangslage danach also noch besser. Doch trotz 77 Prozent Ballbesitz folgte ein uninspirierter Zeitlupenfußball, der selbst einen dezimierten SC Freiburg nicht ernsthaft in die Bredouille brachte. Maximilian Philipp, der erst im Sommer vom SC für viel Geld nach Dortmund gewechselt war, vergab die einzige wirklich gute Chance der Borussen - abgesehen von einem Treffer, den die Dortmunder dann doch noch schossen, der aber nicht zählte: Nach einem Duell zwischen Florian Niederlechner und Sokratis blieb der Grieche liegen. Der Referee pfiff - derweil der BVB 30 Meter weiter das vermeintliche 1:0 durch Pierre-Emerick Aubameyang erzielte. Doch der vorausgegangene Pfiff des Referees war unumkehrbar, das Spiel war unterbrochen. Da die Gäste die Partie genauso träge zu Ende spielten, blieb es schließlich beim zweiten Freiburger Punkt im dritten Saisonspiel.

Wieder Kritik am Videobeweis

Die Debatte über die Sinnhaftigkeit des Videobeweises und die Frage, in welchen Situationen er angewandt werden sollte, wird auf alle Fälle weitergehen. Freiburg, dem im ersten Saisonspiel gegen Frankfurt (0:0) ein Tor wegen einer nachträglich erkannten Abseitsstellung aberkannt worden war, war nun bereits zum zweiten Mal betroffen. Trainer Christian Streich, der nach dem Rot für Ravet erbost applaudiert hatte, wollte sich dennoch nicht negativ zur Reform äußern: "Das muss sich noch einspielen, es gibt gute Gründe dafür, aber auch dagegen." Grundsätzlich sei aber "alles, was mehr Gerechtigkeit bringen soll, erst mal zu begrüßen".

Sein Verteidiger Christian Günter sah das anders: "Schiedsrichter und Spieler machen Fehler, die gehören dazu. Deshalb bin ich nicht wirklich Fan des Videobeweises." Die Fronten, die sich beim Videobeweis gebildet haben, gibt es offenbar auch in jedem Bundesliga-Team.

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SZ vom 11.09.2017/ebc
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