Solskjær bei Manchester United:Höchst erfolgreicher Einwechseltrainer

Tottenham Hotspur - Manchester United

Manchester-United-Trainer Ole Gunnar Solskjær feiert mit dem Torschützen Marcus Rashford (r.) den 1:0-Erfolg bei Tottenham.

(Foto: dpa)
  • Manchester United gewinnt in der Premier League 1:0 gegen Tottenham und damit auch das sechste Pflichtspiel unter Interimscoach Ole Gunnar Solskjær.
  • Torwart David de Gea ragt bei dem Spiel mit diversen Paraden heraus.
  • Solskjær hat bei United einen Stimmungsumschwung eingeleitet, indem er die Vergangenheit des Klubs zur Gegenwart gemacht hat.

Von Sven Haist, London

Den Erdball hätte David de Gea für Manchester United wahrscheinlich auch noch gehalten, wenn er denn auf sein Tor zugeflogen wäre. Wobei niemand gewiss sagen konnte, ob sich wirklich bloß ein de Gea auf der Torlinie bei United befand oder gleich ganz viele de Geas auf einmal. Oder eventuell ein übermenschlicher de Gea mit mehreren Köpfen, Armen und Beinen? So wie Zerberus, der dreigesichtige Höllenhund in der griechischen Mythologie, der den Eingang zur Unterwelt bewacht. Nur dass de Gea halt ein Fußballtor beaufsichtigte, um zu verhindern, dass Manchester United einen Treffer kassierte und Tottenham Hotspur einen erzielte.

Mit Metaphysik lässt sich vielleicht erklären, dass de Gea, 28, in der zweiten Halbzeit elf Schüsse der Spurs auf sein Tor abwehrte, wovon die meisten bei anderen Keepern wohl Treffer gewesen wären. Der spanische Ausnahmetorwart hielt wahrhaftig nacheinander mit beiden Händen (Son), mit dem rechten Fuß (Kane), mit der linken Hand (Alli), mit beiden Händen (Kane), mit beiden Händen (Eriksen), mit dem rechten Oberschenkel (Alli), mit dem linken Fuß (Alderweireld), mit beiden Händen (Kane), mit beiden Händen (Alli), mit dem rechten Fuß (Kane), mit beiden Händen (Llorente) das 1:0 für Manchester United über Tottenham am Sonntag in der Premier League fest. Nie gelangen ihm bis dahin in einem Erstligaspiel mehr Paraden, ohne einen Ball passieren lassen zu müssen. Gleich fünf Mal tauchte ein Gegenspieler allein vor ihm auf. Stets zwang er den jeweiligen Schützen aufgrund seiner Reaktionsschnelligkeit - sowohl mit Füßen als auch Händen -, zuerst zu agieren.

"Ein perfekter Abend im Wembley. Was meine beste Parade war von denen, weiß ich nicht, weil ich mich an einige gar nicht mehr erinnere", sagte de Gea später.

Solskjær hat einen Allzeitrekord aufgestellt

Vor siebeneinhalb Jahren kam er für 25 Millionen Euro Ablöse von Atlético Madrid. Seine Extraklasse setzt die Reihe an ruhmreichen Schlussleuten um Edwin van der Sar, Fabien Barthez und Peter Schmeichel fort, die seit 1991 hauptsächlich bei United im Tor gestanden sind. Für seine Rettungstaten dankten ihm die Mitspieler später unter anderem mit einer Skizze, auf der de Gea vor seinem Tor einen roten Rollladen herunterlässt mit dem Schriftzug: Sorry, closed on Sunday. Die Analyse seiner Taten ging nach dem Spiel über in die Frage, was dieser de Gea auf der Welt alles retten könnte. Den neuesten Hochrechnungen der Buchmacher zufolge hat er mit seiner Hand- und Fußarbeit die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Interimscoach Ole Gunnar Solskjær - ausgeliehen von Molde FK - ab Sommer dauerhaft die vakante Chefposition im Verein übernehmen darf.

Durch den sechsten Pflichtspiel-Erfolg in Serie mit einem Torverhältnis von 17:3 seit Amtsbeginn am 19. Dezember hat Solskjær, 45, einen Allzeitrekord bei Manchester United aufgestellt. In der Historie des englischen Rekordmeisters gelang es einzig Sir Matt Busby vor 73 Jahren zum Start der Saison 1946/47, die ersten fünf Partien als neuer Trainer zu gewinnen. Die Bilanz beweist, dass Solskjær prädestiniert ist für erste Hilfe. In den elf Saisons bei United hat der norwegische Angreifer 29 seiner 126 Tore als Reservist erzielt.

Aus dem auf dem Punkt funktionierenden Einwechselspieler ist sozusagen ein auf den Punkt funktionierender Einwechseltrainer geworden, dem zu aktiven Zeiten nachgesagt wurde, von der Bank aus seine Gegenspieler wie kein anderer studieren zu können. Sein Wissen um die Empfindungen eines Ersatzmanns zahlt sich nun aus in der harmonischen Zusammenarbeit mit dem Ensemble bei United. Nach fünf Siegen gegen schwächer besetzte Vereine gewann Solskjær das Trainerduell mit Tottenhams Mauricio Pochettino, den United angeblich zum Favoriten erkoren hat, um in der nächsten Saison dauerhaft den entlassenen José Mourinho zu ersetzen.

"Das ist jetzt das wahre Manchester United!", sagt Torwart de Gea

Die Formation der Spurs mit vier zentral angeordneten Mittelfeldspielern spiegelte Solskjær, um in der Zentrale gewissermaßen Mann gegen Mann auszuspielen, wer das bessere Team hat. Beim entscheidenden Kontertor durch Marcus Rashford (44.), dem Paul Pogba mit einem Traumpass den Weg ebnete, nutzte United den Platz aus, den die offensiven Außenverteidiger des Gegners freiließen. "In der Partie ging es nie um mich und ihn. Ich mache einfach jeden Tag den Job, bis mein Vertrag im Juni ausläuft. Und dann muss ich einen Urlaub gebucht bekommen."

Durch den jüngsten Energieanfall ist der Rückstand auf das drittplatzierte Tottenham auf sieben Punkte geschrumpft. Mit den wiedererstarkten Red Devils muss sich in einem Monat das von Thomas Tuchel trainierte Paris Saint-Germain im Achtelfinale der Champions League herumplagen. "Das ist jetzt das wahre Manchester United!", sagte Torwart de Gea.

Den Stimmungs- und Ergebnisumschwung hat Ole Gunnar Solskjær eingeleitet, indem er die Vergangenheit des Klubs zur Gegenwart gemacht hat. In seinem Trainerteam vertraut er auf die Expertise des langjährigen Assistenten Mike Phelan, der als rechte Hand der Trainer-Ikone Sir Alex Ferguson alle Abläufe kennt. Und Ferguson selbst ist ebenfalls näher an die Mannschaft gerückt. Zum Abschluss des vergangenen Jahres soll er auf Einladung von Solskjær den Spielern in einer Sitzung mitgeteilt haben, dass sie den Verein wieder großmachen können. Am Vortag des Spiels ließ sich Ferguson erneut am Trainingsgelände blicken - und in Wembley war er auf der Ehrentribüne ebenso dabei.

Wer nur kurz das weiße Hemd, die rote Krawatte und die grauen Haare sah, hätte ihn glatt für Solskjær halten können. Der fiel in Wembley auf mit weißem Hemd, roter Krawatte und grauen Haaren.

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