Reaktionen auf das Neuer-Interview:"Das darf kein Spieler der Welt"

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Das wird ein Nachspiel haben: Bayern-Vorstandschef Oliver Kahn (links) und Sportvorstand Hasan Salihamidzic kündigten ernste Gespräche mit Manuel Neuer an. (Foto: Bernd Feil/M.i.S./Imago)

Nach der Kritik des Kapitäns am FC Bayern ist die Bundesliga gespalten. Die einen sehen seine Ablösung gekommen, die anderen äußern Verständnis.

Die Frage, die nach Manuel Neuers Interview mit der Süddeutschen Zeitung und The Athletic die Bundesliga am Wochenende beschäftigte, lautete: Hat Neuer nach seinen kritischen Äußerungen noch eine Zukunft beim FC Bayern? Die meisten Deuter glauben: Nein. "Es wird ganz sicher schwierig, dieses zerschnittene Tischtuch wieder zusammenzubringen", sagte Lothar Matthäus bei Sky, dass Neuer "auf alle" losgegangen sei, würden sich die Klubverantwortlichen nicht bieten lassen.

"Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen", hatte der Nationalspieler über die Entlassung seines Torwarttrainers und engsten Vertrauten Toni Tapalovic gesagt, "das war das Krasseste, was ich in meiner Karriere erlebt habe." Er habe Tapalovics Rauswurf empfunden als einen "Schlag, als ich bereits am Boden lag", sagte der 36-Jährige, der wegen eines Unterschenkelbruchs beim Skitourengehen noch mehrere Monate ausfallen wird.

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Außer an Neuers Wortwahl stießen sich FC-Bayern-Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic vor allem am Zeitpunkt von Neuers Philippika kurz vor den wichtigen Bundesliga-Spielen beim VfL Wolfsburg und gegen Bochum und dem wegweisenden Duell mit Paris St.-Germain in der Champions League. Kahn kündigte "deutliche Gespräche" mit Neuer an und zog Parallelen zum Aus seines Vertrauten Sepp Maier bei der Nationalmannschaft vor der WM 2006. Der Vorstandschef, damals wie Neuer heute Kapitän der Bayern und der DFB-Elf, schluckte seinen Ärger und schwieg.

Eintracht Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche fordert indirekt Konsequenzen für Neuers Platz in der Nationalelf

Salihamidzic kündigte die Klärung des Themas mit Neuer an. Er habe von dem Kapitän etwas anderes erwartet, sagte Salihamidzic der Bild am Sonntag: "Wenn es Konsequenzen gibt, werden wir zuerst mit Manuel selbst darüber sprechen. Die Enttäuschung, die er wegen Tapas Freistellung beschreibt, die herrscht auch bei uns, weil Manuel seine persönlichen Interessen hier über die Interessen des Klubs gestellt hat. Aber wir werden das intern vernünftig mit ihm besprechen", erklärte der Sportvorstand. Kahn habe das Interview in seinen für den FC Bayern relevanten Teilen sehr richtig eingeordnet, befand Salihamidzic. "Was das bedeutet? Dass wir ein sehr wichtiges Thema mehr mit Manuel zu klären haben", sagte er.

Eintracht Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche forderte indirekt Konsequenzen für Neuers Platz in der Nationalmannschaft und sprach sich für Kevin Trapp als neuen Stammtorwart in der DFB-Elf aus. Bei Bild TV antwortete Krösche am Sonntag auf die Frage, ob der 32-Jährige nach dem Ausfall von Neuer jetzt die neue Nummer eins im DFB-Tor werden müsse: "Ja, das würde ich sagen. Was seine Leistungen betrifft, ist er derzeit der beste deutsche Torwart." Krösche merkte zwar an, dass Neuer über Jahre hinweg herausragende Leistungen gebracht habe. "Aber nach der Verletzung ist die Situation meiner Meinung nach relativ klar. Kevin muss im Tor stehen."

Trapp dürfte im DFB-Team mit Marc-André ter Stegen, 30, vom FC Barcelona um die Position der Nummer eins konkurrieren. Zugleich äußerte Krösche Unverständnis für das Vorgehen von Neuer. "Das sind Themen, die dürfen nicht passieren. Letztlich dürfen sich Einzelne nicht über den Klub stellen. Das darf kein Spieler der Welt." Trapp dagegen kann die Enttäuschung Neuers wegen des erzwungenen Abschieds von Toni Tapalovic durchaus nachvollziehen. "Das Verhältnis zwischen Torwart und Torwarttrainer ist noch mal ein bisschen enger", sagte Trapp nach dem 3:0 gegen Hertha BSC bei Sky. Deshalb könne er sich vorstellen, wie Neuers Gefühlslage sei: "Das ist die Sache von Manuel, wenn er das Gefühl hatte, dass er das loswerden musste, dann ist es so."

Unterstützung bekam Neuer auch von anderer Stelle. Borussia Mönchengladbachs Mittelfeldspieler Christoph Kramer, gemeinsam mit Neuer 2014 in Brasilien Weltmeister, kann die Aufregung um das Interview nicht nachvollziehen. Inhaltlich wollte sich der 31-Jährige nach dem 0:0 gegen den FC Schalke nur in Grundzügen äußern, er glaube aber, "dass da in einem halben Jahr keiner mehr drüber redet". Das Fußballgeschäft sei "ein bisschen skandalresistent, weil wir aus allem immer viel machen", sagte Kramer. Er habe keinen Einblick in die Vorgänge und auch nicht mit Neuer gesprochen, sagte Kramer. "Ich bin zu weit weg, aber ich bin ganz großer Fan, dass man, wenn einem etwas auf dem Herzen liegt, das anspricht. Wir werden da alle zwei Wochen drüber reden, und dann ist es so, als wäre nichts gewesen." Was sich noch zeigen wird.

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