Manuel Gräfe vs. DFB:Verhandlung mit verbaler Rudelbildung

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Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Manuel Gräfe am Mittwoch im Verhandlungssaal am Landgericht in Frankfurt. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Der frühere Schiedsrichter Manuel Gräfe klagt nach seiner Ausbootung gegen den Deutschen Fußball-Bund - eine gütliche Einigung scheitert. Es könnte noch sehr schmutzig werden in dieser Auseinandersetzung.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Nach rund zwei Stunden kommt im Saal 161B des Landgerichts Frankfurt am Main eine Atmosphäre auf, die eher an Abläufe auf dem Fußballplatz erinnert als an eine juristische Auseinandersetzung. Der frühere Spitzenschiedsrichter Manuel Gräfe und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sind die Kombattanten, und nun berichtet der Ex-Referee noch einmal ausführlich, wie es im vergangenen Jahr zu seiner Ausbootung kam - und der Anwalt des DFB fährt daraufhin die ganz großen Geschütze auf. Gräfe habe hier "mit Dreck geworfen" und die "Unwahrheit" gesagt, trägt er vor, woraufhin im Saal so etwas wie eine verbale Rudelbildung entsteht.

Der Vorsitzende Richter Wilhelm Wolf macht's dann wie ein guter Unparteiischer auf dem Spielfeld; er braucht weder gelbe Karten noch laute Worte, um den Disput zu beenden. Aber an den inhaltlichen Differenzen ändert sich nichts. Mit der von der Kammer angestrebten gütlichen Einigung zwischen den beiden Parteien wird es nichts mehr. Stattdessen will das Gericht am 18. Januar in der Sache entscheiden.

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Im Vorjahr hatte Gräfe die Klage gegen den DFB eingereicht, weil er unzulässigerweise aus Altersgründen ausgebootet worden sei. Rein formal geht es vor Gericht nun um eine Altersgrenze von 47 Jahren für die Unparteiischen im deutschen Profifußball, aber tatsächlich geht es mal wieder um viel mehr: nämlich um den Zustand des deutschen Schiedsrichterwesens. Es ist der Höhepunkt in der langjährigen Auseinandersetzung zwischen Gräfe und dem DFB. Der Berliner (268 Einsätze bei Bundesligaspielen) zählte über viele Jahre zu den besten deutschen Schiedsrichtern und war auch bei Spielern und Trainern ungewöhnlich beliebt. Aber zugleich eckte er intern auch immer wieder an, weil er das System und dessen Vertreter kritisierte, auch öffentlich. Und im Vorjahr entschied der Verband, Gräfe nicht mehr zu nominieren. Gräfes Vorwurf: Der Verband habe sein Alter (damals 47) ausgenutzt, um ihn als unbequemen Geist loszuwerden - obwohl er sich noch fit fühlte, weitermachen wollte und unbestritten noch zu den besten Referees der Liga zählte.

Gräfe fordert vom DFB Schadenersatz in sechsstelliger Höhe

Gräfe möchte daher nun Schadenersatz in Höhe von rund 190 000 Euro, aber vor allem eine Feststellung, dass er allein aufgrund dieser Altersgrenze nicht mehr nominiert worden sei. Das ist auch der Hintergrund, warum die von der Kammer angestrebte gütliche Einigung scheitert. Denn der DFB will sich auf eine solche Formulierung nicht einlassen. Nach seiner Darstellung hatte die Nichtnominierung mit dem Alter gar nichts zu tun - und gibt es gar keine Altersgrenze.

Dabei ist das mit der Altersgrenze für Schiedsrichter im deutschen Fußball so eine Sache. Rein statuarisch, darauf verweist der Verband zu Recht, ist sie nirgends festgeschrieben. Der Verband widerspricht auch ausdrücklich nicht, als der Richter als zentralen Punkt seines Vergleichsansatzes eine sehr weitreichende Formulierung vorschlägt. Demnach seien sich die beiden Parteien einig, dass keine Altersgrenze existiere, weder mit 47 Jahren noch in irgendeinem anderen Alter.

Manuel Gräfe im Mai 2021 als Schiedsrichter der Zweitliga-Partie Holstein Kiel gegen Hannover. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Doch tatsächlich ist es seit mehr als zwei Jahrzehnten Praxis, dass Schiedsrichter, die älter als 47 Jahre sind, in Deutschland nicht mehr zum Einsatz kommen - anders als zum Beispiel in den Niederlanden oder in England, wo Mike Dean im Vorjahr noch mit 54 Jahren Partien leitete. Und vor anderthalb Jahren publizierte der DFB auf seiner eigenen Homepage ein von ihm selbst geführtes Interview mit dem Schiedsrichter-Chef Lutz-Michael Fröhlich. Darin äußert sich nicht nur Fröhlich, sondern wird auch im Frageteil, wie Richter Wolf mehrmals festhält, explizit auf eine "Altersgrenze" von 47 Jahren verwiesen.

In der Rückschau wirkt dieses Gespräch nun so, als habe der DFB der Öffentlichkeit ein Argument präsentieren wollen, warum Gräfe nicht mehr nominiert würde. Doch zugleich bringt ihn dieser Ansatz juristisch in Schwierigkeiten. Und es stellt sich ja die Frage: Wenn es nicht das Alter war, was waren denn dann die Gründe, warum Gräfe als einer der besten Schiedsrichter nicht mehr nominiert wurde? Der Richter moniert nicht zuletzt, wie die Schiedsrichterauswahl beim DFB eigentlich ablaufe. "In einem Betrieb, in dem es um erkleckliche Summen geht, würde ich erwarten, dass das minutiös aufgelistet wird", sagt er; stattdessen sei das "höchst intransparent". Zugleich ließen sich seine Beiträge aber auch so verstehen, dass es mit dem gewünschten Schadenersatz selbst dann schwierig werden würde, wenn Gräfe grundsätzlich recht bekäme.

In jedem Fall könnte es noch sehr schmutzig werden in dieser Auseinandersetzung. Möglicherweise kommt es am 18. Januar noch nicht zum Entscheid, sondern werden auch noch Zeugen bestellt; und dass das Verfahren vor die nächste Instanz geht, ist eh wahrscheinlich. Der DFB und Gräfe machen sehr unterschiedliche Angaben dazu, wie das im Vorjahr rund um die Ausbootung wirklich ablief, was in welcher Sitzung gesagt wurde - und auch, wie ernst es Gräfe mit dieser Klage überhaupt sei, weil er doch inzwischen beim ZDF als Experte arbeite. Gräfe sagte, er gehe sehr "tiefenentspannt" in das weitere Verfahren: "Nun dauert es halt noch länger, bis die ganze Wahrheit ans Licht kommt."

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