Champions League:ManUnited zieht sich an Pogba hoch

Manchester United v Burnley FC - Premier League

Top in Form: Paul Pogba von Manchester United.

(Foto: Getty Images)
  • Paul Pogba ist vor dem Champions-League-Duell zwischen Manchester United und Paris Saint-Germain in Bestform.
  • Vom früheren ManUnited-Trainer José Mourinho hatte er noch öffentliche Kritik erfahren.
  • Der neue Trainer Ole Gunnar Solskjaer hat Pogba wieder gestärkt. Der Franzose war unter Solskjaer an 13 Toren beteiligt.

Von Sven Haist, Manchester

Das Video, das Paul Pogba als herausragenden Fußballer zeigt, wäre fast untergegangen. Er stellt es nämlich nicht auf seinen viel beachteten Kanälen in den sozialen Medien zur Verfügung, anders als diverse Beiträge, die sich um Frisur, Schmuck und Kleidung drehen. Dabei hat es die zur Schau gestellte Ballkunst des Spielers von Manchester United ja wirklich verdient, gesehen zu werden. Besagter Clip aus dem Trainingslager in Dubai zu Jahresbeginn zeigt Pogba im Interview für den Vereinssender. Er sitzt mit dem Rücken zum Spielfeld, und ein Ball fliegt im hohen Bogen von schräg hinten auf ihn zu. Durch eine kaum wahrnehmbare, filigrane Bewegung fängt der französische Weltmeister den Ball, dessen Flugkurve er höchstens erahnen kann, sanft mit der linken Ferse ab. Ohne eine Miene zu verziehen, als wäre es eine Allerweltshandlung gewesen. Er ist also wieder da.

Nach dem Trainerwechsel bei Manchester United vom entlassenen José Mourinho hin zum norwegischen Interimscoach Ole-Gunnar Solskjaer hat sich Pogba, 25, seit Weihnachten zur Sehenswürdigkeit der Premier League entwickelt. In 23 Ligaeinsätzen erzielte Pogba bislang elf Treffer und acht Vorlagen. Mit 19 Torbeteiligungen, 13 davon unter Solskjaer, führt er die Torschützenliste der Mittelfeldspieler in den fünf europäischen Topligen an. Das in der Hinrunde selbstzerstörerische ManUnited hat sich an Pogba wieder nach oben gezogen - so wie Solskjaer Pogba wieder auf die Beine geholfen hat.

Unter Mourinho war es noch üblich gewesen, Kritik an Spielern öffentlich auszutragen. Pogba hatte darunter besonders zu leiden. Weil sich aus seiner Begabung am meisten herausholen lässt, arbeitete sich Mourinho scheinbar vorrangig am zur Extravaganz neigenden Franzosen ab - bis der Verein, so eine gängige Interpretation in Manchester, durch sein Eingreifen die Bedeutung seines teuersten Spielers über die von Mourinho stellte. Solskjaer hat nun eine friedsame Arbeitsatmosphäre installiert - und Pogba ist plötzlich der beste Profi eines talentierten Teams.

Pünktlich zum Achtelfinal-Hinspiel der Champions League im Old Trafford am Dienstag gegen das von Thomas Tuchel trainierte Paris Saint-Germain hat sich der englische Rekordmeister erstmals in dieser Saison auf den vierten Tabellenplatz der Premier League vorgespielt. In den vergangenen neun Spielen hat ManUnited einen zwischenzeitlichen Rückstand von elf Punkten aufgeholt auf den Rang, der zur erneuten Teilnahme am prestigeträchtigsten europäischen Wettbewerb berechtigt. Mit einem Zähler liegen die Red Devils jetzt sogar vor den punktgleichen Verfolgern Arsenal und Chelsea. Diese Bestandsaufnahme versetzt Chelsea genauso in Aufruhr wie das 0:6 im Duell mit Tabellenführer Manchester City am Sonntag - die höchste Niederlage des Klubs seit einem 0:7 gegen Nottingham Forest vor knapp 28 Jahren. Zuvor hatte Chelsea bereits 0:4 in Bournemouth verloren.

Die Wertigkeit bei Pogba lässt sich an seiner Eleganz ermessen

Im Stadion machte sich Maurizio Sarri, 60, im Sommer aus Neapel abgeworben, direkt aus dem Staub, als würde er wissen, was auf ihn zukommen dürfte. Denn bislang hat noch immer jeder Trainer im Hoheitsgebiet des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch mit seiner Freistellung bezahlen müssen, wenn sich der Klub nicht für die Königsklasse qualifizierte: "Falls Abramowitsch anruft, freue ich mich, weil ich sonst nie von ihm höre", entgegnete Sarri, auf seine mögliche Demission angesprochen. Chelseas in die Jahre gekommene Mannschaft, bei der Torwart Kepa mit 24 Jahren der jüngste Spieler in der Startelf gegen City war, wird auf Strecke das vor Tatendrang sprühende ManUnited in der Liga kaum zurückhalten können.

Die Red Devils besitzen in David de Gea den vermeintlich weltbesten Torwart, eine seriöse Abwehr, ein beständiges Mittelfeld und einen flexiblen Angriff - und darüber hinaus mit Paul Pogba den wohl derzeit komplettesten Spieler der Welt.

Für 105 Millionen Euro holte Manchester United im Sommer 2016 seinen ehemaligen Jugendspieler nach vier Jahren aus Turin zurück. Die damals obszön anmutende Rekordablöse relativierte sich ein Jahr später, als Paris 222 Millionen Euro hinlegte für Neymar, der wegen einer Verletzung am Mittelfußknochen für das Spiel in Manchester ausfallen wird. Die Wertigkeit bei Pogba lässt sich an seiner Eleganz ermessen, mit der er - nun wieder - selbst durch die schwierigsten Spiele gleitet. Seine Bewegungen wirken geschmeidig und mühelos, obwohl er sich für keine Wegstrecke und keinen Zweikampf auf dem Platz zu schade ist. Er kann den Ball mit dem Kopf gewinnen oder mit einer Grätsche am Boden. Um seine Hilfsleistungen fürs Team zu erkennen, muss man ihn schon intensiv verfolgen. Denn eine Anstrengung lässt sich bei ihm nicht erkennen, weder durch Schweißtropfen im Gesicht noch Schmutz auf dem Trikot. Die New York Times schrieb über Pogba treffend, dass es selbst bei seinen Tempoläufen nie so wirke, als würde er sprinten.

Mit 1,91 Meter an Körpergröße zieht Pogba, geboren unweit des Eiffelturms in Lagny-sur-Marne, regelmäßig durch seine Athletik und Ausstrahlung die Blicke auf sich, dabei sind es Ballbehandlung und Spielvision, die ihn ausmachen. Seine Gabe: Mit beiden Füßen auf jede Art zu jeder Zeit in jeder Position auf dem Platz einen Pass ansetzen zu können, der den Verlauf des Spiels zugunsten seiner Mannschaft verändert; zu wissen, wann es sich lohnt, selbst in den Strafraum zu stoßen. Und solange er diese Fähigkeiten zur Schau stellt, stört sich in Manchester auch niemand an seinen Instagram-Fotos.

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