Manuel Neuer bei der WM:Der gute, alte Mister Fantastic

Manuel Neuer im WM-Spiel gegen Schweden

Wieder in Topform: Manuel Neuer.

(Foto: AP)
  • Manuel Neuer pariert wieder so gut die Bälle, als hätte es seine lange Verletzungspause nie gegeben.
  • Toni Tapalovic heißt der Mann, der den Nationaltorhüter wieder fit gemacht hat.
  • Hier geht es zum Spielplan der Fußball-WM.

Von Philipp Selldorf, Kasan

Von Toni Tapalovic, 37, kursieren zwar einige Fotos, und es gibt auch einen Wikipedia-Eintrag, der die Stationen seines Karriereweges von Fortuna Gelsenkirchen über Schalke 04 bis Bayern München beschreibt, doch gemessen an seiner überaus prominenten Tätigkeit ist er ein geheimnisvoller Mann geblieben. Dabei sagen Kenner, Tapalovic sei einer der wichtigsten Transfers, die der FC Bayern in diesem Jahrzehnt getätigt habe, bedeutsamer und wirkungsvoller als manche millionenteure Anschaffung fürs Mittelfeld.

Ein Kenner, der diese Behauptung auf jeden Fall bestätigen würde, ist der Nationaltorwart Manuel Neuer, 32, der allerdings auch dafür verantwortlich war, dass der FC Bayern den gelungenen Transfer überhaupt getätigt hat. 2011 bei seinem Umzug aus Gelsenkirchen nach München sorgte Neuer dafür, dass sein aus Schalke vertrauter Spezialtrainer mitkam. Und sieben Jahre später ist nun eigentlich das ganze Land dem Spezialtrainer zu einem Dankeschön verpflichtet, denn dass Neuer beim 2:1-Sieg gegen Schweden wieder der gute, alte Mister Fantastic war, der mit elastischen Armen und Beinen wie ein Gummimensch die Bälle einfing, um sie dann zentimetergenau dem 50 Meter entfernten Mitspieler in den Fuß zu schleudern - das ist auch das Verdienst von Toni Tapalovic, der Neuer durch die Verletzungspause gecoacht und auf den Punkt genau für die Rückkehr präpariert hat.

"Das verlernt man nicht", klärte Manuel Neuer auf

Es ist untertrieben zu sagen, dass viele Experten skeptisch waren, als sich Neuers Rückkehr auf den Sportplatz nach dem nunmehr dritten Mittelfußbruch immer wieder verzögerte, der Bundestrainer aber trotzdem nicht aufhörte zu erklären, er habe keinerlei Bedenken, dass das schon alles rechtzeitig klappen werde. Nicht viele - alle Experten waren skeptisch.

Nachdem sich Neuer im Anschluss an die Niederlage gegen Mexiko bereits als Kapitän und Krisenmanager der Nation hervorgetan hatte, überzeugte er nun durch seinen sehr, sehr eindrucksvollen Auftritt im Spiel gegen Schweden die letzten Ungläubigen. Der Schwede Marcus Berg jubelte ja bereits innerlich über sein Kopfball-Tor zum 2:0, doch dann flog dieser verrückte deutsche Torwart herbei und beseitigte das Problem.

"Das verlernt man nicht", klärte Manuel Neuer später auf. Pause? Welche Pause? "Man merkt sie ihm nicht an", stellte Jogi Löw fest. Die Sorge um den mutmaßlichen Halbinvaliden Neuer ist jetzt nur noch dadurch ein Thema, dass es keines mehr ist. Daran wiederum hat Tapalovic seinen Anteil, Neuers wichtigster Vertrauter und Helfer im Arbeitsalltag seines Spitzentorwart-Daseins.

Neuer ist eine Erscheinung wie Lionel Messi

Doch braucht jetzt niemand nach München oder sonst wohin zu reisen, um Toni Tapalovic zu befragen, denn Interviews und öffentliche Aussagen lehnt er grundsätzlich ab. Und grundsätzlich heißt in diesem Fall auch grundsätzlich. Ohnehin war die acht Monate währende Rekonvaleszenz des Nationaltorwarts ein konzertiertes Manöver der Diskretion. Manuel Neuer fand als öffentliche Person während der Genesung und der Vorbereitung zur Rückkehr aufs Spielfeld nicht statt. Zwischendurch zugunsten seiner Stiftung ein Interview für eine Sonntagszeitung, das war's.

Dass er die Kommunikation auf ein nicht mehr wahrnehmbares Minimum reduzierte, geschah aus guten Gründen, und eine gewisse Strategie steckte auch dahinter: Erstens, so meint Neuer, stellen Reporter sowieso immer die gleichen Fragen (worauf er keine Zeit verwenden wollte), und zweitens wissen sie zu wenig von den Besonderheiten des Torwart-Fachs (ein Torwart ist kein gewöhnlicher Fußballer). Drittens gab es noch den psychologischen Hintergedanken, dass ihn niemand mit Zweifeln an seinem WM-Projekt konfrontieren sollte. Aber an Zweifeln soll Neuer ohnehin nicht gelitten haben, so wie er angeblich auch all die langen Monate das ausgeglichene Gemüt bewahrte, das für ihn charakteristisch ist. Vertrauten, die sich so zartfühlend wie möglich nach Fortschritten erkundigten, versicherte er: "Mach dir keinen Kopf. Wir sind in einem Super-Plan."

Timo Werner schwärmt von Neuers Gelassenheit

Als Jupp Heynckes vor ein paar Wochen erklärte, die Regeneration sei nach "einem Masterplan von allen Beteiligten" verlaufen, und Neuer habe "Muskeln trainiert, von denen ein normaler Mensch gar nicht weiß, dass es sie gibt", da hielt man das, bei allem Respekt vor dem ehrenwerten Meistertrainer, für typisches Bayern-München-Anglerlatein: Unsere Karpfen sind prächtiger und schwerer als an jedem anderen Ort. Womöglich hat Heynckes aber gar nicht übertrieben.

Auch Marc-André ter Stegen sei ein Weltklassetorwart, hat der DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke gesagt und es absolut ehrlich gemeint, aber auf den Höhen des Weltfußballs ist Neuer durch die Summe seiner sportlichen und persönlichen Eigenheiten eine Erscheinung wie Lionel Messi: Ein Spieler und Sportler, der sich dem Vergleich mit anderen Spielern und Sportlern entzieht. Er habe jetzt zum ersten Mal im Leben ein paar Tage mit Neuer unter einem Dach verbracht, berichtete Timo Werner, 22, und stellte fest, dass ihn dieses Zusammenleben vorteilhaft verändert habe: "Seine Ruhe und Gelassenheit machen einen selbst gelassen." Neuer sei eine "Persönlichkeit, die es nicht oft gibt" - wahrscheinlich fehlt Werner für die Verwendung des Wortes einmalig in seinen jungen Jahren bloß die Erfahrung.

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