Michael Arend ist Lauf- und Ausdauertrainer und Teil des populären Podcasts "Fat Boys Run". Er hat die Trainingspläne der SZ für den ersten Minutenmarathon unter die Lupe genommen und gibt in diesem Gespräch konkrete Tipps für Anfänger, Fortgeschrittene und Laufprofis, wie sie die Trainingspläne im Newsletter ( hier als PDF-Download) noch erweitern können.
SZ: Du hast dir die Trainingspläne für den Minutenmarathon angeschaut. Fangen wir mal ganz banal an: Was hältst du von einer Trainingszeit von acht Wochen?
Michael Arend: Das kann man so pauschal immer ganz schwer sagen. Man holt die Leute ja bei völlig unterschiedlichen Punkten ab, da ist es wirklich nicht so leicht eine Antwort zu geben. Wenn Du jemanden hast, der wirklich hartes Übergewicht hat und der "20 Minuten langsamer Lauf" nicht mal im Lauf-Geh-Wechsel hinkriegt, dann ist es echt schwer zu sagen, ob so jemand es in acht Wochen schafft, 40 Minuten durchzulaufen. Dann hast du Leute mit Vorerkrankungen oder solche, die jede zweite Einheit ausfallen lassen, weil ihnen was dazwischenkommt - dann sind auch 16 Wochen sehr schwer hinzubekommen. Aber grundsätzlich gilt: In acht Wochen kann man schon sehr viel erreichen.
Auch bei den Fortgeschrittenen und Profis?
Auch da kommt es natürlich immer darauf an, wo die starten. Aber auch bei denen ist eine Steigerung von fünf Prozent des Tempos in acht Wochen durchaus machbar. Man muss aber immer bedenken: Das ist sehr individuell. Aber acht Wochen ist bei allen deshalb sinnvoll, weil sie absehbar sind. Vielleicht gibt es welche, bei denen 16 Wochen besser wären, aber das ist für viele zu lang, die brechen dann ab. Deshalb halte ich es gerade bei Anfängern für sinnvoll, zwei Monate zu wählen. Das kann man überblicken, das ist eine gute Zielentfernung.
Was ist dein Tipp für den Laufeinstieg?
Nicht zu viel den Kopf einschalten. Es wird sehr viel überdacht am Anfang. Das sind so Gedanken wie "Oh mein Gott, was denkt der jetzt über mich, weil ich gerade nur gehe?" Oder: "Die fette Tonne, was macht die?" Das gleiche gilt fürs Warmlaufen, für Klamotten, für Aussehen. "Bin ich zu schnell oder bin ich zu langsam?" Gerade am Anfang: Wenn man versucht Spaß zu haben, macht man schon 90 Prozent richtig. Dann läuft man schon mal nicht zu schnell, man läuft erstmal locker und man läuft überhaupt. Wenn man sich zu viele Gedanken macht, beginnt man zu verkrampfen. Man merkt dann auch nicht, wie toll das Laufen an sich ist.
Soll man Bücher lesen am Anfang?
Erstmal nicht. Sonst versucht man krampfhaft umzusetzen, was man gelesen hat. Sei es Schrittfrequenz, sei es Technik, sei es sonst irgendwas. Es ist viel besser, erst einmal bei sich zu bleiben. Wenn ich merke, ich bin aus der Puste, dann gehe ich halt einfach und genieße die Natur. Und laufe dann ein Stück weiter. Das ist sportmedizinisch jetzt nicht das höchste der Gefühle, aber als Anfänger musst du erstmal mit dir im Reinen sein und ein Gleichgewicht aufbauen. Das ist wichtiger als direkt am Anfang am Fußaufsatz oder an der Armhaltung zu arbeiten.
Und wenn man dann losläuft?
Man kann davon ausgehen, dass beim Minutenmarathon viele Schreibtischtäter dabei sind. Also Leute, die nach der Arbeit laufen und das vielleicht auch noch nicht seit Jahren machen. Ich bin normalerweise kein Freund von Dehnen und großartigem Warmmachen vor dem Laufen, aber in dem Fall ist es gut, eine kleine Warm-Up-Routine einzubauen: einfach ein wenig nach vorne beugen, nach hinten beugen, die Beine ein bisschen ausschwingen. Die meisten haben vermutlich eh keine hohe Beweglichkeit und wenn die dann mit verkürzten Muskeln in den Lauf reingehen, ist das nicht perfekt. Deshalb versuchen, ein bisschen dynamisch reinzukommen: fünf Minuten eingehen, dann ein bisschen Hüftkreisen, strecken, in die Knie gehen und dann loslaufen.
Dreimal die Woche Laufen ist okay?
Das ist für den Minutenmarathon schon richtig, was Ihr da plant. Da würde ich nur grundsätzlich empfehlen, zwischen den Läufen zusätzliche Übungen zu ergänzen. Man kann zum Beispiel sechs bis acht Stunden nach einem Lauf Seilspringen ergänzen, das kann sehr hilfreich sein. Da reichen schon 2-3 Minuten, um einen Reiz auf die Sehnen und Knochen auszuüben, der vergleichbar mit einem normalen Lauf ist und gerade diese Strukturen hängen in den ersten Jahren immer hinterher. Oder zur Stabilität der Beine sich vornehmen, immer auf einem Bein zu stehen, wenn man Zähne putzt. Und so grundsätzliche Fitness-Dinge, wie mit dem Rad zur Arbeit zu fahren oder die Treppe zu nehmen und nicht den Aufzug.
Wie wichtig ist der Puls gerade bei den Anfängern?
