Der Minutenmarathon, das Laufprojekt der SZ, geht in seine zweite Runde. Innerhalb von acht Wochen sollen Einsteiger, Gelegenheitsläufer und Trainierte einen Lauf in 42,195 Minuten absolvieren können und dabei individuelle Streckenlängen zurücklegen. Die Trainingspläne dafür gibt es im Newsletter Minutenmarathon ( hier geht es zur Anmeldung). Katrin Dörre-Heinig, Marathon-Bundestrainierin, hat die Pläne geprüft - und für gut befunden und spricht hier außerdem über Motivationstricks, den aktuellen Laufboom und die Schattenseiten für Profi-Läufer.
SZ: Im Breitensport erfährt das Laufen in diesen Corona-Zeiten einen regelrechten Boom, für Profi-Läufer ist diese Zeit gerade alles andere als gut. Wettkämpfe werden abgesagt, die Trainingsstruktur und häufig auch die Finanzierung stehen auf dem Spiel...
Katrin Dörre-Heinig: Es ist furchtbar. Wir bereiten für den Herbst einen Marathon und einen halben vor, aber wir wissen nicht, ob und wo das alles stattfinden kann. Ich bewundere, wie die Sportler trotzdem dranbleiben. Ich glaube schon, dass die Motivation einbricht, wenn die Ansage kommt, Olympia findet nicht statt. Aber daran denken wir gerade nicht.
Warum sind Wettkämpfe so wichtig?
Wir trainieren sehr hart und machen auch virtuelle Läufe als Challenge. Aber das ersetzt für uns in keiner Weise den Wettkampf und die Herausforderung, andere neben sich zu sehen. Dazu kommt, dass für Profis die offizielle Zeitnahme fehlt. Selbst wenn man eine gute Zeit läuft, wird die dann nicht anerkannt. Und man darf nicht vergessen: Die meisten Läuferinnen und Läufer finanzieren über die Wettkämpfe ihre Trainingslager und das fällt alles weg. Die finanzielle Situation ist schon sehr schwer gerade.
Menschen, die nicht Profi-Sportler sind, finden in dieser Corona-Zeit einen Ausgleich im Laufen. Geht Ihnen das auch so, Laufen ist ja quasi Ihr Beruf?
Laufen ist für mich auch Ausgleich geworden. Ich habe das mein Leben lang gemacht und ich werde das sicher auch mein Leben lang beibehalten. Das ist Teil meines Lebens und hilft mir auch.
Welchen Tipp haben Sie, wenn man das Laufen zum Teil des eigenen Lebens machen will?
Viele denken, ich bin nur Leistungssportlerin oder Bundestrainerin. Aber ich mache auch oft Projekte mit Breitensportlern und Kindern, Laufen ist ja für alle da. Und der erste Tipp, den ich Anfängern gebe, ist: Gehen Sie zum Arzt. Man muss abklären, dass man gesund ist und laufen kann. Ein ärztlicher Check sollte Bedingung sein.
Wenn man den Check hinter sich hat: Wie findet man dann ins Laufen rein?
Man sollte sich mit jemandem verabreden. Dann hat man schon mal einen Zwang, dass man hingehen muss - weil der andere ja wartet. Der denkt vielleicht genau so, aber das erfährt man meist ja nicht. Und zusammen gelingt der Einstieg oft leichter. Also mein Tipp: Laufen Sie zusammen.
Und um dran zu bleiben?
Ein guter Trick ist, flexibel zu bleiben. Sie können - gerade bei der Wärme im Sommer - auch mal eine Laufeinheit durch Radfahren oder Schwimmen ersetzen. Das ist auch schön und macht auch Spaß - und ist zum Einstieg nicht so gravierend anstrengend wie das Laufen. Denn Laufen ist schon die intensivste Trainingsmethode, die man wählen kann. Deshalb muss man wissen: Für jemanden, der wirklich bei null anfängt, ist drei Mal die Woche "Laufen gehen" sehr viel.
Gerade bei der Hitze im Hochsommer...
Ja, das kann man nicht außer Acht lassen. Ich selber gehe bei dem Wetter immer sehr früh laufen. Da ist es nicht so heiß und immer noch eher machbar als tagsüber, wenn die Temperaturen steigen.
Essen Sie vorher?
Ich bin rigoros gegen Nüchternläufe. Ich halte das für totalen Schwachsinn, auf diese Weise den Fettstoffwechsel anzukurbeln. Wer das will, soll halt länger trainieren. Also: Vor dem Lauf auf jeden Fall eine Kleinigkeit essen und trinken.
Die wichtigsten Begriffe zum Laufen:Das Lauf-ABC
Wer mit dem Laufsport beginnen will, sollte einige Grundbegriffe kennen - eine Übersicht.
Wie halten Sie es sonst mit der Ernährung und dem Laufen?
Es sollte schon etwas Leichtverdauliches sein. Sollten beim Wettkampf Probleme auftreten, kann es nur daran liegen, dass man zu kurz vor dem Lauf oder etwas Falsches gegessen hat. Normalerweise geht man vor einem Marathon so oft auf die Toilette, dass man sich fragt, wo kommt das alles her? Wenn man im Lauf auf die Toilette muss, hat man meist Magenprobleme oder irgendwas anderes stimmt nicht. Das ist dann Pech für den Läufer.
