Manipulation im Badminton:Wenn Betrüger guten Nährboden finden

Die London-Spiele haben eine neue olympische Disziplin geboren: absichtlich verlieren. Doch eine Regeländerung würde wenig bringen, denn Manipulation gibt es im Sport schon lange. Die Affäre um absichtliche Verlierer hat sogar etwas Gutes - sie lenkt den Blick auf ein Strukturproblem.

Thomas Kistner

Absichtlich verlieren: Die London-Spiele haben eine neue olympische Disziplin geboren. Acht Badminton-Spielerinnen aus China, Südkorea und Indonesien wurden disqualifiziert.

Im affärengestählten Fußball wird das Thema naturgemäß lockerer gesehen; hier ist nichts bekannt von vergleichbaren Maßnahmen. Dabei taten Japans Fußballerinnen dasselbe wie die Racket-Kolleginnen: Sie haben sich über eine gedrosselte Leistung das erwünschte Spielergebnis hinmanipuliert. Durch ein Remis gegen Südafrika vermieden es Japans Weltmeisterinnen, nach Schottland reisen und eventuell gegen das starke US-Team antreten zu müssen; das räumt Coach Norio Sasaki ein: "Sorry, dass wir kein vernünftiges Spiel gezeigt haben."

Sorry, dass wir auf Fairplay pfeifen, hier geht's leider um richtigen Sport: Das ist die Botschaft aus London. Wirklich neu ist sie nicht. Strategische Ergebnisgestaltung gehört zum Tagesgeschäft, vom legendären WM-Spiel Deutschland gegen Österreich 1982 in Gijon bis zu den wettbewerbsverzerrenden Stall-Ordern bei Tour de France oder Formel 1.

Es zeigt, worum es geht im Spitzensport - und worum nicht: um all das werbekompatible Gesülze von einer großen Idee, die immer noch hinter Olympia stünde. Neu und etwas peinlich ist nur, dass es jetzt bei den Spielen auffliegt.

Aber halt: Fällt derlei nicht unter Taktik, zählt absichtliches Verlieren nicht zu den etwas derberen Erfolgsstrategien? Gewiss. Nur macht das den Betrug nicht besser, sondern zum Strukturproblem. Betrogen werden die Zuschauer, dazu alle mittelbar beteiligten Teams und Athleten, die im Wettbewerb damit klarkommen müssen, dass ein schwächerer Mitbewerber Vorteile geschenkt bekam.

Vordergründig lässt sich nun über Änderungen in den Reglements nachdenken, um die Betrugsmöglichkeiten einzugrenzen, etwa über die Austragung von K.-o.- statt Gruppen-Spielen. Durchsetzen aber ließe sich das nur in weniger einflussreichen Sportarten. Und generell wurzelt das Problem tiefer.

Olympische Spiele sind nationale Muskel-Messen, hier zahlen nur noch Gutgläubige Eintritt, um Athleten bei der Erfüllung ihrer Lebensträume zuzusehen. Das Ego der Nationen steht auf dem Spiel. Kam nicht auch hierzulande öffentliche Unruhe auf, als "Deutschland" nach zwei Wettkampftagen ohne Medaille dastand?

Die Affäre um absichtliche Verlierer bei Olympia hat insofern ihr Gutes, als sie den Blick auf die Marktrealität eines Milliardengeschäfts mit Körperleistungen lenkt, in dem Teenie-Girls im Pool mal eben die Fabelleistungen all jener Muskelkerle pulverisieren, über die jahrzehntelang im Diskant höchster Bewunderung berichtet worden ist.

Sie zeigt, wie nahe im modernen Sport die Mentalität an der Manipulation liegt; so nahe, dass es längst weithin akzeptierte Mischformen gibt. Und wer - zurecht - beklagt, dass organisierte Wettbetrüger den Sport immer stärker bedrohen, dass diese Zockerbanden nicht mal vor den Spielen halt machen, der weiß jetzt auch, dass sie dort guten Nährboden finden.

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