Gar nicht. Am besten geht man hier nur nach Gefühl. Es gibt eigentlich nur zwei Trainingsbereiche: Anstrengend und nicht anstrengend. Bei den Fortgeschrittenen und Profis kann man schon mit dem Puls arbeiten, um richtige Trainingsreize setzen und vor allem nicht zu schnell zu laufen. Bei Anfängern sollte die Dynamik nicht über Tempoläufe sondern zum Beispiel über kurze Steigerungsläufe am Ende des langsamen Laufes erreicht werden. Eine Übung, die bei mir auch die Profis machen.
Wie findest Du die Verteilung der Einheiten?
Ich finde eine intensive Einheit in der Woche reicht völlig aus. Egal, ob jetzt Profi oder Fortgeschrittener: Grundätzlich geht man immer von einer idealen Verteilung von 70-10-20 aus, wenn man keine anderen Informationen hat. Also 70 Prozent Grundlagenausdauer, 10 Prozent Tempoläufe und 20 Prozent Intervalle und sehr intensive Tempo-Einheiten. Deshalb würde ich bei dem Minutenmarathon-Plan die Tempodauerläufe intensiver machen und dafür etwas kürzer. 45 Minuten sind da schon sehr ambitioniert. Da würde ich eher so 20 Minuten Tempodauerläufe machen und die vielleicht etwas langsamer. Der Reiz, 20 Minuten an der Laktatschwelle zu laufen, ist eigentlich ausreichend.
Und die lange Einheit?
75 Minuten sind okay, aber wem das zu viel ist, der kann hier auch etwas reduzieren. Und bei der Grundlagenausdauer kann man ganz am Ende noch ein paar Sprints einbauen. Dadurch kriegt man eine hohe Dynamik und spricht Muskelstränge an, die sonst nicht angesprochen werden. Das kann man sich wie die kleinen Ritzel beim Fahrrad vorstellen: Wenn wir nur die langsamen langen Strecken trainieren, werden nur die großen Ritzel angesprochen. Wenn wir aber auch mal kurz sprinten, bekommen auch die anderen Muskel Reize.
Was braucht man für den Einstieg als Ausstattung?
Die Schuhe müssen passen. Das hört sich trivial an. Aber ich selber habe sehr viele und sehr unterschiedliche Schuhe. Und es gibt nicht den einen Schuh, der alles abdeckt. Jeder Schuh ist kacke, wenn er drückt oder einem nicht gefällt. Deshalb: Man muss einen Schuh haben, den man gerne mag. Denn wir sprechen jetzt von drei Stunden, den man den Schuh in der Woche trägt. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich damit eine Verletzung reinläuft, ist eher gering. Es ist definitiv sinnvoll, den Schuh im Fachgeschäft zu kaufen. Alleine wegen der Größenfindung. Viele Schuhe werden deutlich zu klein gekauft. Es muss vorne ein Daumen Platz sein. Und ich empfehle immer, egal ob Anfänger oder Fortgeschrittene: keine zu schweren Schuhe. Wir reden ja hier nicht von einem Ultra-Lauf, sondern von einem Minutenmarathon, da sollte man nicht über 300 oder 320 Gramm kommen ( Anmerkung der Redaktion: bei der Herstellerangabe für Größe 42).
Gilt das auch langfristig?
Wenn der Schuh passt, nicht zu schwer ist und man darin gerne läuft, wird so ein Schuh gute Dienste leisten. Und wenn man dann dabeibleibt, kann man schauen, dass man sich ein anderes Paar Schuhe sucht, das vielleicht ein wenig weicher oder stabiler ist. Aber da ist jeder sehr individuell. Deshalb sagen wir unseren Athleten immer: Der muss in erster Linie passen, man muss ihn gerne tragen.
Und sonst: altes Baumwoll-T-Shirt besser nicht anziehen?
Doch. Das wird überbewertet. Wir arbeiten ja viel mit Datenanalyse, deshalb könnte ich da jetzt noch zwei Stunden drüber sprechen, was es da alles gibt und wie toll moderne Technik ist. Aber auch ich laufe manchmal im Baumwoll-Shirt. Wenn man im Alpinen über Stunden unterwegs ist, ist die richtige Ausrüstung wichtig, aber bei einem Minutenmarathon von 42 Minuten tun es auch die Baumwollsocken.
Wie wichtig ist eine Uhr?
Wenn man nach Pace läuft, hilft eine Uhr, die das auch messen kann. Ich trainiere aber auch viele Läufer nach Gefühl, also nach der Frage: "Wie fühlt sich der Lauf gerade an, auf einer Zehner-Skala?" Das mache ich vor allem mit denjenigen, die sich zu sehr auf die Uhr konzentrieren, sich davon ablenken lassen und nicht mehr die Freude am Laufen haben und nicht mehr auf ihren Körper hören: Die kriegen die Uhr und dürfen die mittragen - auch weil ich am Ende die Daten brauche als Trainer - aber die Uhr muss in der Tasche bleiben, damit sie nicht ständig drauf schauen.
Das schließt den Kreis zum Anfang. Der Rat lautet: Man soll sich in erster Linie gut fühlen.
Ja, der Sport soll ja Spaß machen. Ich weiß, dass das nicht immer ganz leicht ist und mir macht es auch nicht jeden Tag Spaß, Sport zu machen. Aber Laufen ist immer noch die Beschäftigung mit sich selbst und da sollte man nicht so viel dazwischen kommen lassen. Wenn man mit sich selbst glücklich ist, hat man eine gute Voraussetzung, um sich zu verbessern.