Manchester United:Schweinsteiger unter Fremden

Manchester United v West Ham United - FA Cup Quarter Final

Das Trikot, eine Last? Bastian Schweinsteiger steht in England mal wieder in der Kritik.

(Foto: Carl Recine/Reuters)

Von Sebastian Fischer

Joachim Löw hat sich in dieser Woche als Liebhaber von Klassikern geoutet. Der Bundestrainer sprach dabei nicht vor Cineasten oder über die großen Opern von Wagner. Er sprach natürlich über seinen Kader. Deutschland spielt am kommenden Samstag in Berlin gegen England und drei Tage später in München gegen Italien. "Diese Spiele", sagte Löw zunächst, "sind absolute Fußball-Klassiker, solche Paarungen wünscht man sich." Und dann hob er noch einen echten Klassiker in seinem Kader hervor. "Bastian ist ein absoluter Leader, er geht voran", sagte Löw.

Bastian Schweinsteiger, 31, bestreitet 2016 sein 13. Jahr als Nationalspieler. Doch er soll für den deutschen Fußball im EM-Jahr mehr sein als der Spieler, der von den Verdiensten der Vergangenheit zehrt.

Es war keine Überraschung, dass der Bundestrainer seinen Kapitän für das erste Aufgebot des Jahres nominiert hat. Löw hat Schweinsteiger stets vor Kritik verteidigt und immer betont, dass er mit ihm für die Europameisterschaft im Sommer plane. Andererseits war es auch kein Zufall, dass er bei der Bekanntgabe des Aufgebots am Freitag neben dem Debütanten Jonathan Tah und dem Rekonvaleszenten Mario Götze ausgerechnet den Mittelfeldspieler von Manchester United hervorhob. Es ist kein einfaches Frühjahr für Schweinsteiger. Er muss sich mal wieder beweisen.

Löw lobt Schweinsteigers Einstellung: "Vorbildlich"

"Das Schweini-Problem", titelte die Sportbild Ende Februar. Das zeigte, dass Geschichten über den früheren Münchner wohl noch immer ein Kaufargument sind, obwohl er seit dem vergangenen Sommer in der Premier League sein Geld verdient. Doch die Diskussionen um Schweinsteigers Form und seine Gesundheit im Hinblick auf seine Rolle bei der EM werden immer wieder laut. Wie die ganze Mannschaft von Manchester United spielt Schweinsteiger ja eine eher bescheidene Saison, und dann riss ihm auch noch im Januar das Innenband im Knie. "Als Kapitän wollte Bastian bei den Länderspielen unbedingt dabei sein, diese Einstellung ist vorbildlich", sagte Löw: Er habe sich nach seiner Verletzung wieder herangekämpft. In England sieht das jedoch längst nicht jeder so.

Schweinsteiger sei eine Metapher für den Untergang von United, schrieb die Londoner Tageszeitung The Independent am Freitag, nach dem Ausscheiden der Red Devils in der Europa League gegen Liverpool und vor dem wegweisenden Stadtderby am Sonntag (17 Uhr). Sowohl für United als auch für City verläuft die Saison enttäuschend, beide Teams liegen schon vor der finalen Saisonphase weit abgeschlagen hinter Tabellenführer Leicester City und Verfolger Tottenham. Doch besonders für United und Trainer Louis van Gaal ist das Spiel von großer Bedeutung: Es ist neun Spieltage vor Schluss wohl die letzte Chance, noch entscheidend in den Kampf um die direkte Champions-League Qualifikation einzusteigen. Zweifel am Gelingen dieser Mission sind durchaus angebracht.

Schweinsteiger ist für das Hauptproblem mitverantwortlich

Das Hauptproblem der Mannschaft ist ihre Fantasielosigkeit im Spiel nach vorne. 371 Mal hat Tottenham in dieser Saison bislang aufs Tor geschossen, selbst die eher auf robuste Defensive ausgerichteten Foxes aus Leicester gaben 304 Schüsse ab. ManUnited dagegen schoss nur 227 Mal aufs Tor, traf 27 Mal, so selten wie kein anderes Team aus der erweiterten Spitzengruppe.

Im Zentrum - da, wo eigentlich Ideen für konstruktive Angriffe entstehen sollen - funktioniert wenig. "Die Mannschaft ist wie ein Haufen von Fremden, die irgendwie zusammengewürfelt wurden", sagte Klub-Ikone Roy Keane am Freitag im irischen Fernsehen. Einer der Fremden ist Schweinsteiger.

Schweinsteigers Abstieg sei "spektakulär"

Sein Abstieg seit dem WM-Finale im Sommer 2014 sei "spektakulär", heißt es im Independent, gemessen an seinem Gewicht werde er wohl in "Kuchen-Stücken" bezahlt. Nach Schweinsteigers 14 Minuten langem Comeback am vergangenen Wochenende im FA-Cup gegen West Ham hatte van Gaal den Deutschen noch öffentlich gelobt, gegen Liverpool erhielt dennoch der solide Michael Carrick den Vorzug. Und als Schweinsteiger am Ende eingewechselt wurde, war nicht viel mehr von ihm zu sehen als ein Foul gegen Liverpools Adam Lallana, das ihm die gelbe Karte einbrockte.

Am Sonntag wird Schweinsteiger wohl zunächst wieder draußen sitzen, Marouane Fellaini und Morgan Schneiderlin sollen den Vorzug im zentralen Mittelfeld erhalten. Natürlich braucht er Zeit, um nach zwei Monaten Pause wieder zu alter Stärke zu finden, der er im Dezember schon mal sehr nah war. Sein Problem ist allerdings dasselbe wie das seines Klubs: Viel Zeit bleibt nicht mehr.

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