Süddeutsche Zeitung

FC Bayern gegen Salzburg:Neuer schleppt wieder schwere Kartons

Der Bayern-Keeper ist wieder einmal in der Form seines Lebens. Was das bedeutet, ist beim 3:1 gegen Salzburg deutlich zu sehen - doch seine Paraden weisen auch auf einen Widerspruch hin.

Aus dem Stadion von Christopher Gerards

Ganz am Ende, es stand 3:1 für den FC Bayern, rannte Salzburgs Karim Adeyemi auf das Münchner Tor zu. Es war ein vielversprechender Angriff, Adeyemi war der Abwehr ein Stück voraus und vor ihm stand nur noch der Torwart des Gegners. Aber genau das war das Problem. Der Torwart, der dort stand, war Manuel Neuer, und er entschied sich dafür, den Ball mit dem Fuß abzuwehren und damit noch einmal das zu tun, was er an diesem Mittwochabend in der Münchner Arena schon einige Male getan hatte: Er parierte sehr stark.

Okay, so richtig notwendig war Neuers Rettungstat in der Nachspielzeit nicht mehr, Adeyemi hatte zuvor im Abseits gestanden. Und ein 2:3 in der sechsten Minute der Nachspielzeit wäre wohl zu spät gekommen, um den Münchner Sieg noch zu verhindern. Aber es passte zu diesem Gruppenspiel in der Champions League gegen Salzburg, dass Neuer sich am Ende erneut auszeichnen durfte (was zu einem wuchtigen Abklatschen durch Jérôme Boateng führte). Denn dass der FC Bayern 3:1 (1:0) gewann und vorzeitig das Achtelfinale erreichte, das lag auch am Münchner Torhüter.

Bayerns Trainer Hansi Flick sagte nach dem Spiel einen recht großen Satz über Neuer: "Ich finde einfach, er ist in der Form seines Lebens." Flick nannte es "sensationell, wie er Großchancen pariert und uns wirklich Gegentore erspart". Man muss vermutlich nicht die Debatte führen, ob Neuer irgendwann rund um seinen WM-Titel, sein erstes Triple 2013 oder seine vielen Karriere-Paraden und abgefangenen Bälle mal in besserer Form war als derzeit.

Richtig ist so oder so, dass Neuer, 34, derzeit außerordentlich gut hält. Und angesichts dieser sportlichen Entwicklung wirken manche Debatten der jüngeren Vergangenheit sehr weit weg - wie jene um die von Marc-André ter Stegen geforderten Einsatzzeiten im DFB-Team im vergangenen Jahr oder der Zank vor der Vertragsverlängerung in München.

Schon gegen Bremen am Wochenende hatte Neuer geglänzt, nun fiel er vor allem in zwei Szenen auf. Die erste fiel in die 15. Minute. Salzburgs Mergim Berisha wurde per Steilpass freigespielt und drang in den Strafraum ein. Doch Neuer eilte fast wie auf Schienen aus seinem Tor und blockte Berishas Versuch. Der kurz darauf folgende Schuss von Enock Mwepu war dann kein größeres Problem für ihn.

Die zweite Aktion fiel in die 70. Minute, der FC Bayern führte 3:0 und spielte nach der gelb-roten Karte für Marc Roca nur noch zu zehnt. Wieder versuchte sich Berisha, diesmal mit einem harten Schuss - den Neuer nach vorne abwehrte, schnell auf die Beine kam und so auch Mwepus Nachschuss übers Tor lenken konnte.

"Für mich ist das Wichtigste, einfach Rückhalt für die Mannschaft zu sein", sagte Neuer bei Sky und hob den Wert des gewonnenen Spiels und des Gruppensiegs hervor. Als er gefragt wurde, ob er sich manchmal selbst überrascht, antwortete Neuer: "Man tut ja, was man kann." Es klang ein bisschen, als hätte er seinem Nachbarn dabei geholfen, schwere Kartons aus dem Keller in den dritten Stock zu schleppen. Wobei er kritisch anfügte, "dass wir zuletzt auch zu viele Gegentore bekommen haben und zu viele Torchancen zulassen" - ein Eindruck, den Flick teilte, nach dessen Geschmack Neuer ein paar zu viele Gelegenheiten zu Paraden bekam.

Das Paradoxe ist, dass Neuer zwar in herausragender Form, womöglich in der Form seines Lebens sein mag - dass der FC Bayern aber trotzdem viele Gegentore bekommt: zwölf in acht Liga-Spielen, mindestens eins in den vergangenen fünf Pflichtspielen. Diesmal war es Mergim Berisha, der nach einer flachen Hereingabe frei vor Neuer stand und wenig Mühe hatte zu treffen (zuvor hatten Robert Lewandowski, Maximilian Wöber per Eigentor und der eingewechselte Leroy Sané für die Münchner getroffen).

Unabhängig von dem Tor fiel auf, dass die Bayern sich unnötige Fehler leisteten. Neuers erster großer Parade hätte es nicht bedurft, wenn David Alaba ein Routine-Pass nicht verunglückt wäre. Auch andere Spieler wie Leon Goretzka und Serge Gnabry patzten mit riskanten Pässen. Und als Dominik Szoboszlai in der 34. Minute sehr frei vor Neuer auftauchte (und drüber schoss), war die Münchner Abwehr gehörig unsortiert gewesen. "Wir wissen auch, dass wir es Salzburg manchmal sehr einfach gemacht haben, um Chancen zu kreieren", sagte Flick: "Weil wir gerade in der ersten Halbzeit viele unnötige Ballverluste hatten."

Die Fehler müsse man minimieren - und "im Ballbesitz eine andere Souveränität ausstrahlen". Da der FC Bayern dieses Spiel allerdings nicht verloren hatte, da er schon nach vier Gruppenspielen im Achtelfinale der Champions League steht, überraschte es nicht, dass Flick ein weiteres Lob aussprach: "Die Effizienz, die wir heute an den Tag gelegt haben, die war schon sensationell gut."

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