Zum Tod von Diego Maradona:Kunst, Spektakel und Tragik

Keiner vermochte es, Fußball zu spielen wie er: Diego Maradona war einer der größten Sportler der Geschichte und wurde nicht nur in seiner Heimat Argentinien angebetet. Sein Leben in Bildern.

Von Jonas Beckenkamp

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Quelle: AFP

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Diego Armando Maradona, der vielleicht berühmteste Fußballer der Welt, ist tot. Der Argentinier starb am Mittwoch nach einem Herzinfarkt - wenige Wochen nach seinem 60. Geburtstag. Die Welt trauert, sein Heimatland ruft eine dreitägige Staatstrauer aus. Ein Rückblick auf ein bewegtes Leben.

Diego Maradona

Quelle: imago sportfotodienst

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"El dios de futbol" - der Gott des Fußballs sollte er einmal genannt werden. Diego Armando Maradona, geboren 1960 in Villa Fiorito, einer Elendssiedlung im Großraum Buenos Aires südlich der eigentlichen Stadt, als Sohn eines italo-kroatischen Vaters und einer von indianischen Ureinwohnern abstammenden Mutter. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf und wird Ende der siebziger Jahre Profi - als Spieler der Argentinos Juniors trifft er prompt in einem Holzboot auf Karl-Heinz Rummenigge.

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Beim Traditionsverein Boca Juniors Buenos Aires wird Diego Maradona rasch zum umjubelten Helden - für umgerechnet drei Millionen Mark hatte der Verein den kleinen Diego verpflichtet. Im Nationalteam klappt es zu Beginn seiner Karriere noch nicht so recht: Trotz großer Proteste der Fans nominiert ihn Trainer Cesar Luis Menotti nicht für die Heim-WM 1978, weil er Maradona für zu jung hält. Anschließend wird der Mittelfeldspieler drei Mal zum Fußballer des Jahres in Argentinien gewählt - seine erste Meisterschaft feiert er mit Boca im Jahr 1982 (Bild).

Schiedsrichter Mario Rubio Vazquez, Diego Armando Maradona, Osvaldo Ardiles, Eder

Quelle: imago sportfotodienst gmbh

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Schon immer allein gegen alle: Maradona gilt schon damals als kaum zu zähmender Heißsporn - aber auch als überragender Techniker. Als er endlich auch in der albiceleste sein riesiges Potenzial zeigen soll, verliert er bei der WM 1982 im Spiel gegen Brasilien die Nerven und sieht nach einem üblen Tritt die Rote Karte.

Diego Armando Maradona und Trainer Udo Lattek

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Der FC Barcelona kauft ihn trotzdem: Längst ist der "Goldjunge" einer der besten Spieler der Welt. So macht der kleine Wuschelkopf auch die Bekanntschaft eines gewissen Udo Lattek (re.), damals Trainer der Katalanen. Maradona dribbelt so manchem spanischen Verteidiger Knoten in die Beine und schießt 22 Tore in 36 Spielen - doch so richtig glücklich wird er nicht: Verletzungen und Undiszipliniertheiten prägen seinen Weg. Nachdem ihm Bilbaos Verteidiger Andoni Goikoetxea mit einem üblen Foul das Bein bricht, revanchiert sich der Argentinier beim nächsten Treffen mit den Basken und zettelt vor den Augen des spanischen Königs eine Massenrauferei auf dem Feld an.

Diego Maradona

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1984 wechselt Maradona für die damalige Rekordsumme von etwa zwölf Millionen Euro zum SSC Neapel. Er führt den Verein zu den bisher einzigen beiden Meisterschaften in Italien und zum Sieg im Uefa-Cup. Von den Anhängern in Neapel erfährt Maradona bis heute mystische Bewunderung - auch hier trifft er wieder einen Deutschen: Hans-Peter Briegel (hier im Trikot von Hellas Verona).

Diego Maradona

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Seinen größten Auftritt im Nationalteam hat der pfeilschnelle Spielmacher bei der WM 1986 in Mexiko. Als Kapitän führt er sein Land zum Titel, den die Argentinier durch ein 3:2 im Finale gegen Deutschland holen. Unvergessen bleiben Maradonas Tore im Viertelfinale gegen England: Erst patschte er eine weite Flanke mit der "Hand Gottes" über den herausgestürmten Peter Shilton (Bild), dann umdribbelte er die halbe englische Mannschaft zu seinem "Tor des Jahrhunderts". Wo Maradona ist, ist Spektakel, ist Magie - und auch eine gehörige Portion Schlitzohrigkeit.

