Süddeutsche Zeitung

Manchester City schlägt Chelsea:De Bruyne ist wieder da

Nach schier ewiger Verletzungs- und Krankheitspause entscheidet der Ausnahmespieler das Duell zwischen Manchester City und Chelsea. Pep Guardiola hat den Titel fast sicher - Thomas Tuchel kritisiert Stürmer Romelu Lukaku erneut deutlich.

Von Sven Haist, London

Nach seinem wunderbaren Siegtreffer für Manchester City hätte sich Kevin De Bruyne nach Abpfiff erst mal feiern lassen können. Stattdessen lief er auf seinen enttäuschten Gegenspieler Antonio Rüdiger zu. Chelsea hat nach dem 0:1 (0:0) bei Manchester City am Samstag im Topspiel der Premier League die Chance auf die Meisterschaft wohl endgültig eingebüßt, entsprechend war Rüdigers Stimmung. Die Begegnung der beiden war mit Bedeutung aufgeladen. Es war ein heftiger Zusammenprall mit ebenjenem Rüdiger im verlorenen Champions-League-Finale 2021 (0:1) gewesen, der De Bruyne damals einen Nasen- und Augenhöhlenbruch einbrachte.

De Bruyne spendete Rüdiger stilvoll Trost, bevor er sich immerhin zu einer kleinen Ehrenrunde aufmachte. Dabei holte er sich den Lohn der Fans ab für einen Kunstschuss zum Tor des Tages, mit dem er nicht nur die Ausnahmestellung seines Klubs auf der Insel zementierte - sondern sich selbst nach beachtlicher Leidenszeit zurückmeldete.

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr zog sich De Bruyne, 30, bei einem Ligaspiel eine Oberschenkelverletzung zu, die ihn einen Monat außer Gefecht setzte und deren Nachwirkungen in Form ständiger Beschwerden ihm fortan zusetzten. Als er die Blessuren sowie die erwähnte Gesichtsfraktur einigermaßen auskuriert hatte, folgte im EM-Achtelfinale mit Belgien der nächste Rückschlag: ein brutales Foul des Portugiesen João Palhinha, das seinen linken Knöchel malträtierte. Trotz massiver Schädigungen ließ sich De Bruyne für das anschließende Spiel gegen Italien schmerzstillende Spritzen verabreichen. Eine Entscheidung, die er inzwischen bereut, wie er zugab.

Obendrein warf ihn im Spätherbst noch eine Corona-Erkrankung zurück, wodurch er noch einmal einige Pflichtspiele in Serie verpasste. Während auf der Insel bereits Zweifel an seiner zukünftigen Leistungsfähigkeit kursierten, wartete sein Trainer Pep Guardiola, dem sonst eher nichts schnell genug gehen kann, geduldig wie ein treuer Weggefährte auf die Genesung seines Ausnahmekönners. De Bruyne sei "ein Weltklassespieler", lobte Guardiola; ein Spieler, mit dem er zusammen in England "alles" gewonnen habe. Trotzdem sei der Belgier "bescheiden und demütig" geblieben, was in dieser Kombination "nicht leicht" zu finden sei.

Insgesamt kommt De Bruyne für City nun auf 180 Torbeteiligungen in 285 Pflichtspielen

Seit Anfang Dezember ist De Bruyne zurück im offensiven Mittelfeld der Citizens, als Pass- und Ideengeber. Und seit Anfang Dezember hat Manchester City prompt jedes seiner neun Pflichtspiele gewonnen, die eigene Ligaserie auf zwölf Erfolge am Stück ausgebaut - und ist dem Rivalen Chelsea um 13 Punkte enteilt.

Das taktisch geprägte Kräftemessen am Samstag mit Thomas Tuchels Team löste De Bruyne in der 70. Minute auf, als er einen Schnellangriff nach gegnerischem Ballverlust - auf diese Weise wollte eigentlich Chelsea zum Torerfolg kommen - sehenswert abschloss. An der Mittellinie gewann Innenverteidiger Aymeric Laporte nach einem Befreiungsschlag das Kopfballduell gegen den eingewechselten Timo Werner, ehe die Teamkollegen Rodri und Joao Cancelo mit herrlichem Kurzpassspiel (sowie Jack Grealish mit intelligentem Laufweg) den notwendigen Freiraum für De Bruyne schufen.

De Bruyne schüttelte N'Golo Kanté ab, führte dabei den Ball und schlenzte ihn dann aus dem Fußgelenk ins rechte untere Toreck. Sein 21. Treffer von außerhalb des Strafraums, mehr als jeder andere Premier-League-Profi seit seinem Wechsel nach Manchester im Sommer 2015. Insgesamt kommt De Bruyne für City nun auf unglaubliche 180 Torbeteiligungen in 285 Pflichtspielen (74 Tore, 106 Vorlagen).

Die Sun schrieb, dass "dieses Wahnsinnstor dem Gewinn der Meisterschaft würdig" sei. Angesichts des uneinholbar wirkenden Vorsprungs scheint dem Vorjahresmeister City die Titelverteidigung nicht mehr zu nehmen zu sein. Wenn überhaupt könnte wohl einzig der um 14 Zähler distanzierte FC Liverpool bei zwei Spielen weniger noch eine Aufholjagd starten.

Lukaku habe "eine riesige Gelegenheit" vergeben, sagt Tuchel

Entsprechend einseitig gestaltete sich auch das Aufeinandertreffen mit dem beinahe unterwürfig spielenden Chelsea; Tuchel setzte offensichtlich auf Konter. Erstmals unter dem deutschen Trainer gab die Mannschaft keinen Torschuss in der ersten Halbzeit ab. Für diesen Umstand machte Tuchel seinen Angriff verantwortlich, insbesondere Mittelstürmer Romelu Lukaku, den mit 115 Millionen Euro teuersten Transfer der Klubhistorie. Auf die Frage, ob Lukaku "mehr Unterstützung" seiner Mitspieler benötigte, forderte Tuchel, dass der Angreifer sich auch selbst seine Torchancen herausarbeiten müsse. Lukaku habe "viele leichte Ballverluste" verursacht und "eine riesige Gelegenheit" vergeben - die beste seines Teams sogar, als er freistehend vor Citys Torwart Ederson scheiterte (47.). Bei all dem muss man wissen, dass Lukaku zuletzt wegen eines vergleichsweise harmlosen, vom Verein aber unautorisierten Interviews in der Kritik stand und zu einer saftigen Geldstrafe sowie einer öffentlichen Entschuldigung verdonnert worden war.

Tuchel hat zuletzt oft auf Verletzungen und Corona-Erkrankungen verwiesen, wenn es um die Auftritte seiner Mannschaft ging. Auch Guardiola hat oftmals die Unwägbarkeiten des Geschäfts erwähnt, aber vergleichsweise klaglos die Ausfälle in seinem Team akzeptiert, auch den seines besten Spielers: Kevin De Bruyne. Aber der ist ja nun wieder da.

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