Süddeutsche Zeitung

Premier League:Es rumpelt in der Coaching Zone

Nach 21 Siegen in Serie verliert Pep Guardiola mit Manchester City das Stadtduell gegen United - auch weil kein anderer Trainer Guardiola so gut durchschaut wie Ole Gunnar Solskjaer. Nach dem Spiel gibt es Redebedarf.

Von Sven Haist, London

Für die Aufstellung eines neuen Weltrekords pfiff Manchester City auf die Etikette. Trotz der bisherigen Bestmarken fehlte City ja dieser schöne Vermerk in den Guinness World Records; auf dem Weg zur Meisterschaft 2018 sammelte der Klub 18 Siege hintereinander - allerdings mit der Einschränkung, dass diese lediglich in den Premier-League-Spielen gelangen. Anders verhielt es sich nun mit Citys wettbewerbsübergreifenden 21 Pflichtspielsiegen am Stück (16 davon in der Liga). Um die Chance zu wahren, in dieser weltweit anerkannten Rekord-Kategorie die 27 Profisiege des walisischen Serienmeisters The New Saints von vor vier Jahren zu egalisieren, musste City am Sonntag den Stadtrivalen United schlagen - und versuchte das auch mit allen Mitteln.

In der Schlussphase spielte Uniteds Torwart Dean Henderson den Ball ins Aus, damit Mason Greenwood für den humpelnden Mitspieler Marcus Rashford eingewechselt werden konnte. Weil Greenwood jedoch nicht unmittelbar für seinen Einsatz bereitstand, setzte City - mit zwei Toren in Rückstand liegend - ziemlich ungeniert das Spiel mit einem schnell ausgeführten Einwurf fort, ohne dabei den Ball wieder freiwillig abzutreten. Das sorgte für Empörung bei United, sowohl bei den Spielern auf dem Platz als auch bei Trainer Ole Gunnar Solskjaer. In der Coaching Zone wetterte Solskjaer gegen seinen Kollegen Pep Guardiola. Selbst weit nach Abpfiff gab es noch Redebedarf, nur für Guardiola angeblich nicht, der im Interview kurz angebunden meinte: "Kein Problem, kein Problem! Es ist gelöst."

Der eine Angriff mehr, als es die feine englische Art erlaubt hätte, half ManCity dann aber auch nicht mehr weiter. Das Spiel ging mit 0:2 verloren, es war die erste Niederlage seit 106 Tagen. Citys Mittelstürmer Gabriel Jesus hatte schon nach einer halben Minute übermotiviert durch ein Foul an Anthony Martial einen Elfmeter verursacht, den Bruno Fernandes verwandelte (2.). Ähnlich schnell legten die Gäste in der zweiten Halbzeit durch Linksverteidiger Luke Shaw nach (50.). "Wir haben uns massiv verbessert. Wir sind robuster und belastbarer geworden und haben mehr Persönlichkeit im Team", lobte Solskjaer.

United holte im blauen Teil der Stadt also den erhofften Prestigeerfolg fürs eigene Ego, The New Saints halten weiterhin den Weltrekord für die meisten Siege nacheinander - und für Ligaprimus City dürfte dennoch die dritte Meisterschaft in vier Jahren herausspringen. "Wir werden die News sein, weil wir verloren haben", mutmaßte Guardiola, dabei seien die 21 Siege seines Teams "die Nachricht", fand er. Welche Stimmung in der Luft lag, merkte man im Sky-Studio: Dort wies Uniteds früherer Mittelfeld-Bösewicht Roy Keane den Ex-City-Profi Micah Richards an, nicht so "großspurig" aufzutreten. Richards konterte, dass man nach 21 Siegen eben schon mal "ein bisschen cocky" sein könne - und abgerechnet werde am Ende.

Bei noch zu vergebenden 30 Punkten bis Saisonende wird der komfortable Vorsprung von elf Punkten auf den Zweiten United wohl ausreichen - es sei denn, City erlebt einen ähnlichen Einbruch wie der ersatzgeschwächte Meister FC Liverpool. Das Team von Jürgen Klopp erlitt beim 0:1 gegen Aufsteiger FC Fulham die sechste (!) Heimpleite in Serie.

Am besten agieren die Red Devils, wenn sie reagieren können

Sich direkt mit City um den Titel zu duellieren, dieses Szenario hatte United in den vergangenen Wochen verspielt: Sechs Unentschieden in neun Partien, auch gegen Klubs aus dem hinteren Tabellenfeld, manifestierten die These, dass sich United unwohl dabei fühlt, die Initiative zu ergreifen. Am besten agieren die Red Devils, wenn sie reagieren können - und zu kaum einem Gegner passt diese Strategie besser als zu Guardiolas City. Unter den 67 Trainern, die Guardiola mehr als drei Mal mit ihren Mannschaften gegenüberstanden, hat einzig Solskjaer eine positive Bilanz vorzuweisen (vier Siege, ein Unentschieden, drei Niederlagen). Bisher gewann Solskjaer mit United alle drei Auswärtsspiele beim Stadtnachbarn - auch beim neuerlichen Triumph überzeugte er mit einer geeigneten Taktik.

Seitdem Guardiola seinen auf die Spitze getriebenen Dominanzfußball nach missratenem Saisonstart entknotete (Kameradschaft in der Defensive, Geduld im Angriff, viele Spieler ins Zentrum und Flügelspieler wieder nach außen), zerbrach sich die Konkurrenz den Kopf über das richtige Vorgehen. United griff nun speziell zu Beginn ungewöhnlich früh an und zog sich erst zurück, als sich die gegnerischen Angriffe nicht mehr anders abwehren ließen. Dahinter steckte die Idee, den sehr weit vorne positionierten Mittelfeldspielern Kevin De Bruyne und Ilkay Gündogan ihre Stärken zu nehmen. Rund um den Strafraum ist der Handlungs- und Gedankenschnelligkeit der beiden kaum beizukommen, aber auf der Strecke fehlt ihnen die Explosivität. Die wäre allerdings gegen United notwendig gewesen, um den Freiraum hinter der gegnerischen Abwehr besser auszunutzen.

Die Niederlage sei "eine Lektion" gewesen, bilanzierte Guardiola gewohnt pathetisch - sie dürfte ihm speziell als Warnung dienen für die Champions League. Aufgrund der teils überhandnehmenden Überlegenheit in der heimischen Liga wirkte sein Team zuletzt in der Königsklasse oftmals überfordert bei Rückständen. Man war sie schlicht kaum mehr gewohnt; Guardiola kennt das noch aus seinen Jahren beim FC Bayern.

Im Zweikampf mit Guardiola musste sich Solskjaer hinterher noch die spitze Anmerkung gefallen lassen, dass das von ihm gecoachte Manchester United "seit Jahren" vor allem aufs Verteidigen aus sei; ja sogar die Geschichte des Klubs, unkte Guardiola, drehe sich doch bloß um "Konter und Geschwindigkeit". Die feine englische Art war auch das nicht.

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