Diego Armando Maradona und Klaus Augenthaler

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Und wieder ein deutscher Gegner - 1989 trifft Maradona mit Napoli im Uefa-Cup-Halbfinale auf den FC Bayern um Klaus Augenthaler. Die Italiener setzen sich durch und besiegen im Endspiel ...

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... den VfB Stuttgart um Guido Buchwald (re.). Dass der deutsche Nationalspieler bald den Spitznamen "Diego" tragen sollte, weiß da noch niemand.

File photo of Argentine soccer great Diego Maradona posing with his mother, wife and father during his wedding party in Buenos Aires

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Sein persönliches Glück mit der langjährigen Freundin Claudia Villafañe vollendet sich zunächst 1989, als Maradona vor einem riesigen Publikum heiratet. Sie haben zwei Töchter: Dalma Nerea (1987) und Giannina Dinorah (1989). Die Ehe sollte bis 2004 halten.

Diego Armando Maradona gegen Lothar Matthäus

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In Italien verehren ihn die Menschen genauso wie in seiner Heimat - doch mit dem WM-Titel in seiner Wahlheimat klappt es nicht. Noch einmal führt Maradona eine mittelmäßige argentinische Mannschaft ins Endspiel einer Weltmeisterschaft. 1990 besiegt er mit Argentinien ausgerechnet in Neapel im Halbfinale Gastgeber Italien. Im Finale warten wieder die Deutschen, die diesmal allerdings die Besseren sind - nicht zuletzt dank Maradona-Bewacher Guido "Diego" Buchwald (im Bild versucht es Lothar Matthäus gegen Maradona). Danach beginnt der lange Abstieg eines Idols.

Diego Maradona

Quelle: DPA

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1991 wird Maradona wegen Kokain-Konsums als Dopingsünder überführt - es ist sein sportlicher Tiefpunkt. Obwohl die halbe Stadt von seiner Sucht wusste, entlässt der SSC Neapel den Argentinier, der neben einer Bewährungsstrafe von 14 Monaten eine Sperre von 15 Monaten erhält. Es kommt noch schlimmer: Eine Vaterschaftsklage, Steuerschulden und Gerüchte um enge Beziehungen zur Camorra machen die Runde - Maradona ist ruiniert und flüchtet in seine Heimat.

DIEGO MARADONA

Quelle: DPA

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Nach Absitzen seiner Sperre kommt er zurück - und heuert dank der Hilfe eines privaten Fitnesstrainers beim FC Sevilla an. Dort verbringt er eine mäßige Saison, Großtaten wie in seinen besten Tagen werden immer seltener. Nach einer weiteren Eskapade (Maradona schießt mit einem Luftgewehr auf Journalisten) wechselt er zu Newell's Old Boys in Argentinien. Dort scheint er sich wieder zu berappeln: Bis zur WM 1994 in den USA hat er auf wundersame Weise 14 Kilo abgenommen und erscheint topfit. Argentinien gewinnt 4:0 gegen Griechenland, 2:1 gegen Nigeria, dann fällt die Fassade: Bei einem Dopingtest werden in Maradonas Körper fünf verschiedene Aufputschmittel gefunden, auch Stoffe zur Gewichtsverringerung sind dabei. Am 30. Juni 1994 ist seine internationale Karriere beendet.

FILE PHOTO OF SOCCER GREAT MARADONA

Quelle: REUTERS

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Eigentlich ist Maradona sportlich erledigt, doch er will weitermachen - und bekommt bei seinem Herzensklub Boca Juniors die Chance dazu. Von 1995 bis 1997 genießt er noch einmal die ganze Heldenverehrung in seiner Heimat, doch seine Künste und vor allem sein Körper lassen ihn immer häufiger im Stich. Am 30. Oktober 1997 bestreitet er sein letztes Pflichtspiel und beendet seine aktive Laufbahn.

MARADONA AGGRESSIV

Quelle: A. Roque / dpa

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Es folgt seine wohl problematischste Lebensphase. Vom Fußball verlassen flüchtet sich der Frührentner in Drogen, Alkohol und Fressucht - er wird immer fülliger und muss auf Kuba einen Entzug machen (im Bild ein Streit Maradonas mit einem Reporter), nachdem er wegen eines Herzinfarkts beinahe ums Leben kommt. Auf Kuba schließt Maradona Freundschaft mit Fidel Castro und beginnt, sich für dessen politische Ideen zu interessieren.

ABSCHIEDSSPIEL LOTHAR MATTHÄUS

Quelle: dpa

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Trotz aller privaten Schwierigkeiten schafft er es immer wieder zu umjubelten Benefiz-Auftritten. Beim Abschiedsspiel für Lothar Matthäus (Bild) tritt der kleine Diego sogar im Bayern-Trikot auf und wird von Oliver Bierhoff herzlich umarmt.

