Manuel Neuer:Plötzlich nur noch ein ganz normaler Torwart

Manuel Neuer: Gibt sich "auf jeden Fall eine Mitschuld" an dem 0:1 der Nationalelf gegen die Niederlande: Torwart Manuel Neuer.

Gibt sich "auf jeden Fall eine Mitschuld" an dem 0:1 der Nationalelf gegen die Niederlande: Torwart Manuel Neuer.

(Foto: AFP)
  • Beim 0:3 der Nationalelf gegen die Niederlande zeigt sich: Torwart Manuel Neuer ist längst nicht mehr so unantastbar ist wie zu Weltmeisterzeiten.
  • Beim 0:1-Treffer widerfuhr ihm ein ähnlicher Fehler wie schon neulich beim 1:1 des FC Bayern gegen Augsburg.
  • Es könnte sogar sein, dass nach neun Neuer-Jahren beim DFB ein Umsturz ansteht - Marc-André ter Stegen stünde schon bereit.
  • Hier geht es zum Spieplan der Nations League.

Von Jonas Beckenkamp, Amsterdam

Manuel Neuer hat am Samstagabend in der Johan-Cruijff-Arena von Amsterdam ein paar Männer vor einem Sturz bewahrt, das ist die gute Nachricht. Er war umringt von einer knapp 20-köpfigen Gruppe Reporter, die ihn um Erklärungen baten. Man wollte ja wissen, was der Kapitän der DFB-Elf zu sagen hatte nach diesem Tiefschlag von einem Fußballspiel, dem 0:3 gegen die Niederlande in der Nations League. Und als der Reporterpulk sich immer weiter über die Balustrade in seine Richtung bog, schritt Neuer ein: "Vorsicht, die Absperrung kippt hier gleich - und ihr alle mit", sagte er. Da entspannte sich das Menschenknäuel und rückte ein wenig von ihm ab.

Es war, man muss das leider so sagen, der beste Moment des Torhüters Neuer an diesem Abend. Und damit zur schlechten Nachricht: Dieser Abend ließ die Menschwerdung des einst überirdischen Bällefängers Neuer weiter fortschreiten. Es manifestierte sich, was eigentlich kaum jemand jemals für möglich gehalten hatte: Neuer ist jetzt in der Spätphase seiner Karriere ein ganz gewöhnlicher Torwart. Die Fehlbarkeit hat ihn heimgesucht, sie ist seit seiner fast einjährigen Verletzungspause sein steter Begleiter geworden.

Natürlich gehören in der Regel noch zehn andere Spieler dazu, wenn eine Partie dermaßen in die Hose geht, aber es fällt schwer, den aktuellsten Kollaps der Nationalelf ohne Neuers Beitrag zum 0:1 zu erzählen. Er selbst sprach zunächst von "gewissen Dingen, die nicht funktioniert haben", aber im Laufe des Gesprächs mit den Journalisten wurde er immer konkreter. "Wir hatten die Woche über eigentlich konzentriert gearbeitet, daher finde ich es unerklärlich," sagte er. "Dass es jetzt so kam, ist natürlich eine Riesenenttäuschung."

Besonders enttäuscht dürfte er von seinem eigenen Auftritt bei jenem Eckball von Memphis Depay in der 30. Minute gewesen sein, als ihm Ähnliches widerfuhr wie schon neulich beim 1:1 des FC Bayern gegen Augsburg: Neuer wollte herausstürmen, um den Ball zu fangen, dann zögerte er und verwirrte damit die Kollegen. Er segelte am Geschehen vorbei, Ryan Babel köpfelte den Ball an die Latte, im Nachfassen erzwang Virgil van Dijk das Tor. Der Volksmund kennt für solche Szenen viele Umschreibungen. Die gängigste beginnt mit "wenn er rauskommt ...". Er gebe sich "da auf jeden Fall eine Mitschuld", räumte Neuer ein, doch so ganz überzeugt schien er von diesem Eingeständnis nicht zu sein. Er folgerte: "Die anderen Defensivspieler tragen natürlich auch eine Mitschuld."

Diese hießen namentlich Mats Hummels, Jonas Hector und auch Matthias Ginter. Sie alle hüpften munter mit durch den Fünfmeterraum, ohne die Holländer zu stören. Neuer hatte also schon recht, wenn er den Gegentreffer, der alles erst ins Schleudern brachte, als eine Verkettung aus Torwartfehler und Abwehrschlummern bezeichnete. In Erinnerung bleibt trotzdem eher der Blindflug des Keepers. Direkte Schuldzuweisungen der Kollegen in Richtung des Kapitäns gab es übrigens keine, Neuer ist ja immer noch eine Instanz beim DFB.

Steht in der Nationalmannschaft nach neun Neuer-Jahren ein Umsturz an?

Doch natürlich dürften die Kameraden mitbekommen haben, dass ihre Nummer eins nicht mehr so unantastbar ist wie zu Weltmeisterzeiten. Damals war es ja quasi wurscht, wenn irgendein Algerier oder Argentinier alleine auf Neuer zu rannte. Der lange Blonde hinten drin schaufelte jegliche Zwangslage einfach aus dem Weg. Zuletzt aber hatte sich auch beim FC Bayern (etwa bei seinem Fehlpass gegen Gladbach) der Eindruck verstärkt, dass der 32-Jährige ebenso ins Wanken geraten ist wie seine Abwehrkollegen Hummels, Süle oder Boateng. Manuel Neuer, dessen Aura eines Unüberwindbaren schon so manchen Stürmer ins Grübeln brachte, ist jetzt offiziell auch Teil des Problems beim DFB. "Der Gegner kommt viel zu einfach zu Toren", sagte schließlich Joshua Kimmich - der als einziger auf die gravierenden Mängel in der Defensive einging. Und er dürfte damit nicht nur jene Kontertore der Holländer in den Schlussminuten gemeint haben, als Neuer tatsächlich chancenlos war.

Am Ende könnte es sogar so sein, dass in der deutschen Nationalmannschaft nach neun Neuer-Jahren ein Umsturz ansteht. Marc-André ter Stegen, die deutsche Nummer zwei, war übrigens kurz vor Neuers Rettungsaktion für die Reporter durch den Gang geschlichen. Er ist Stammkeeper beim FC Barcelona und gerade 26 Jahre alt. Sein bestes Torwartalter beginnt gerade, wie man so sagt.

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