Manchester United:Kaum besser als ein Mittelklasse-Team

Manchester United: Manchester Uniteds Victor Lindelof (l.), Scott McTominay (M.) und Harry Maguire (r.) nach dem Gegentor zum 1:1 gegen Liverpool.

Manchester Uniteds Victor Lindelof (l.), Scott McTominay (M.) und Harry Maguire (r.) nach dem Gegentor zum 1:1 gegen Liverpool.

(Foto: AFP)
  • Manchester United erlebt den schlechtesten Ligastart seit 33 Jahren.
  • Durch biedere Darbietungen hebt sich der einstige Branchenprimus kaum vom unansehnlichen Gekicke englischer Mittelklasseklubs ab - trotz rund einer Milliarde Euro Transferausgaben in den vergangenen sechs Jahren.
  • Bezeichnend für die aktuelle Verfassung ist, dass der Klub die Einstellung eines technischen Direktors vor 14 Monaten zur Priorität erhob - und immer noch keinen gefunden hat.

Von Sven Haist, Manchester

Das Ergebnis zwischen Manchester United und dem FC Liverpool schien José Mourinho zu gefallen. Als Fernsehexperte hatte sich der portugiesische Coach das Duell der Erzrivalen im Stadion angeschaut. Als der Moderator anmerkte, Liverpool habe durch das 1:1 die Einstellung des Startrekords von neun Siegen in der Premier League verpasst, goutierte Mourinho dies mit einem frohlockenden "Thank you, David" - er bleibt nun im alleinigen Besitz dieser Bestmarke, die er 2005 mit dem FC Chelsea aufstellte.

Auf Mourinhos süffisante Anmerkung ging Liverpools Coach Jürgen Klopp auf seine Weise ein, indem er das Ende der Siegesserie im Interview einfach weglachte. Stattdessen setzte Klopp zur Retourkutsche an mit der Aussage, ManUnited sei seit seinem Start in Liverpool vor vier Jahren in den direkten Duellen immer nur aufs Verteidigen aus - wohlwissend, dass Mourinho nichts mehr verabscheut, als einer destruktiven Spielweise bezichtigt zu werden. In seinen zweieinhalb Trainerjahren in Manchester traf er fünfmal auf Klopp, nach der Niederlage im Dezember 2018 wurde Mourinho beim Rekordmeister beurlaubt. Klopps Vorwurf konnte er deshalb nicht auf sich sitzen lassen. "Ich denke, Jürgen mochte das heutige Menü nicht", zischte Mourinho: "Er will Fleisch haben, bekam aber Fisch. Daher ist er frustriert."

Der streitlustige Mourinho hat sich auf der Insel den Ruf erworben, Widersachern bissig zu begegnen. Als Trainer zwingt er Gegnern mit seiner Taktik oft ein Spiel auf, das sie gar nicht mögen. Und wenn er mal arbeitslos ist, wie zur Zeit, sagt Mourinho Dinge, die andere nicht hören wollen. "Klopp hat mit Liverpool nie im prestigeträchtigen Old Trafford gewonnen", betonte er, nachdem es für Liverpool in Manchesters Fußball-Theater wieder nur ein 1:1 gegeben hatte (zuvor hießen die Ergebnisse 1:1, 1:2, 0:0). Erst fünf Minuten vor Schluss glich der eingewechselte Adam Lallana für den Tabellenführer aus, nachdem Marcus Rashford für United das 1:0 (36.) erzielt hatte. Liverpool bleibt ungeschlagen vorne, sechs Punkte nun vor Manchester City.

Dagegen hat Manchester United auf Tabellenplatz 14 zwei Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge gewahrt, man kann es derzeit nicht anders interpretieren.

Für das stolze Man United ist es der schlechteste Ligastart seit 33 Jahren. Damals hatte ein gewisser Ron Atkinson als Coach lediglich fünf Punkte aus den ersten neun Spielen geholt. Abgesehen vom 4:0 zum Auftakt über Chelsea gelang es United in keinem der bisher zwölf Pflichtspiele dieser Saison, mehr als ein Tor zu erzielen. Durch biedere Darbietungen hebt sich der einstige Branchenprimus kaum vom unansehnlichen Gekicke englischer Mittelklasseklubs ab - trotz rund einer Milliarde Euro Transferausgaben in den vergangenen sechs Jahren. Durchschnittlich landeten die Red Devils in dieser Zeitspanne 21,5 Punkte hinter dem jeweiligen Meister.

Bezeichnend für die aktuelle Verfassung ist, dass der Klub die Einstellung eines technischen Direktors vor 14 Monaten zur Priorität erhob - und immer noch keinen gefunden hat. Im Gegensatz zu den Zeiten, als Trainer Sir Alex Ferguson (bis 2013) in Personalunion auch die Transferpolitik bestimmte, ist United mittlerweile nicht mehr in der Lage, die vielversprechendsten Spieler von Konkurrenten abzuwerben. Statt sich ein Team nach eigenen Vorstellungen aufzubauen, vertraute der Klub zuletzt den kostspieligen Ideen der jeweils amtierenden Trainer (David Moyes, Louis van Gaal, José Mourinho). Reihenweise zu hoch eingeschätzte Spieler erzeugten eine Unwucht im Kader, die der ehemalige United-Stürmer Ole Gunnar Solskjaer, ausgestattet mit einem Dreijahresvertrag, als Coach nun wieder ausgleichen soll.

Die Fans lassen Solskjaers Vorgänger Mourinho hochleben

Ein bezeichnender Transferfehler war der belgische Stürmer Romelu Lukaku, den Mourinho 2017 für 85 Millionen Euro verpflichten ließ - und den Solskjaer kürzlich für 65 Millionen zu Inter Mailand weiterreichte. Mit Investitionen in die Defensive ist es dem Norweger immerhin gelungen, die Abwehr zu stabilisieren - was aber dem Angriff, der derzeit ohne das verletzte Mittelfeldgenie Paul Pogba antritt, das letzte bisschen Spielfreude genommen hat. Das Aufbäumen gegen Liverpool soll nun zumindest neue Kraft spenden.

Der Fanliebling Solskjaer profitierte in seiner Anfangszeit von der freigesetzten Energie innerhalb der Mannschaft, nachdem der unbeliebte Mourinho endlich fort war. Seitdem hat Solskjaer jedoch, gemessen an Ergebnissen und Spielweise, nicht mehr viel zustande gebracht. Am Sonntag ließen die Fans im Old Trafford sogar seinen Vorgänger mit Sprechgesängen hochleben - Mourinho dankte der Menge mit Kusshand. Er war der Einzige, der bei diesem Spiel Freude hatte.

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