Marathon in New York:Im gelobten Läufer-Land

Runners cross the Verrazano-Narrows Bridge during the New York City Marathon in New York

Rund 50 000 Läufer werden auch diesmal wieder die Verrazano-Brücke beim New-York-Marathon überqueren.

(Foto: Lucas Jackson/Reuters)

Heftige Anstiege, Hochhausschluchten, eine Million Zuschauer: Der New-York-Marathon übt eine eigenwillige Faszination auf die Läufer aus. Bei den Profis irritiert im Vorfeld ein Dopingfall.

Von Johannes Knuth

Die Angelegenheit ist ziemlich verrückt, das ist der Tennisspielerin Caroline Wozniacki durchaus bewusst, aber für eine Absage ist es jetzt leider zu spät. Wozniacki hat sich für den New-York-Marathon an diesem Sonntag angemeldet. Sie muss 42,195 Kilometer zurücklegen, am Stück natürlich, und jeden Tag wächst bei der 24 Jahre alten Dänin die Erkenntnis, dass diese Herausforderung auch für eine in zahlreichen Grand-Slam-Matches gestählte Tennisspielerin mächtig ist.

Eigentlich hatte sich Wozniacki für den Spätherbst eine Hochzeit mit Golfer Rory McIllroy vorgenommen, doch der Ire löste die Beziehung vor kurzem auf. Seitdem hat Wozniacki Zeit für andere Abenteuer, zum Beispiel für den Marathon am Wochenende. Sie wolle vor allem das Ziel erreichen, richtete sie aus, die Form der Fortbewegung sei dabei sekundär: "Zur Not", sagte Wozniacki, "krieche ich ins Ziel".

Es ist eine sehr eigenwillige, aber fesselnde Faszination, die der New-York-Marathon auf seine Teilnehmer ausübt. New York ist so etwas wie das gelobte Land der noch immer wachsenden Marathon-Gemeinde. Dabei gilt die Schleife durch die fünf Stadteile, durch Staten Island, Brooklyn, Queens, Manhattan sowie durch die Bronx, in der Szene als eine der fiesesten Marathonstrecken der Welt. Die Steigungen sind giftig, der Asphalt ist uneben, geformt vom New Yorker Verkehr.

Und die Versuchungen sind groß. Wenn die Läufer nach rund 26 Kilometern auf die First Avenue einbiegen, brüllt sie die Menge nach vorne, viele Läufer lassen sich dann anstecken, sie laufen schneller, zu schnell. Hier ringt jeder Läufer mit der Metropole selbst, nicht mit persönlichen Bestzeiten oder Rekorden. Jeder Marathon ist ja immer eine Expedition ins Ungewisse, für Könner wie Anfänger, aber in New York ist die Ungewissheit noch einmal eine Spur größer. Dieses Erlebnis bietet kaum eine andere Strecke.

Entsprechend groß ist der Andrang. Die Organisatoren präsentieren schon jetzt wieder stolze Zahlen, sie erwarten mehr als 50 000 Teilnehmer, dazu rund eine Millionen Zuschauer an der Strecke. Die Startplätze sind begehrt, die Qualifikationsnormen hoch, ein 34 Jahre alter Läufer sollte beispielsweise eine Bestzeit von 2:55 Stunden im Curriculum Vitae stehen haben. Alle anderen Interessenten müssen Startpakete über Reiseveranstalter buchen oder auf Glück im Losverfahren hoffen.

500 000 Dollar und eine Dopingaffäre

Auch das Feld der Profis ist exquisit besetzt. Bei den Männern streiten sich die Kenianer Wilson Kipsang und Geoffrey Mutai um den Sieg, flankiert von einem breiten Feld an starken Nebendarstellern. Kipsang macht die besseren Vorleistungen für sich geltend, aber Mutai kennt sich aus auf dem kniffeligen Parcours, er hat zuletzt 2011 und 2013 gewonnen; 2012 hatte Hurricane "Sandy" die Ostküste so sehr verwüstet, dass niemand daran dachte, einen Marathon zu laufen. Auch das Feld der Frauen ist potent besetzt, angeführt von den Kenianerinnen Edna Kiplagat und Mary Keitany.

Für die Amerikaner ist allerdings Mebrahtom "Meb" Keflezighi der Hingucker. Der 39-Jährige Amerikaner eritreischer Herkunft rannte im April völlig überraschend den favorisierten Afrikanern beim Marathon in Boston davon. Er gewann das Rennen, als erster Amerikaner seit 1983, ausgerechnet dieses Rennen, die erste Auflage nach den Bombenanschlägen im Jahr zuvor. "Amerikas gefährlichster Außenseiter" tönt das Wall Street Journal nun mit Blick auf das Rennen am Sonntag. Ein amerikanischer Sieg in New York, das kommt nicht so häufig vor. Zuletzt gelang das Keflezighi selbst, im Jahr 2009. Aber diesmal ist das Elitefeld gewarnt, Keflezighi wird vermutlich unter den besten Zehn einlaufen, mehr nicht.

Jeptoo angeblich positiv getestet

Neben aller mythischer Verklärung und Gefühligkeit gibt es für die Besten noch einen kleinen monetären Anreiz: In New York enden die World Marathon Majors (WWM), eine zwei Jahre währende Marathonserie. Die Serie umfasst sechs Stadtmarathons, für jedes Rennen verteilen die Veranstalter Punkte. Die Läuferin sowie der Läufer mit den meisten Zählern nach zwei Jahren kassiert je 500 000 US-Dollar. Bei den Männern kann Kipsang mit einem Sieg in New York noch Dennis Kimetto abfangen, der frisch zertifizierte Weltrekordhalter von Berlin hat seine Marathonsaison beendet.

Auch bei den Frauen ist das Rennen noch nicht entschieden, allerdings nicht aus sportlichen Gründen: Die Kenianerin Rita Jeptoo, seit Jahren Branchenführerin im Frauen-Marathon und in der WWM-Wertung bereits uneinholbar enteilt, ist kurz vor ihrem Sieg Ende September in Chicago im Training positiv getestet worden, berichtete das gut vernetzte amerikanische Laufportal RunBlogRun am Freitag. Ihr Agent Federico Rosa bestätigte die positive A-Probe, die Öffnung der B-Probe stehe noch aus. Der Leichtathletik-Weltverband hüllt sich derzeit in Schweigen, der kenianische Verband erklärte, man sei "enttäuscht, mitzuteilen, dass man eine IAAF-Nachricht erhalten" habe. Die Affäre, die sich da am Horizont zusammenbraut, hat den Marathon bereits jetzt erfasst: Die WWM-Offiziellen haben die für Sonntag eingeplante Siegerehrung, bei der Jeptoo ihre Prämie entgegennehmen sollte, abgesagt.

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