Als Johan Cruyff, damals Trainer beim FC Barcelona, seinen Torwart Andoni Zubizarreta anwies, bei eigenem Ballbesitz weit vor den eigenen Strafraum zu treten, um gegnerische Angriffe abzufangen oder anspielbar zu sein, beschlichen jenen Zweifel: "Was mache ich, wenn mir einer den Ball von der Mittellinie ins Tor haut?", fragte Zubizarreta. "Dann drehst du dich um und applaudierst", sagte der in diesem Frühjahr verstorbene Cruyff.
Ein solches Schicksal blieb Zubizarreta, damals ein Torwart alter Schule, aber überzeugter Cruyffist, erspart - nicht hingegen jenem Mann, den Zubizarreta in seiner späteren Rolle als Sportdirektor Barças bei Borussia Mönchengladbach entdeckte und 2014 in die katalanische Hauptstadt holte: Marc-André ter Stegen, 24. Vor gut einem Jahr legte ihm Bilbaos Mikel San José den Ball von der Mittelfeldlinie aus ins Netz - in San Mamés, der Fußball-Kathedrale der baskischen Industriemetropole.
"Ter Stegen zeigt Gesicht", lobt die katalanische Presse
Am Sonntagabend kehrte ter Stegen an ebendiesen Ort zurück, als frisch gekürte Nummer eins des FC Barcelona. In Bilbao machte er seine Sache als spielender Torwart Cruyff'scher Prägung nicht nur gut. Bei Barcelonas 1:0-Sieg sorgte er auch für einen Rekord: Er schlug 62 Pässe, von denen 51 beim Mitspieler landeten, mehr als jeder andere Keeper der spanischen Liga seit zehn Jahren - und am Sonntag auch mehr als Lionel Messi (51/38) und Torschütze Ivan Rakitic (60/50). "Er ist der beste Torwart mit den Füßen", lobte Linksverteidiger Jordi Alba. Und auch in den Medien las der deutsche Nationalkeeper viel Lob.
Als Torwart, der "starke Emotionen liebt", umschrieb ihn die Zeitung El Mundo Deportivo - unter anderem deshalb, weil ter Stegen nach einer schlechten Rückgabe von Verteidiger Samuel Umtiti den Ball Bilbaos Mittelfeldspieler Beñat in die Füße spielte. Ter Stegen wehrte Beñats Schuss danach mit dem Kopf ab. "Ter Stegen zeigt Gesicht", lobte die katalanische Sportpresse.
Ter Stegens Leistung war in doppelter Hinsicht bemerkenswert. Nach dem Verkauf seines bisherigen, klubinternen Torwart-Rivalen Claudio Bravo an Manchester City hat für ter Stegen eine neue Zeitrechnung begonnen, er ist nun erstmals seit seiner Verpflichtung 2014 der unumstrittene Stammtorwart Barças. Zudem war es sein erstes Spiel nach einer Knieverletzung. Der Pass-Rekord interessierte ihn nur am Rande: "Wichtig ist, dass wir zu Null gespielt haben", sagte ter Stegen.