Maradona auf der Spur (2):Bitte nicht stören in Havanna

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Entzug nach Überdosis: Maradona im Januar 2000 auf Kuba. (Foto: A. Roque / dpa)

Maradona auf Entzug, in einem Sanatorium auf Kuba? Da muss doch man hin! Unser Autor kam nur bis zur Pforte - trotz exquisiten Empfehlungsschreibens.

Von Peter Burghardt

Okay, es war eine gewagte Idee, Diego Maradona auf Kur zu besuchen. Aber ich hatte diesen schönen Brief. Von Jorge Valdano. Mai 2000, ich saß mit Valdano in Madrid, ein Interview über Spaniens Fußball vor dem Finale der Champions League. Am Ende des Gesprächs berichtete ich ihm, dass ich anderntags für Reportagen nach Kuba reisen würde. "Da musst du Diego treffen", erwiderte Valdano.

Diego Maradona erholte sich auf der Insel gerade von einer Herzattacke, erlitten nach einer Überdosis ein paar Monate zuvor in Uruguay. Ihn auf Reha im Reich seines Freundes Fidel Castro zu sprechen war allerdings so wahrscheinlich, wie vom Comandante zum Mojito eingeladen zu werden. Doch Jorge Valdano, der argentinische Fußballpoet, 1986 mit Maradona Weltmeister, nahm ein Blatt Papier und begann zu schreiben, Handschrift: "Querido Diego."

Es folgten warmherzige Sätze an Maradona, mit Empfehlung für den Reporter. Ich glaube, Valdano schrieb sogar "mi amigo Peter". Maradona möge mich doch empfangen. Der beste Passierschein zum besten Fußballspieler aller Zeiten?

Ein paar Tage später, Gesundheitszentrum La Pradera am Rande von Havanna. Hydromassage und Ozontherapie, Palmen, Pools und Bungalows, in zweien davon wohnten Maradona und seine Begleiter. Vom Direktor hieß es, der Patient nähere sich der Normalität, einem Flug nach Alemania stehe nichts im Wege. Das Abschiedsspiel von Lothar Matthäus in München stand bevor.

Ich sprach einen Wachmann an. Ob er Maradona den Brief bringen könne? Nach einer Weile kam er zurück. Maradona schaue Fußball, Satellitenfernsehen, da dürfe ihn nicht mal seine Frau stören. Er erzählte. Vom Testspiel im Garten, Diego zaubere wieder. Von einem wassergefüllten Luftballon, den seine Frau einem Paparazzo entgegen geschleudert habe, auch von Nächten und von Drinks. Diego habe schon lange Geschichte gemacht. "Wie Fidel."

Irgendwann fuhr Diego Maradona im weißen Geländewagen vorbei, er sah recht munter aus, die Haare wieder schwarz statt wie im Januar psychodelisch orange. Neben ihm saß Guillermo Coppola, sein grau melierter Manager. Ein Gruß durch die Scheibe, an die Wächter oder mich, wer weiß, das war's.

Seither haben sich allerlei Maradona-Erlebnisse und Maradona-Souvenirs bei mir angesammelt. Begegnungen mit Maradonas Entdecker Francis Cornejo und Maradonas Idol Ricardo Bochini. Daumenkino mit Maradonas Jahrhundertsolo und dem Ballhochhalten als Knirps. Video mit Maradonas Toren und Tango. Fernsehshow mit Maradona und Castro. Rotwein mit Maradona-Etikett, Malbec, etwas sauer geworden. Valdanos Brief blieb leider bei Maradona, aber da gehörte er ja auch hin.

© SZ vom 29.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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