Argentine soccer legend Diego Maradona arrives at Miraflores in Caracas

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Im April 2004 erfolgt der nächste Rückschlag: Wieder muss der mittlerweile schwer gezeichnete Maradona mit dem Krankenwagen eingewiesen werden - diesmal machen ihm hoher Blutdruck, Atemnot und eine Lungenentzündung zu schaffen. Er überlebt und muss sich auf Anweisung eines Gerichts einer Drogentherapie unterziehen. Eine Magenverkleinerung und zahlreiche Arztbesuche später geht es mit ihm wieder bergauf.

Former Argentine soccer star Maradona dances with Italian singer and TV star Carra in Buenos Aires

Quelle: REUTERS

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Im Mai 2005 gibt er schon wieder Interviews im argentinischen Fernsehen. Vielleicht entsteht hier die Idee, für Diego Maradona eine eigene TV-Show zu organisieren. Im August 2005 jedenfalls beginnt in Nebelschwaden seine Fernsehsendung. Sie heißt: "La Noche del 10" - Die Nacht der Nummer 10. Maradonas Entwicklung geht zurück von der Lachnummer zur Zirkusnummer. Beweglich wie ein Tänzer: Zusammen mit der bekannten Sängerin und Moderatorin Rafaella Carra bewegt sich Maradona elegant, fast wie früher.

File photo of former Argentine soccer star Maradona with Messi in Buenos Aires

Quelle: REUTERS

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Er lädt auch einen seiner ausgerufenen Nachfolger ein: Lionel Messi (l.) soll Maradona auf den argentinischen Fußballthron folgen. Immerhin: Messi erzielt für Barcelona ein Tor mit der Hand, außerdem dribbelt er einmal von der Mittellinie durch die gegnerische Abwehr und vollendet. Ganz wie sein Vorbild, wenngleich Messi nur die Spieler des FC Getafe ausspielt und nicht die englische Nationalmannschaft.

WM 2010 - Argentinien - Nigeria

Quelle: dpa

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Nach einigen kleineren Trainiertätigkeiten in Argentinien kommt es im Herbst 2008 zum großen Knall: Maradona wird Coach der argentinischen Nationalelf. Mit einem Schlag soll der Exzentriker mit dem komplizierten Lebenswandel ins seriöse Geschäft wechseln. Nach einigen Problemen schaffen Messi & Co. die Qualifikation zur WM 2010 - was Maradona dazu bewegt, wortreich die Journaille zu beschimpfen. "Ihr könnt mich alle mal," faucht er durch sein Rauschebärtchen.

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Quelle: AFP

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In Südafrika präsentiert sich Maradona aufgeräumt und im feinen Zwirn - sein Team scheint mit Talent gesegnet und bereit für große Dinge, doch offenbart sich beim 0:4 im Viertelfinale, was viele schon vermutet hatten: Maradona hat keine taktischen Kniffe parat, um diese Mannschaft richtig zu coachen. Mehr als ein liebenswertes Maskottchen war er bei dieser WM nicht. Nach dem Turnier wird er entlassen

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Quelle: AFP/Handout Fudschaira Sports Club

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Maradona heuert im Mai 2011 bei Al-Wasl in Saudi Arabien an, wo er nach 14 Monaten entlassen wird. Nach sechs Jahren Pause wird Maradona 2017 Cheftrainer des Al-Fujairah SC in den Vereinigten Arabischen Emiraten, einem Zweitligisten (im Bild: Der Tag von Maradonas Vorstellung als neuer Trainer). Nach der Saison tritt er zurück. Weiter geht es als Vorstandsvorsitzender des weißrussischen Vereins Dinamo Brest, schließlich als Trainer beim mexikanischen Zweitligisten Dorados de Sinialo - der Verein spielt erfolgreich. Im Juni 2019 tritt Maradona aus gesundheitlichen Gründen zurück. Doch wenige Wochen ist er wieder da: als Trainer bei Gimnasia y Esgrima La Plata in Argentinien. Im Juni 2020 verlängerte er noch seinen Vertrag.

Fans of Argentine soccer great Diego Maradona pose for a photograph outside the clinic where Maradona underwent brain surgery, in Olivos

Quelle: REUTERS

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Am 2. November, drei Tage nach seinem 60. Geburtstag, wird Maradona in La Plata in ein Krankenhaus eingeliefert. Er muss wegen einer Gehirnblutung operiert werden, Fans beten vor dem Krankenhaus für ihn. Nach wenigen Tagen darf er die Klinik verlassen. Doch am 25. November erschüttert die Nachricht die Welt: Diego Maradona ist tot.

© SZ.de/Jonas Beckenkamp/jüsc/holz/mane/sonn
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