Mannschaftssport während Corona:Ein Verein, der langsam schrumpft

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Für die Vereine wird es Zeit, dass Kinder, wie hier bei einem Vor-Corona-Turnier, wieder miteinander spielen dürfen.

(Foto: Eberhard Thonfeld/Camera 4/Imago)

"Mehr Sport geht nicht", lautet das Vereinsmotto beim Post SV Nürnberg. Doch im Lockdown brechen bereits ganze Teams weg - unter den verloren gegangenen Mitgliedern sind vermehrt Kinder und Jugendliche.

Von Johannes Kirchmeier, Nürnberg

Beim Post SV Nürnberg versuchen sie gerade, den Lockdown im Sport über die Stadtgrenzen hinaus zu thematisieren. Fußball-Abteilungsleiter Michael Luntz hat eine Online-Petition gestartet, gerichtet an Bayerns Staatsregierung: Der Klub fordert darin "die sofortige Wiederaufnahme des Sport- und Trainingsbetriebes im Freien in den Vereinen, vor allem für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren". Die Nürnberger treffen damit einen Nerv im Amateursport: Die Marke von 24 000 Unterzeichnern fiel am Osterwochenende; die Petition geht damit an den Landtag.

Die Fußballer kümmerten sich um die Petition, doch davon profitieren sollen alle 24 Abteilungen, erklärt der Vorstandsvorsitzende Andreas Neugebauer. Der Post SV bietet mehr als 100 Disziplinen an, etwa 150 Mannschaften sind in den Ballsportarten aktiv: Dazu zählen U8-Teams der Mädchen und Jungen im Basketball genau so wie Wasserball-Jugendnationalspieler am Landesstützpunkt bei den Barracudas Nürnberg oder die Ü47 der Volleyballer. Die Rollhockey-Mannschaft gewann 1940 die deutsche Meisterschaft, heute wird Inline-Hockey gespielt. Im Normalbetrieb bietet der Klub mehr als 1000 Sportstunden pro Woche an. "Mehr Sport geht nicht", lautet das Vereinsmotto.

Doch vom Normalbetrieb sind sie weit entfernt. Die Teams verharren zum Großteil im Ruhemodus. Trainieren ist nach ersten zarten Öffnungen zwar mit Abstand erlaubt, gespielt werden darf aber nicht.

Mehr als ein Jahr zwischen wenig Öffnung und viel Lockdown geht auch am größten Breitensportverein Süddeutschlands nicht spurlos vorbei: Die vierte Mannschaft der Fußballer sowie der Post SV IX und X im Tischtennis mussten im Herbst schon abgemeldet werden. Ob - und wenn ja, wie viele - Mannschaften nach so einem Pandemiejahr noch folgen könnten, kann Neugebauer nicht sagen. Was er weiß: Die 18.000 Mitglieder zu Beginn des Jahres 2020 sind auf etwa 15.000 geschrumpft. Sein Klub rechnet 2021 mit Einnahme-Einbußen von rund einer Million Euro.

Es geht nicht nur um die Spieler - auch die Betreuer müssen bei Laune gehalten werden

Im Mannschaftssport sind die Austritte bislang geringer als beim Fitness- und Gesundheitssport. "Das liegt auch an der Solidarität zur Abteilung", sagt Neugebauer: "Wenn ich in einer Mannschaft bin, will ich auch danach in meinem Team wieder Handball, Fußball oder Basketball spielen."

Das trifft auf die zu, die schon lange einem Team angehören, anders ist es aber bei den Jüngeren: Sorgen macht sich Neugebauer, weil unter den Austritten vermehrt Kinder und Jugendliche sind. Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes, sagte dazu jüngst: "Wir haben Mannschaften mit zehn, elf Kindern. Wenn da zwei, drei wegbleiben, wird es ein Mannschaftssterben geben, wie wir es im Handball noch nie erlebt haben."

Auch der Post SV ist nicht vor Problemen in den jungen Altersklassen gefeit, auch er muss sich etwas einfallen lassen, um attraktiv zu bleiben: So hatte der Klub einen Kinderfasching via Zoom-Meeting veranstaltet, an dem immerhin mehr als 200 Kinder teilnahmen. Zudem konnten Familien Eislaufen auf einer synthetischen Eisfläche, die der Post SV eigens auf zwei Tennisfeldern am Sportpark Ebensee errichten ließ.

Außerdem gilt es, die 500 ehrenamtlichen Trainer und Übungsleiter (neben fast 100 hauptamtlichen Mitarbeitern) bei Laune zu halten. Für die gibt's ein Poloshirt mit dem umgewandelten Klubslogan: "Mehr Ehrenamt geht nicht". Das sei "nur ein Tropfen auf dem heißen Stein", sagt Neugebauer. Aber einer, der die Bindung zum Klub stärken könnte.

Aktuell sucht der Vereinschef das Gespräch mit seinen Coaches, auch um sich für erhoffte Lockerungen in der Zukunft zu wappnen: "Ich sehe jetzt schon, dass sie viel tun, um unsere Mitglieder bei der Stange zu halten." Er glaubt, dass die Betreuer dem Klub treu bleiben: "Die meisten sind heiß drauf, wieder als Trainer aktiv zu werden." Wirklich wissen, wie viele Trainer und Spieler auf den Platz zurückkehren, wird Neugebauer aber natürlich erst bei den ersten Trainingseinheiten, wenn der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird.

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