Süddeutsche Zeitung

Manipulationsskandale in Frankreich:400 Flaschen Wein für ein Remis

EM-Gastgeber Frankreich plagen gleich zwei Fußball-Skandale. Während Nîmes Olympique mit Alkohol um den Ligaverbleib gekämpft haben soll, steht Olympique de Marseille im Verdacht, der korsischen Mafia als Geldmaschine zu dienen.

Von Oliver Meiler, Paris

400 Flaschen Wein für ein dienliches Unentschieden - was sich wie eine barocke Posse anhört, zieht gerade wie ein "Sturm" über den französischen Fußball, wie die Sportzeitung L'Équipe titelt. Andere Zeitungen schreiben von einer "schwarzen Stunde", einem "Albtraum", gar von der "Apokalypse". Eineinhalb Jahre vor der Europameisterschaft in ihrem Land beschäftigen die Franzosen gleich zwei Skandale, in denen es um mutmaßliche Spielmanipulationen, Bestechung, Korruption, dunkle Transferkommissionen, falsche Rechnungsführung und Verbindungen zur Unterwelt geht. Mehrere Vereinspräsidenten, aktive und ehemalige, wurden schon verhört - in Polizeigewahrsam.

Aber zunächst zurück zum Wein. Die Szene trug sich im vergangenen Mai in der Normandie zu, beim Spiel Stade Malherbe Caen gegen Nîmes Olympique, Ligue 2. Nîmes kämpfte um den Ligaverbleib, Caen um den Aufstieg. Beiden Teams reichte ein Punkt für ihr Ziel.

Die Präsidenten redeten miteinander, man fand sich schnell. Es gibt eine Aufzeichnung des Telefongesprächs. Nîmes' Präsident Jean-Marc Conrad sagt darin, er werde sich mit einem Geschenk erkenntlich zeigen. Und so reisten im Gepäckabteil des Busses der Nîmois auch 400 Flaschen Wein mit, die dann vor dem Spiel in die Kabine Caens getragen wurden. Das Spiel endete 1:1, es gab Pfiffe von den Rängen: Die letzten zwanzig Minuten waren ein trostloses Ballgeschiebe.

Nun erfahren die Franzosen, dass die "Krokodile", wie der Verein aus Südfrankreich genannt wird, in etlichen weiteren Fällen versucht hatten, ihre Gegner zu bestechen. Oft mit viel Geld statt nur mit Wein. Der Hauptaktionär des Klubs, Serge Kasparian, Betreiber eines Pariser Wettbüros, hatte sich im vergangenen Frühjahr in den Verein eingekauft und fürchtete um sein Investment; ein Abstieg hätte ihn viel Geld gekostet.

Kasparians Leumund war nie der beste, seit diesem Herbst sitzt er im Gefängnis. Die Schieberei im Fußball gelang nicht immer: Bastia etwa ließ sich auch mit 100 000 Euro nicht schmieren. Doch was war zum Beispiel mit Angers? Die Ermittler fanden auch Fährten zu Verhandlungen mit Brest, Laval und Créteil. Gab es gar ein System?

Die zweite Affäre kreist um den momentanen Tabellenführer der Ligue 1, Olympique de Marseille, und um deren Goalgetter André-Pierre Gignac, 28 Jahre alt, zehn Tore in 13 Spielen dieser Saison. Als Gignac 2010 für 18 Millionen Euro vom FC Toulouse nach Marseille wechselte, sollen hohe "Retrokommissionen" geflossen sein - also undeklarierte Kommissionen an Drittpersonen, die den Deal hinter den Kulissen gesteuert haben.

Ähnliche Geschäfte soll es schon 2004 beim Transfer von Didier Drogba von OM zum FC Chelsea, bei jenem von Samir Nasri zum FC Arsenal 2008 und jenem von Souleymane Diawara von den Girondins Bordeaux nach Marseille 2009 gegeben haben. Nun mussten sich die früheren Präsidenten des Vereins, Jean-Claude Dassier und Pape Diouf, sowie der amtierende Vorsitzende Vincent Labrune vor der Justiz erklären.

Und es gibt viel zu erklären. OM war schon oft von Skandalen umwittert. Der Verein steht im Verdacht, den korsischen Mafia-Clans als Geldmaschine zu dienen. Regelmäßig tauchen im näheren oder weiteren Dunstkreis des Klubs Figuren als Mittler auf, die auf der Insel dem "GrandBanditisme" angehören, dem Großgaunertum. Wie die Zeitung Le Parisien berichtet, soll Gignac seit einigen Jahren sehr oft nach Korsika reisen. In der Spielerkabine lässt er sich offenbar scherzhaft "Boss von Marseille" rufen.

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Quelle:
SZ vom 20.11.2014/ska
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