Marc-André ter Stegen beim FC Barcelona:Blitzreflexe auf der großen Bühne

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Eine seiner vielen starken Paraden: Barcelonas Torhüter Marc-André ter Stegen kratzt den Ball von der Linie.

(Foto: AFP)
  • Torhüter Marc-André ter Stegen liefert beim 2:3 in München seinen bisher stärksten Auftritt im Barça-Trikot ab.
  • Lob erhält der frühere Gladbacher von Teamkollegen, Bastian Schweinsteiger und der spanischen Presse.
  • Bundestrainer Joachim Löw sieht ter Stegens Riesentaten live im Stadion.

Aus dem Stadion Jonas Beckenkamp

Wahrscheinlich war es Zufall, dass gerade in diesem Moment so viele Zuschauer auf die Stadionleinwand schauten, aber was sie sahen, sorgte für merkwürdige Geräusche. Ein tausendfaches "Oooh" und "Aaaah" schwappte durch die Münchner Fußball-Arena, dabei hatte die Stadionregie nur routinemäßig ein paar Höhepunke aus der ersten Hälfte abgespielt. Wenn Pause ist, vertreiben sich durstige Zuschauer gerne die Zeit am Bierstand, das Bussi-Bussi-Klientel auf der Haupttribüne knipst Selfies, und wer nichts zu tun hat, guckt halt Highlights.

Die fielen nach 45 Minuten zwischen biestig anrennenden Bayern und kühl konternden Katalanen ziemlich spektakulär aus. Was in der Fachsprache als "Raunen" bekannt ist, hatte größtenteils mit Marc-André ter Stegen zu tun, dem Torhüter des FC Barcelona. Der blonde Deutsche war der Protagonist des Halbzeitvideos - seine Paraden gegen Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger und vor allem Robert Lewandowski rangen dem Münchner Publikum hörbar Anerkennung ab. Es war, das lässt sich ohne Übertreibung sagen, sein bisher stärkster Auftritt als Barça-Profi.

Ohne den früheren Gladbacher hätten die Gäste durchaus drei oder vier Gegentore einstecken können, so stand es zur Pause 2:1 - für Barcelona. Ein besonders lautes "Oooh" seitens des Bayern-Anhangs rief die Szene gegen Lewandowski in der 40. Minute hervor: Nach einem Dribbling von Thiago landete der Ball beim Polen, seinen Schuss mit dem Vollspann lenkte ter Stegen mit einem Blitzreflex ab. Als die Kugel schließlich doch Richtung Linie kullerte, schnellte der deutsche Torwart plötzlich mit seiner Pranke heran und wischte sie gerade noch zur Seite - spektakulär.

Schweinsteiger lobt den früheren Gladbacher

Diese Großtat honorierte auch Schweinsteiger, der seinem DFB-Kumpel ein Einser-Zeugnis ausstellte: "Ich habe ihm direkt nach dem Spiel gratuliert, mit 23 auf so einem Niveau zu spielen", sagte der Münchner, "er hat unglaubliche Fähigkeiten, das hat er in dem Spiel bewiesen." Der Mann, der bei Barça nur in der Champions League und im spanischen Pokal ran darf - den Ligaalltag bewältigt Claudio Bravo -, bewahrte seinen Klub vor größeren Schwierigkeiten. Er darf nun als Nummer eins in das größte Spiel seiner jungen Karriere gehen: das Endspiel in Berlin.

"Ich bin froh, dass wir im Finale sind. Jetzt gilt es natürlich, auf den Pokal zu spielen", sagte ter Stegen. Dass er das 2:3 nicht verhindern konnte, wurmte ihn trotzdem. "Wir haben uns geärgert, dass wir hier verloren haben. Wir hätten das nicht aus der Hand geben müssen." Über sich selbst wollte der 23-Jährige gar zu viel sprechen: "Ich bin nach Barcelona gegangen, um größtmöglichen Erfolg zu haben. Jetzt haben wir die Möglichkeit dazu. Jetzt wollen wir es vollenden." Trotz Profisprech: Ter Stegen dürfte sich innerlich gewaltig gefreut haben. Denn dass er in wichtigen Partien das Barça-Gehäuse besetzt und so glänzen kann, das war in dieser Saison nicht immer abzusehen.

Ter Stegen überrascht sogar Messi

Sein Dilemma: klubinterne Machtspielchen, die zu seinem Nachteil ausfielen. Im Sommer hatte ihn der damalige Sportdirektor Andoni Zubizarreta als Nummer eins verpflichtet, doch dessen Rauswurf zu Jahresbeginn schwächte auch ter Stegens Position. In der Primera Division lautet seine Bilanz bisher: null Einsätze. Das führte zu einiger Enttäuschung. Im Pokal und in der Champions League dagegen lernte Spanien bereits den reaktionsschnellen, ruhegepolten ter Stegen kennen. Und Torhüter aus Alemania genießen dort nicht erst seit Manuel Neuer enorme Wertschätzung. "Er ist ein toller Torwart und hat mich gleich am ersten Tag sehr angenehm überrascht", schwärmte kürzlich Lionel Messi.

Lob erhält der Deutsche also auch aus elitären Sphären. Der Argentinier räumte nach seiner ersten Begegnung mit dem Keeper aber auch ein: "Ich kannte ihn überhaupt nicht." Mönchengladbach ist für einen wie Messi dann doch eher Tierra incognita. Mittlerweile hat ter Stegen in Spanien seine Spuren hinterlassen und kann sich über Elogen in der Presse freuen. "Ter Stegen besteht in seiner Heimat die Doktorprüfung", schrieb am Tag nach dem Finaleinzug voller Anerkennung das Madrider Sportblatt Marca. Sein Auftritt in München sei eine "Meisterleistung" gewesen, kommentierte die Zeitung El Periodico. Bei Mundo Deportivo, dem Hausblatt Barças, war sogar von einer "fabulösen" Vorstellung des "Supertorwarts" zu lesen.

Dass sein Konkurrent Bravo schon 32 ist, verschafft dem gebürtigen Niederrheiner passable Aussichten, bald die richtige Nummer eins in Barcelona zu werden. Und einen Stammkeeper bei Barça kann auch Joachim Löw gut gebrauchen: als Nummer zwei hinter Neuer mit Perspektive auf dessen Nachfolge in einigen Jahren. Der Bundestrainer verfolgte ter Stegens Hechtsprünge übrigens live im Stadion - vielleicht sogar mit einem "Oooh" beim Blick auf die Videoleinwand.

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