Süddeutsche Zeitung

Mangelnder Wettbewerb:Alonsos Abschied ist eine Pleite für die Formel 1

Dass der charismatische Selbstdarsteller aufhört, zeigt, dass die Rennserie schlankere Kostenstrukturen braucht. Aus diesem Grund will der Vermarkter Liberty Media künftig eine Budget-Obergrenze einführen.

Kommentar von Philipp Schneider

Vorne, auf der wichtigsten Bühne in den Ardennen an diesem Wochenende, steht wie jedes Jahr ein Tisch. Vier Männer sitzen dahinter, das ist ungewöhnlich. Meist sitzen dort nur drei. Diesmal allerdings sind vier Männer nötig, um eine Geschichte zu erzählen. Das Schicksal der Männer ist miteinander verwoben wie in einem dieser Filme, in dem ein Autounfall aus den Blickwinkeln jedes beteiligten Fahrers rekonstruiert wird. Die vier Rennfahrer sitzen heute auf der Bühne, weil sie aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Cockpits getauscht haben. Der eine hat den anderen verdrängt, dieser macht Platz für jenen.

Das Spiel funktioniert nur, weil einer der Vier, der mit dem schlauen Blick aus braunen Augen, Platz macht für alle. Er fällt ganz raus. Weil er nicht mehr mitspielen möchte in einem Spiel, in dem am Ende immer ein anderer mit Schampus spritzen darf. Er sage "Goodbye" zur Formel 1, sagt Fernando Alonso, vor allem aus einem Grund: "Es gibt zwei Teams, mit denen man gewinnen kann. Und beide machen in Zukunft mit ihren Fahrern weiter." Also nicht mit Alonso.

Für die Vermarkter von Liberty Media, dem Formel-1-Eigner, ist es eine Pleite, einen zweimaligen Weltmeister und charismatischen Selbstdarsteller wie Alonso zu verlieren. Eine Rennserie mit dem Anspruch, die Königsklasse des Motorsports zu sein, darf sich nicht erlauben, dass ihr einer der Besten im gehobenen Rennfahreralter (37) enteilt. Vielleicht sogar der Beste, wer weiß, gut denkbar ist nur, dass sich Alonso für den Besten hält.

Aber es helfe ja nichts, sagt Alonso, er gehe nun, weil die Formel 1 - mit den dominierenden Teams Mercedes und Ferrari - nichts mit der Formel 1 zu tun habe, von der er als Kind geträumt habe. An dieser Stelle sollte man höllisch aufpassen, dem Spanier nicht auf den Leim zu gehen. In den Jahren, in denen er mit Renault Weltmeister wurde, hat es ihn noch nicht gestört, dass es jeweils nur ein Team gab, das mit ihm konkurrierte: 2005 McLaren-Mercedes, 2006 Ferrari.

Und doch reitet Alonso zum Abschied eine wichtige Debatte: Die Formel 1 erlebt eines der packendsten WM-Duelle ihrer Geschichte, aber sie braucht schlankere Kostenstrukturen. Dass nun Daniel Ricciardo, einer der vier Männer am Tisch, seinen Wechsel vom Spitzenteam Red Bull zum Mittelklasseteam Renault auch damit begründete, dass er 2019 selbst im Red Bull nicht Weltmeister werden könne, ist bedenklich. Wie die Lösung aussieht, wissen auch alle: eine Budget-Obergrenze, die diskutiert wird, seit sie 2009 vom ehemaligen Präsidenten des Automobilweltverbands, Max Mosley, ins Spiel gebracht wurde. Der Vorschlag setzte sich nie durch. Weil die Teams mit viel Geld kein Motiv sahen, diejenigen mit weniger Mitteln aufschließen zu lassen.

Eine Deckelung des Budgets soll ab 2021 verpflichtend werden

Liberty Media macht nun ernst, will das Budget auf 150 Millionen Dollar drücken und kündigte für nächstes Jahr eine Art Probedurchgang an, bevor eine Deckelung ab 2021 Pflicht werden soll. Die Spitzenteams, die etwa doppelt so viel ausgeben wie die Mittelfeldteams, sollen dann nur noch zehn bis 20 Prozent mehr investieren dürfen. Das gar nicht mal wenig erfolgreiche Mittelfeldteam Force India war in die Insolvenz gerutscht und wurde am Rande des Rennens in Belgien nur dank der Übernahme von Investoren um den Milliardär Lawrence Stroll gerettet.

Damit sich dies nicht wiederholt und nicht länger nur Red Bull, Mercedes und Ferrari die Siege aufteilen, sind Reformen wichtig. Nicht um Alonso zu halten. Auch wenn es schade ist, dass er geht.

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Quelle:
SZ vom 25.08.2018/schma
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