Wie finden Sie es als Marathonbundestrainerin, dass wir uns den Begriff Marathon ausleihen?
Ich finde die Idee und auch das Konzept vom Minutenmarathon sehr gut. Das ist für Einsteiger ein gutes Projekt, um mit dem Laufen zu beginnen. Ich glaube, wer körperlich gesund ist und dranbleibt, kann das in acht Wochen schaffen. Das ist eine Willens- und Motivationsfrage.
Sie haben unseren Trainingsplan angeschaut und auch etwas optimiert.
Ich habe die Pläne insgesamt etwas langsamer gemacht. Sie hatten in allen drei Plänen jeweils eine Woche vor dem Lauf einen Probelauf eingeplant. Das finde ich zu kurzfristig. Die Idee eines Probelaufs finde ich richtig, das gibt Sicherheit, aber eine Woche vor dem Virtual Run ist zu knapp. Ich würde schon in der sechsten Woche den Probelauf machen und in der siebten Trainingswoche eher runterfahren. In der Theorie ist es zwar schön, sich eine Steigerung von Woche zu Woche vorzunehmen, aber meist sagt der Körper: "Jetzt brauche ich mal eine Pause."
Also mehr auf die Erholung achten?
Unbedingt. Man muss dem Körper Ruhe gönnen, damit das Training auch wirken kann. In der vierten Woche würde ich deshalb etwas zurückschrauben, Ihr Trainingplan ist da etwas zu aktiv. Wichtig ist, dass man dem Körper Erholung gönnt, ohne intensiv zu werden. Das kann zum Beispiel bedeuten, nur zwei Mal die Woche zu laufen und eine Alternativsportart wie Schwimmen oder Radfahren einzubauen.
Lauf-Newsletter:Vergessen Sie das Laufen!
Warum gibt es den Minutenmarathon der SZ? Und weshalb sollten Sie sich dafür interessieren?
Das gilt nicht nur für die Einsteiger, sondern auch für ambitionierte Läuferinnen und Läufer.
Pausen sind für alle wichtig. Aber das wird einem häufig nicht geglaubt. Viele ambitionierte Freizeitsportler laufen viel zu schnell und schätzen die langsamen Phasen nicht richtig. Das ist ein wichtiger Lernprozess im Training: Dass man lernt, Pausen zu machen und langsam zu laufen. Man nennt das Superkompensation. Das bedeutet, dass man ein Training wirken lassen sollte und so lange wartet, bis man sich erholt fühlt oder bis bestimmte Werte wieder auf Erholung zeigen. Erst dann baut man auf einem höheren Niveau darauf auf.
Würden Sie Einsteigern raten, Werte zu messen?
In der ersten Gruppe würde ich mich gar nicht mit Werten ablenken. So wie Sie es geschrieben haben: "Laufen Sie so, dass Sie sich noch unterhalten können" Davon sollte man sich zu Beginn nicht mit Werten ablenken. Und wenn Sie eine Pulsuhr haben, sollte man auch seine Ruhewerte kennen und in etwa wissen, wie man bei bestimmten Geschwindigkeiten vom Puls her reagiert. Und so finden Sie dann Ihr Wohlfühltempo.
Viele glauben, Sie müssten sich groß ausstatten zum Start. Wie sehen Sie das?
Der Läufer braucht erstmal nicht mehr als einen guten Schuh. Die anderen Dinge kann man später angehen. Ein guter Schuh ist aber wichtig. Da gibt es in vielen Laufshops die Möglichkeit, eine Laufband-Analyse zu machen. Denn manche laufen total außen oder total innen und da ist es schon gut, wenn sie eine Verstärkung innen oder außen im Schuh erfahren. Da sollte man schon drauf achten.
Bei der Besprechung der Trainingspläne haben Sie auch Steigerungen empfohlen.
Ja, vor allem für die Fünf-Meilen-Challenge und den Viertelmarathon bietet sich das an: am Ende eines Laufs einmal in der Woche Steigerungen für zwei oder drei Minuten anzuhängen. Dabei empfehle ich, zwanzig oder dreißig Meter schneller zu treten, aber auf keinen Fall 100 Prozent Tempo zu machen, sondern ein bisschen schneller als man den Wettkampf laufen will. Für jeweils maximal 100 Meter. So kommt man aus dem Trott raus und setzt am Ende von der Einheit nochmal einen Trainingsreiz.
Zum Abschluss eine Frage, die ganz häufig kommt: Was tun bei Seitenstechen? Haben Sie als Marathonbundestrainerin da einen Trick?
Mir persönlich hilft dabei immer, beim Laufen so lange wie möglich ausatmen und die Luft anhalten bis nichts mehr geht. Und dann kommt immer irgendwann der Moment, wo der Körper wieder Luft braucht und beim Einatmen verschwinden das Seitenstechen. Das hat mir immer geholfen.